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Expertenbeitrag 

Im Land gibt es genug Holz für ganze Stadtquartiere

Bauen mit Holz ist ein wichtiger Bestandteil kommunaler Klimaschutzkonzepte. Doch steht dafür überhaupt ausreichend Holz zur Verfügung? Dieser Frage ist ein Forscherteam der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg nachgegangen. Projektleiterin Annette Müller-Birkenmeier stellt die Ergebnisse vor. 

Spatenstich für den Freiburger Stadtteil Dietenbach mit OB Martin Horn (Zweiter von links), Bundeskanzler Olaf Scholz und Bauministerin Nicole Razavi (Zweite von rechts). Holz ist für das Projekt mehr als genug vorhanden. Das haben Forscher der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg errechnet.

Heiko Becker)

Rottenburg . Baden-Württemberg ist Holzbauland Nummer eins: Ungefähr jedes dritte Ein- bis Zweifamilienhaus und jede zweite Kindertagesstätte werden in Holz gebaut. Die Holzbauquote liegt bei den Wohngebäuden bei 35,2 Prozent, im Nichtwohnbau bei 30 Prozent. Wichtige Fragen sind dabei, ob genug heimisches Holz nachwächst, um die Holzbauquote weiter zu erhöhen und ob die regionalen Kapazitäten entlang der Produktions- und Lieferkette ausreichen.

Es entstehen 6900 Wohnungen für über 16 000 Menschen

Ein Forscherteam der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg (HFR) hat am Beispiel des neuen Stadtteils Dietenbach in Freiburg die Potenziale des Holzbaus untersucht. Die Stadt will dort rund 6900 Wohneinheiten für etwa 16 000 Menschen bis in die 2040er realisieren. Das Forschungsprojekt wurde von der Stadt Freiburg initiiert und vom Ministerium für Ländlichen Raum gefördert.

Das Team der HFR erfasste zunächst die Daten von rund 1400 Betrieben und Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette vom Wald bis zum fertigen Holzbau in einem Umkreis von 100 Kilometer um Dietenbach. Auf dieser Grundlage errechnete es die mittel- und langfristig verfügbaren Rohstoff- und Baustoffmengen sowie die verfügbaren und potenziellen Produktionskapazitäten für den Bau des geplanten Stadtteils in Freiburg.

Zudem haben die Forscherinnen und Forscher auf der Grundlage der Planung der Stadt Freiburg einen Gesamtholzbedarf und daraus einen jährlichen Schnitt- und Rohholzbedarf errechnet, der notwendig wäre, um den gesamten Stadtteil in Holzbauweisen zu erstellen.

Mehr als genug Nadelstammholz für Konstruktion vorhanden

Die Gegenüberstellung der vorhandenen Kapazitäten und des Bedarfs zeigte, dass sowohl der Rohstoff Holz als auch die Verarbeitungs- und Produktionskapazitäten mehr als ausreichend in der Region zur Verfügung stehen. Für die Holzkonstruktionen der Häuser in Dietenbach wird vor allem Nadelstammholz benötigt. Das Forscherteam der HFR konnte nachweisen, dass bereits 2,6 Prozent des Holzeinschlags in einem Umkreis von 100 Kilometer um Dietenbach (innerhalb Deutschlands) den dafür benötigten Rundholzbedarf decken würde.

Insgesamt liegt die jährliche Erntemenge von Nadelstammholz in dem Radius sogar über dem 32-Fachen des jährlichen Bedarfs für das Bauprojekt (siehe Grafik).

Noch günstiger fällt die Bilanz für Schnittholz und Holzbaustoffe aus: hiervon ist in der Region so viel verfügbar, dass sich der Stadtteil damit 40 Mal bauen ließe. Auch die Anzahl und die Produktivität der Holzbaubetriebe und Zimmereien wären hoch genug, um einen Stadtteil in der Größe von Dietenbach jährlich mindestens sieben Mal zu erstellen.

Es ist zu erwarten, dass die Produktivität in Zukunft ansteigt: Die im Rahmen des Forschungsprojekts durchgeführten Expertenumfragen belegen, dass in der Branche derzeit viel investiert wird und immer mehr Prozesse automatisiert werden.

Bauen mit regionalem Holz ist Klimaschutz

Die Ergebnisse der HFR zeigen darüber hinaus, dass der allergrößte Teil des in der Region Freiburg anfallenden Waldholzes in einem relativ engen regionalen Radius an weiterverarbeitende Unternehmen, insbesondere an Sägewerke, verkauft wird. 94 Prozent der Menge verbleibt demnach zur Weiterverarbeitung innerhalb des 100-Kilometer-Radius um Freiburg. Dadurch werden Lieferwege verkürzt, nachhaltige Wirtschaftskreisläufe gestärkt und die Wertschöpfung verbleibt in der Region. Ein Zusammenhang, der sich eindrucksvoll in den Zahlen der Projektergebnisse widerspiegelt, ist die Bedeutung nachhaltiger Architektur für den kommunalen Klimaschutz. Das während des Baumwachstums gebundene CO 2 wird in verbautem Holz langfristig gebunden. Holz ersetzt zudem andere energieintensivere Materialien, die bei der Herstellung wesentlich mehr CO 2 freisetzen.

Der intensive Einsatz mineralischer Baustoffe im neuen Freiburger Stadtteil würde CO 2 -Emissionen in Höhe von bis zu 212 800 Tonnen freisetzen. Die Verwendung organischer Baustoffe dagegen würde atmosphärischen Kohlenstoff speichern und durch das Nachwachsen junger Bäume im Wald würde weiteres CO 2 gebunden.

So könnte Dietenbach bereits bei einer Holzbauquote von 50 Prozent mehr atmosphärischen Kohlenstoff binden als durch den Bau an fossilem Kohlenstoff freigesetzt wird. Der Stadtteil würde als externer CO 2 -Speicher wirken, was für das Erreichen der nationalen und kommunalen Klimaziele von wesentlicher Bedeutung wäre.

Annette Müller-Birkenmeier ist Wissenschaftlerin an der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg

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