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Haushaltslage

Karlsruhe soll Kreisen zu besseren Finanzen verhelfen

Während in Baden-Württemberg erste Kommunalvertreter laut über eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe nachdenken, sind Landkreise in anderen Bundesländern diesen Weg bereits gegangen. In Sachsen-Anhalt kamen Landkreise wegen der Kreisumlage in die Bredouille, in Rheinland-Pfalz wegen des Finanzausgleichsgesetzes.

Zwei Klagen von Landkreisen liegen beim Bundesverfassungsgericht.

dpa/Uli Deck)

Karlsruhe. Landkreise ächzen unter der Ausgabenlast. Der Präsident des Landkreistags, Joachim Walter (CDU), hatte im Sommer gewarnt: „Die Kreishaushalte befinden sich im freien Fall.“ Der ehemalige FDP-Landesminister Walter Döring, Kreisrat im Landkreis Schwäbisch Hall, schlägt eine Klage gegen die Unterfinanzierung von Staats- und Bundesaufgaben für die Landkreise vor. Noch begegnen die Kommunalverbände dem mit Zurückhaltung, Unterstützung allerdings gibt es vom Landkreistag für die Kollegen in Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz.

Von Landkreisen aus den beiden Bundesländern liegen dem Bundesverfassungsgericht zwei Klagen vor, eine bereits seit 2019 aus der kreisfreien Stadt Pirmasens und dem Kreis Kaiserslautern, seit dem 12. Dezember eine weitere des Kreises Mansfeld-Südharz und des Salzkreises in Sachsen-Anhalt. Die Kläger wehren sich gegen die strukturelle Unterfinanzierung. Dies verletze das verfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltungsrecht aus Artikel 28 Grundgesetz. Die monierte Rechtsverletzung hat aber unterschiedliche Hintergründe.

Landkreise sind zur Rückzahlung der Kreisumlage gezwungen

So hat der Landkreis Mansfeld-Südharz trotz klammer Kassen in diesem Sommer beschlossen, seinen neun Kommunen und zwei Verbandsgemeinden knapp 39 Millionen Euro an Kreisumlagen zurückzuzahlen. Dem Beschluss des Kreistags gingen Klagen von Kreisgemeinden voraus, die am Ende der beklagte Kreis verloren hatte. Landrat André Schröder (CDU) hatte daraufhin das Land um Nothilfe gebeten und den Haushalt für 2024 zurückgezogen. Mittlerweile, so der Landrat in einer Pressekonferenz, seien die Schulden höher als das Vermögen des Kreises.

Ganz so dramatisch sieht es im benachbarten Salzlandkreis nicht aus, doch auch hier klagen Kommunen erfolgreich gegen die Kreisbehörde in Bernburg. Damit sei es nicht mehr möglich, die Kreisumlage in der notwendigen Höhe zu erheben. Die zu geringen Einnahmen ließen sich so nicht ausgleichen. Im aktuellen Haushalt musste Landrat Markus Bauer (SPD) ein Defizit von 17 Millionen Euro hinnehmen, bei Ausgaben von 388 Millionen Euro. Kollege Schröder, einst Finanzminister des Landes, nannte ein Defizit von 44 Millionen Euro bei Ausgaben von 280 Millionen und von höheren Schulden als der Kreis Vermögen habe. Schröder stellt seine Behörde als sehr knapp besetzt und sparsam dar, ein Ausgabenproblem gebe es nicht.

Keine anderen Einnahmequellen

Stattdessen stecken die Kreise in der Bredouille, weil keine anderen Einnahmen möglich sind als die staatlichen Zuweisungen und die Umlage. Steuern können sie nicht erheben. So müssen die Landkreise für die Finanzierung der Pflichtaufgaben Schulden aufnehmen. Nur noch zwei Prozent der Kreisausgaben in Mansfeld-Südharz gehen in freiwillige Aufgaben. Der Salzlandkreis beklagt, dass das Selbstverwaltungsrecht der Kreise durch die Fördervorgaben eingeschränkt sei, die bei finanzschwachen Kreisen unverzichtbar seien.

Verfassungsrechtlich geht es um die Frage, ob die Kreise ebenso wie Städte und Gemeinden einen Anspruch auf eine kommunale Mindestausstattung haben, der sich aus dem Grundgesetz ableiten lässt. Falls das Verfassungsgericht das verneine, so Landrat Schröder, müsse sich die Rechtsprechung zur Kreisumlage ändern. Das Bundesverwaltungsgericht hat 2021 die kritisierte Berücksichtigung der Gemeinde- und Stadtfinanzen bei der Kreisumlage deutschlandweit zur Geltung gebracht.

Die Aufgaben der Kreise aber seien gleichrangig zu denen anderer staatlicher Akteure wahrzunehmen und müssten dann auch finanziert werden können. Wenn das Land bei der Finanzierung auf seine Leistungsfähigkeit verweise, dann könne das die Landkreisebene auch. Schröder fordert: Bleiben die Beträge, müssen sie im Sinne der Aufgabengleichbehandlung anders verteilt oder die Aufgaben müssten angepasst werden. Die Klärung ist dem Landkreistag von Sachsen-Anhalt so wichtig, dass er die Prozesskosten bezahlt.

Unzufriedenheit mit der Gesetzesnovelle

Dass diese Kosten alsbald anfallen, hofft man in Rheinland-Pfalz. Neben der Stadt Pirmasens hat der Kreis Kaiserslautern vor mehr als fünf Jahren in Karlsruhe geklagt und rechnet 2025 mit einem Richterspruch, nachdem das Landesverfassungsgericht verschiedene Fassungen des Finanzausgleichsgesetzes kassiert hatte. Auch mit dem jetzigen Gesetz ist der Landkreis unzufrieden.

Zum Klagezeitpunkt standen die Kommunen im Nachbarland mit 12,3 Milliarden Euro in der Kreide, mehr als die Hälfte davon Kassenkredite. Mittlerweile hat das Land kommunale Altschulden übernommen, doch für den Kreis Kaiserslautern änderte sich strukturell nichts. 2025 fallen die Pflichtaufgaben mit mehr als 46 Millionen Euro defizitär aus. Ständige Kassenkredite zur Aufgabenfinanzierung, Gebührenerhöhungen und Fehlbeträge von rund 21 Millionen Euro im Ergebnis- und Finanzhaushalt sind Gründe, weshalb der Kreis auf ein Urteil aus Karlsruhe hofft. 

Schulden gehen hoch

Die kommunalen Schulden in Deutschland steigen, so das Statistische Bundesamt in einer Auswertung vom November 2024. Die integrierte kommunale Verschuldung lag Ende 2023 bei 4133 Euro pro Kopf. Das ergab einen Jahresanstieg von drei Prozent, im selben Vorjahreszeitraum waren es sogar 4,3 Prozent. Rheinland-Pfalz wies eine Pro-Kopf-Verschuldung von 4684 Euro aus, Baden-Württemberg lag mit 4085 Euro ziemlich nahe am Mittelwert von 4113 Euro. Sachsen-Anhalt weist einen Wert von 3863 Euro aus. Spitzenreiter war das Saarland mit 6187 Euro Schulden pro Kopf, Brandenburg dagegen hatte nur 2519 Euro Schulden auf jeden Bürger zu verteilen.

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