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Kitas, Klima und Kliniken: Vor diesen Problemen stehen die Kommunen
Stuttgart. Debatten um ein neues Freibad, Streit um Radwege oder Diskussionen um die Umgestaltung eines Stadtpark – die Themen bei der Kommunalwahl sind in den 1101 Städten und Gemeinden sowie in den 35 Landkreisen teils sehr unterschiedlich. Es gibt aber auch eine ganze Reihe von Problemen und Aufgaben, vor denen alle Städte, Gemeinden und Landkreise im Land stehen.
Bildung
Die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium, das Sprachförderpaket für Kindergarten- und Grundschulkinder und mehr Ganztagsschulen – all das trifft auch die Städte und Gemeinden im Land, sind sie doch in den meisten Fällen Träger von Schulen und Kindertageseinrichtungen. Dafür brauche es ausreichend Ressourcen, fordert der Präsident des Gemeindetages, Steffen Jäger. «Angesichts des bestehenden Mangels an pädagogischen Fachkräften und Geld geht eben nicht alles gleichzeitig. Hier muss der Landesgesetzgeber über Prioritäten entscheiden und die Umsetzungsschritte benennen.» Auch die Kommunen seien dafür, Bildung zu priorisieren, so Jäger.
Bevor neue Dinge versprochen würden, müssen aber erst einige Fragen beantwortet werden, so der Gemeindetagspräsident: Wer solle die Sprachförderung in Schulen und Kitas übernehmen? Woher sollen die Lehrkräfte für Ganztagsgrundschulen kommen? Und mit welchem Geld sollten zusätzliche Klassenzimmer für eine Rückkehr zu G9 gebaut werden? Ein Thema bleibe auch die Digitalisierung der Schulen, sagte Ralf Broß , geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags. Die Ausstattung der Lehrkräfte mit Geräten sei Aufgabe des Landes. «Wir erwarten im Doppelhaushalt ein klares Zeichen, dass Kontinuität gewährleistet ist», so Broß .
Betreuung
Auch der Ausbau der Kitas im Land liegt häufig in den Händen der Kommunen. Der Bedarf ist riesig: Im vergangenen Jahr hatte die Bertelsmann-Stiftung eine Studie veröffentlicht, wonach im Südwesten rund 60 000 Kitaplätze fehlen, um den Bedarf der Eltern abzudecken. Um die Nachfrage nach Kita-Plätzen erfüllen zu können, bräuchte es nach Berechnungen der Stiftung bis ins Jahr 2025 zusätzlich 14 800 Fachkräfte. Wo diese herkommen sollen, ist unklar: Kommunen beklagen seit langem, dass der Markt für Fachkräfte völlig leer gefegt sei. Nun kommt ab 2026 noch ein Rechtsanspruch für die Ganztagesbetreuung an Grundschulen hinzu.
Auch da bereite die Personalnot Sorgen, sagte Ralf Broß vom Städtetag. «Die Städte wollen den Ganztagesanspruch umsetzen, weil es auch ihr Anspruch ist, vor Ort das Thema Familie und Beruf zusammenzubekommen», sagte er. Die Betreuung hänge aber neben der Finanzierung am Personal und an der Frage, ob es genügend Räumlichkeiten gebe, so Broß .
Finanzen
Viele Aufgaben aber nicht genug Geld dafür? Der Gemeindetagspräsident rechnet in diesem Jahr mit mehr defizitären Kommunen. «2024 werden sechzig bis siebzig Prozent der Kommunen im Land keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können», sagte Jäger jüngst der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten». Ende 2023 waren es demnach 48 Prozent der Städte und Gemeinden. Das sei ein Alarmsignal. Städte und Gemeinden müssten ihre Pflichtaufgaben erfüllen, auch wenn das Geld dafür fehle. «Dann werden Kredite aufgenommen. Das führt zur Unwucht.» Auch die Finanzlage der Landkreise sei extrem angespannt, sagte der Präsident des Landkreistags, Joachim Walter (CDU). «Die Landkreise werden unter diesen Bedingungen selbst ihre Pflichtaufgaben absehbar nur noch eingeschränkt erfüllen können, wenn nicht kurzfristig gegengesteuert wird.»
Flüchtlinge
Eine der «herausforderndsten und unabsehbarsten Aufgaben» ist aus Sicht des Gemeindetages die Unterbringung, Versorgung und Integration von Geflüchteten. Viele Städte und Gemeinden hätten die Grenze des Leistbaren erreicht. Häufig müssten die Verwaltungen Entscheidungen gegen den Widerstand der Bürgerschaft treffen. Aus Sicht des Städtetags ist das Thema derzeit vor allem in Städten relevant, in denen das Land Standorte für Landeserstaufnahmeeinrichtungen plant. Die Situation sei zwar angespannt, es werde aber derzeit keine Unterbringung von Geflüchteten in Hallen und Zelten geprüft, so Broß .
