Keimbelastung im Bodensee

Bakterien im Badewasser: Messwerte werden zu spät veröffentlicht

Die Badegewässerkarte des Landesgesundheitsamtes dokumentiert die Messergebnisse der regelmäßigen Proben auf Keim- oder Algenbelastung in Flüssen und Seen. Doch die Systematik taugt nicht, um Badegäste über die schlechte Wasserqualität vor allem nach Starkregen zu informieren.

Badegäste in der Manzeller Bucht in Friedrichshafen. Wie hoch die Keimbelastung des Wassers nach Starkregen ist, wird nicht zeitnah kommuniziert.

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Friedrichshafen. Diese Keimbelastung an einem Badestrand am Bodensee toppt alle registrierten Werte der vergangenen Jahre. Knapp 35  000 E-Coli-Bakterien in 100 Milliliter Wasser steckten in der Probe, die am 31. August 2023 im Strandbad Eriskirch gezogen wurde. Der Grenzwert liegt bei 1800. Und auch Enterokokken waren mehr als genug im Wasser. Der Wert für diese Bakterien lag mehr als sechs Mal so hoch wie die Badewasser-Richtlinie der EU erlaubt.

Schlechte Wasserwerte fallen in dem kommunalen Strandbad und im benachbarten Seebad in Langenargen seit Jahren immer wieder auf. Denn nur einen Katzensprung entfernt münden die Schussen beziehungsweise Argen in den Bodensee. Die beiden Flüsse bringen vor allem nach Starkregen eine Menge Dreck und Fäkalien mit. Deshalb werden Badegäste seit Jahren aktiv gewarnt, wenn die Keimbelastung zu hoch ist. Eine rote Fahne signalisiert dann schnell: Heute Badeverbot im See!

Die Keimbelastung Ende August war an mehreren Stränden kritisch

Das geschah auch diesmal. Bereits am 30. August habe das Gesundheitsamt des Bodenseekreises angeordnet, wegen „erhöhter Werte“ die rote Fahne zu setzen, teilt das Eriskircher Rathaus auf Anfrage mit. Sie blieb bis zum 7. September am Mast, also eine ganze Woche lang. Doch in der öffentlichen Badegewässerkarte des Landes fehlte die Warnung. Da stand: „Aktuell kann die Badestelle ohne Einschränkungen genutzt werden.“ Dazu kommt, dass die Messwerte der Proben vom 29. August für alle Badestellen am Seeufer im Bodenseekreis erst am 8. September veröffentlicht wurden – auch für Eriskirch. Da war die Wasserqualität längst wieder in Ordnung.

Dabei war die Keimbelastung Ende August an mehreren Stränden im Bodenseekreis kritisch, so in Unteruhldingen, in Langenargen an der Malerecke und auch in Hagnau. Nur: Hier warnt nirgendwo eine rote Fahne die Badegäste vor schlechtem Wasser. Genau wie an vier weiteren Badeplätzen in Immenstaad, Friedrichshafen, Überlingen und Mühlhofen, die schon im Mai Probleme mit der Wasserqualität hatten. Dabei lud der See ab dem 1. September bei erneut hochsommerlichem Wetter schon wieder zum Baden ein. Eine Auswertung der Messergebnisse von Wasserproben der letzten drei Jahre zeigt, das auch in 2020 und 2021 die Grenzwerte an sechs Badeplätzen im Bodenseekreis vor allem bei E-Coli-Bakterien insgesamt zehn Mal überschritten wurden, 2021 allein drei Mal am Strandbad in Langenargen.

Was bringt eine von der öffentlichen Hand geführte Badegewässerkarte, wenn gesundheitsgefährdende Werte nicht unverzüglich vermeldet werden? Wie kritisch die Situation werden kann, zeigte ein Störfall in der Manzeller Bucht in Friedrichshafen im August 2019. Damals wurden über 200 Menschen krank, als Fäkalien wegen eines verstopften Rohres über den Buchenbach das Wasser am Badeplatz daneben stark verschmutzte.

Das Land stellt lediglich die Plattform im Internet zur Verfügung

Dass die kritischen Werte von Ende August in Eriskirch und Langargen nicht ausgespielt wurden, sei ein „technischer Fehler“ gewesen, schreibt das Sozialministerium auf Anfrage. Für die Datenpflege und die Statusmeldungen seien jedoch die Gesundheitsämter zuständig. Das Land stelle lediglich die Plattform im Internet zur Verfügung.

Das Landratsamt Bodenseekreis teilt mit, dass auf der Badegewässerkarte in den Vorjahren unter „Aktuelles“ dauerhaft eingestellt war, dass es in beiden Orten zu Einschränkungen des Betriebs kommen könne. Badegäste sollten sich hier selbst vor Ort kundig machen und auf die Situation achten. „Seit dieser Saison fehlt dieser Hinweis jedoch, obwohl wir ihn eingepflegt haben“, schreibt Kreissprecher Robert Schwarz. Warum, wisse man nicht. Man habe das wiederholt beim technischen Partner des Landesgesundheitsamts angemerkt.

Doch das Problem ist grundsätzlicher Art und betrifft viele Badestellen nicht nur am Bodensee. Vor allem bei Starkregen werden Keime aus Kanälen, Vorflutern und Bächen in Flüsse und Seen gespült wird. Die Keimbelastung steigt sprunghaft und kräftig an und flacht zumindest am Bodensee in den folgenden zwei, drei Tagen üblicherweise wieder ab. Die Wasserqualität wird im Bodenseekreis aber nur alle 14 Tage überprüft, unabhängig vom Wetter.

„Die Badegewässerkarte kann und wird nie einen Echtzeitstand bezüglich der Badewasserqualität vor Ort abbilden“, erklärt Robert Schwarz. Zumal die Messwerte immer mit Zeitverzug ins System eingespeist werden. Um die aktuellen Werte gehe es bei der sommerlichen Testreihe, die laut Badegewässerverordnung des Landes nur alle vier Wochen Pflicht ist, gar nicht. „Ziel der Beprobung ist die langfristige Überwachung der grundsätzlichen Eignung des Badegewässers.“ Da glänzt jeder Badeplatz mit dem Prädikat „ausgezeichnet“.

Die Badegewässerkarte des Landes

Die Badegewässerkarte gibt einen Überblick über die Badegewässer im Land, die regelmäßig auf ihre Wasserqualität hin mikrobiologisch überwacht werden. Sie informiert über aktuelle und hygienische Qualitätsstatus der Vorjahre. Die Überwachung und Beurteilung der Badegewässerqualität erfolgt durch die Gesundheitsämter mit Landesgesundheitsamt. Die Einstufung gemäß EU-Badegewässerrichtlinie erfolgt jeweils anhand der Messungen der letzten vier Jahre.

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