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Interview zur Verpackungssteuer: „Kleinere Betriebe haben Anreize für Mehrweg-Angebot“

Die Verpackungssteuer der Stadt Tübingen ist Anfang 2022 in Kraft getreten. Zudem gibt es dort ein Förderprogramm für Mehrweg-Behältnisse. Der Wirtschaftswissenschaftler Stefan Moderau hat untersucht, wie sich dies auf das Müllaufkommen auswirkt.
Ein völlig überfüllter Mulleimer auf der Tübinger Platanenallee zur Verbildlichung der Verpackungssteuer-Thematik. Foto: EIBNER/Duddek

Die Tübinger Verpackungsteuer soll das Aufkommen an To-go-Verpackungsabfällen im Stadtgebiet reduzieren.

dpa/Eibner-Pressefoto/Dennis Duddek)

Staatsanzeiger: Das Müllaufkommen in Tübingen hat sich nicht verringert, seit die Verpackungssteuer gilt?

Stefan Moderau: Das ist richtig, gemessen am Gewicht des Abfalls in öffentlichen Abfalleimern. Auch im Vergleich mit Kontrollstädten ergibt sich keine Reduktion. Das Ergebnis war für mich am Anfang überraschend. Ich habe dann nach Studien gesucht, die die Zusammensetzung des Abfalls untersuchen und tatsächlich zwei gefunden. Hier wurde gezählt, welche Abfall-Fraktionen es in öffentlichen Abfallbehältern gibt, beispielsweise Glasflaschen, illegal entsorgter Hausmüll und Einwegverpackungen. Diese Untersuchungen sagen aus, dass nur ein kleiner Anteil, gewichtsmäßig um die 20 Prozent des Abfalls, in diesen Abfalleimern von Einwegverpackungen kommen, die hauptsächlich unter die Verpackungsteuer fallen. Es ist kein Wunder, dass es keine Reduktion gab.

„In der Praxis sorgt das manchmal für Frust, weil ein kaltes Leberkäsweckle nicht besteuert wird, aber ein warmes schon.“

Stefan Moderau,
wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Tübingen

Kann man daraus schließen, dass die Verpackungsteuer nichts bringt?

Das würde ich nicht sagen. Sie bringt nichts in Bezug auf die Menge an Abfällen in öffentlichen Papierkörben, aber sie bringt durchaus etwas in Bezug auf die Förderung von Mehrwegangeboten. Da steht Tübingen jetzt pro Einwohner nach Einführung der Steuer bundesweit auf Platz eins. Und das auch im Jahr 2023 noch.

Soll eine Steuer auf Einwegverpackungen erhoben werden?
  • Ja 65%, 53 Stimmen
    53 Stimmen 65%
    53 Stimmen - 65% aller Stimmen
  • Nein 32%, 26 Stimmen
    26 Stimmen 32%
    26 Stimmen - 32% aller Stimmen
  • Mir egal 2%, 2 Stimmen
    2 Stimmen 2%
    2 Stimmen - 2% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 81
24. August 2023 - 31. August 2023
Die Umfrage ist beendet.

Was bedeutet das?

Das ist insofern erwähnenswert, weil seit Anfang dieses Jahres eine bundesweite Mehrwegangebotspflicht für Imbissbetriebe ab einer bestimmten Größe gilt. Auch wenn jetzt andere Städte aufholen, ist Tübingen weiterhin auf Platz eins. Und zwar deshalb, weil viele Betriebe nicht unter die Mehrwegangebotspflicht fallen. Diese kleineren Betriebe haben in Tübingen wegen der Verpackungsteuer trotzdem einen Anreiz, Mehrweg anzubieten.

Welchen bürokratischen Aufwand löst die Abgabe aus?

Zu bedenken ist der Verwaltungsaufwand, den die Stadt mit der Steuer hat. Und für die Betriebe ist sie auch eine Belastung. Sie müssen eine Steuererklärung darüber abgeben, wie viele Einweg-Verpackungen sie verbraucht haben und das entsprechend dokumentieren.

Soll eine Steuer auf Einwegverpackungen erhoben werden?
  • Ja 65%, 53 Stimmen
    53 Stimmen 65%
    53 Stimmen - 65% aller Stimmen
  • Nein 32%, 26 Stimmen
    26 Stimmen 32%
    26 Stimmen - 32% aller Stimmen
  • Mir egal 2%, 2 Stimmen
    2 Stimmen 2%
    2 Stimmen - 2% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 81
24. August 2023 - 31. August 2023
Die Umfrage ist beendet.

Ist es trotz allem sinnvoll für andere Städte, diese Steuer einzuführen?

Das ist eine politische Entscheidung und eine Abwägungssache. Im Getränkebereich, bei den Coffee-to-Go- Bechern, ist das Mehrwegbechersystem „Re-Cup“ gut verbreitet. Hier ist diese Steuer sicher sinnvoll. Im Essensbereich, etwa bei den Pommes-schalen, gibt es oft Abgrenzungsprobleme. In Tübingen werden warme To-go-Speisen besteuert, kalte aber nicht. In der Praxis sorgt das manchmal für Frust, weil ein kaltes Leberkäsweckle nicht besteuert wird, aber ein warmes schon.

Jeder vermiedene Einwegbecher liegt nicht auf der Straße herum. Wirkt sich die Steuer auf das Stadtbild aus?

Dieser Effekt ist schwer zu erfassen. Aber klar, nur weil in den Abfalleimern nicht weniger drin ist, kann es trotzdem sein, dass das Stadtbild sich verschönert, weil weniger Becher achtlos weggeworfen werden. Mit der Verschönerung lässt sich eher argumentieren als mit der Abfallmenge.

Fiktive Stadt macht Abfallmenge vergleichbar

Stefan Moderau hat neben Tübingen auch die Abfallmenge in öffentlichen Mülleimern in 18 anderen Städte betrachtet. Die Beobachtungen aus diesen Kommunen wurden so gewichtet, dass sich eine fiktive Kontrollstadt ergibt, die Tübingen in demografischen Merkmalen möglichst ähnelt. Diese Merkmale sind unter anderem Bevölkerungsdichte, Studierendenanteil an der Bevölkerung und öffentlicher Abfall pro Kopf vor Einführung der Verpackungsteuer.

Die größten Gewichte bei der Bildung der Kontrollstadt erhalten Landshut, Freiburg im Breisgau, Heidelberg und Konstanz.

MEHR ZUM THEMA

Die Studie finden Sie unter:
https://kurzelinks.de/Verpackungssteuer

Das Gespräch führte Philipp Rudolf.

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