Energiewende
Was viele mit dem Gebäudeenergiegesetz ( GEG ) in Aufruhr versetzte, wird ebenfalls in den Kommunen vor Ort umgesetzt: die Wärmewende, also die Umstellung auf klimaneutrale Heizungen. Das kann etwa mit einer Wärmepumpe gelingen oder auch mit dem Anschluss an ein Fern- oder Nahwärmenetz. Damit die Menschen möglichst bald Klarheit bekommen, wo ein solches Netz entstehen kann, müssen die Kommunen eine sogenannte Wärmeplanung erstellen. In Baden-Württemberg mussten alle großen Kreisstädte und die Stadtkreise laut Klimaschutzgesetz bis Ende 2023 einen kommunalen Wärmeplan vorlegen.
Alle Kommunen mit mehr als 10 000 Einwohnern müssen die Wärmepläne laut Heizungsgesetz auf Bundesebene bis spätestens 2028 ausarbeiten. Aus Sicht der Gemeinden sollte dabei auf unnötigen Aufwand verzichtet werden. Wärmenetze seien nicht überall sinnvoll, sagte Steffen Jäger vom Gemeindetag. «Deshalb sollten wir die knappen Planungsressourcen auch auf die Siedlungsgebiete fokussieren, wo es eine hohe Umsetzungswahrscheinlichkeit gibt», fordert er. Das bringe auch den Hauseigentümern schnell Klarheit. Nicht geeignete Gebiete sollten die Gemeinden aus Sicht Jägers in einem einfachen Verfahren zu solchen erklären dürfen.
Nahverkehr
Wie häufig fährt ein Bus und wo wird eine neue Straßenbahn-Linie gebaut? Auch darüber entscheiden die Städte und Landkreise. Das Land will den Ausbau stark forcieren und hat eigentlich im Koalitionsvertrag vereinbart, dass bis 2026 alle Bürgerinnen und Bürger eine Mobilitätsgarantie bekommen sollen. Dann sollte in Hauptverkehrszeiten auf dem Land mindestens alle 30 Minuten ein Bus fahren, in Ballungszentren mindestens alle 15 Minuten. Anfang des Jahres musste Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) aber einräumen, dass das Ziel erst bis 2030 realisiert werden könne. Der Grund: Personalmangel.
Darüber klagen auch die Städte im Land – und bremsen deswegen hochtrabende Ausbau-Fantasien: «Viele Kommunen werden vor die Entscheidung gestellt, im bestehenden Betrieb unter Umständen auch an die Fahrpläne zu gehen, weil das Personal nicht mehr zur Verfügung steht», sagte Ralf Broß vom Städtetag. In den Ballungszentren sei der ÖPNV schon gut ausgebaut, dort müsse es vor allem um den Erhalt des Status quo gehen, so Broß . Baden-Württemberg habe aber auch viele ländliche Räume. «Dort ist vor allem die Aufgabe, den bestehenden ÖPNV weiter auszubauen.»
Krankenhäuser
Auch hier geht es vor allem ums Geld: Die Landkreise schlagen seit Monaten Alarm wegen der finanziellen Lage der Kliniken im Land. In vielen Gegenden tragen sie die örtlichen Krankenhäuser und damit auch am Ende die Defizite. «Wenn allein die Landkreise in diesem Jahr ihren Kliniken 790 Millionen Euro an Unterstützungsleistungen zukommen lassen müssen, dann liegt es auf der Hand, dass dies auf eine komplette Überforderung der kommunalen Ebene hinausläuft», sagte der Präsident des Landkreistags Joachim Walter (CDU) erst jüngst. Es brauche dringend ein 300 Millionen Euro schweres Nothilfeprogramm des Landes. «Andernfalls sehen wir eine deutliche Gefahr für die Patientenversorgung», sagte Walter, der auch Landrat im Kreis Tübingen ist.
Zudem kämpfen die Kliniken mit einem immer größer werdenden Personalmangel. Im Herbst meldete die baden-württembergische Krankenhausgesellschaft ( BWKG ), fast neun von zehn Krankenhäusern hätten große Probleme Pflegekräfte zu finden. Knapp drei Viertel aller Häuser können auch Stellen im ärztlichen Bereich nur schwer besetzen. (dpa/ lsw )