Jurist zu Cannabis-Auflagen: „Ich will, dass das Gesetz eingehalten wird“
Sie vertreten bundesweit die Vereine. Wie ist Ihre Erfahrung in Baden-Württemberg?
In Baden-Württemberg hat man das Gefühl, man würde das Cannabisgesetz noch strenger machen wollen, als es schon ist. Es gibt im Gesetz einen Katalog an Vorgaben. Das Regierungspräsidium Freiburg hat diesen Katalog deutlich erweitert und versucht, seine Rechtsauffassung in Form von Auflagen durchzusetzen. Die Behörde muss aber nur darauf achten, ob die Voraussetzungen für das Gesetz gegeben sind. Bestes Beispiel dafür ist, dass eine Kostenkalkulation gefordert wird, die aber für die meisten Vereine noch gar nicht möglich ist.
Inwieweit erschweren die Auflagen die Vereinsgründungen?
In Bayern werden diese verhindert, da gibt es auch noch keine einzige Lizenz. Die Vereinsgründung möchte man nicht verhindern. Es wird den Vereinen aber deutlich schwerer gemacht, als das in anderen Bundesländern der Fall ist.
Die Behörden tragen aber auch eine große Verantwortung. Schließlich handelt es sich um eine Droge.
Natürlich handelt es sich bei Cannabis um eine Droge mit einem gewissen Gefährdungspotenzial. Der Gesetzgeber hat das mehr als berücksichtigt. Ich darf in meinem Keller Hektoliter an Alkohol lagern, die das ganze Land vergiften könnten. Aber ich darf nur 50 Gramm Cannabis lagern und die Vereine brauchen einen Sucht-Präventionsbeauftragten.
Sie klagen gegen die Auflage zur Rufbereitschaft für Kontrollen. Das RP Tübingen hat angeboten, die Vereine könnten sich zwei Tage raussuchen, an denen eine Person erreichbar sein muss, und das nur an vier Werktagen, von 9 bis 17 Uhr.
Im Gesetz steht, dass die Anbauvereinigungen zu ihren Öffnungszeiten Kontrollen dulden müssen. Der Behörde wird im Gesetz nicht die Möglichkeit eingeräumt, diese Öffnungszeiten selbst zu diktieren.
Ist es nicht nachvollziehbar, dass die Kontrollen während der Arbeitszeit der Behörden und Labore erfolgen?
Nachvollziehbar ja, rechtmäßig nein. Im Gesetz steht, dass die Kontrollen zu den Öffnungszeiten der Anbauvereinigung geschehen sollen und die sind eher später, weil die Mitglieder einer anderen beruflichen Tätigkeit nachgehen. Denn gleichzeitig sagt das RP, dass Vorstandsmitglieder, die viel Verantwortung tragen und viel Zeit investieren, bei geringfügiger Beschäftigung zu einem Bruchteil des Mindestlohns arbeiten müssen. Wenn ich Vollzeit tätig bin, kann ich mich nicht von 9 bis 17 Uhr der Rufbereitschaft unterwerfen.
Sie wollen deshalb, dass die Vorstandsmitglieder besser bezahlt werden. Laut dem Gesetz sollen die Vereine aber einen nicht-kommerziellen Charakter haben.
Ich möchte, dass das Gesetz eingehalten wird. Eine Cannabis-Vereinigung ist nicht gewinnorientiert und nicht-wirtschaftlich, so wie fast alle Vereine. Wenn ein Vereinsvorstand seine 40 Stunden arbeitet, einen normalen Arbeitsvertrag hat, und 5000 Euro brutto bekommt, ist das kein gewinnorientiertes Handeln des Vereins. Dass Arbeitnehmer von Vereinen ein Interesse an einer Entlohnung haben, hat keine Auswirkung auf die Frage der Gewinnorientierung.
Reichen die Einnahmen für eine solche Bezahlung aus?
Es gilt das Prinzip der Kostendeckung. Der Verein darf nur so viel einnehmen, wie er auch ausgibt. Wenn zehn Euro pro Gramm verlangt werden und ich zehn Kilo im Monat ausgebe, dann habe ich 100 000 Euro eingenommen. Da geht sehr viel Geld drauf für Stromkosten, Hygiene, Vermehrungsmaterial, aber da gäbe es noch genug Geld für ordentliche Gehälter. Allerdings ist dazu zu sagen, dass die Gramm-Preise in der Praxis deutlich niedriger ausfallen werden.
Wie kamen Sie auf das Thema?
Ich komme aus der Betäubungsmittelstrafverteidigung. Mit dem Gesetz konnten meine Mandanten plötzlich Cannabis legal anbauen. Ich habe mich eingelesen, das war im Mai 2023, also ein paar Tage nachdem der erste Gesetzesentwurf seinen Weg an die Öffentlichkeit gefunden hat. Die Cannabis-Kriminalisierung hat in meinen Augen schon immer gegen jeden Menschenverstand verstoßen.
Die CDU will die Teillegalisierung wieder kippen. Müssen Sie sich nach der Bundestagswahl eventuell ein neues Betätigungsfeld suchen?
Man muss bedenken, wie viel Ressourcen benötigt werden, um so ein Gesetz zurückzudrehen. Es gibt nicht den Hauch eines wissenschaftlichen Belegs, dass das problematisch ist. Bei dem Gesetz geht es um Entkriminalisierung und nicht darum, ob Cannabis gut oder schlecht ist. Ich verteidige ja nach wie vor Straftäter. Bei einer neuen Prohibition würden alle Konsumenten wieder verfolgt werden, daher wäre das nur eine Verlagerung. Wenn auch eine traurige aus Sicht der Betroffenen.
Der Schwarzmarkt wurde durch das Gesetz noch nicht zurückgedrängt.
Der Schwarzmarkt kann nur durch den legalen Markt zurückgedrängt werden, also über Anbauvereinigungen. Aber es wird den Vereinigungen ja extrem schwer gemacht. Problematischer finde ich den Handel mit medizinischem Cannabis über das Internet. Findige Ärzte bieten Zwei-Minuten-Gespräche an und stellen ein Rezept aus. Die Leute lassen sich das Cannabis dann in unbegrenzter Menge nach Hause schicken. Und das Ganze wird aggressiv beworben.
Zur Person
Johannes Nelkenstock hat sich auf Cannabis-Anbauvereine spezialisiert. Der Frankfurter Jurist hat die ersten Cannabis-Clubs in Baden-Württemberg bei ihrer Gründung begleitet. Nun klagt der 30-Jährige für vier lizensierte Anbauvereine im Südwesten gegen die Auflagen vor den Verwaltungsgerichten in Mannheim, Freiburg und Stuttgart.