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Hochwasser

Das Wasser geht, der Schlamm bleibt: Hochwasserlage stabilisiert sich

Das Wasser geht, der Schlamm bleibt: Teile Baden-Württembergs stehen seit Tagen unter Wasser. Das Hochwasser hat auch in Baden-Württemberg Todesopfer gefordert. Aber es gibt es auch Hoffnung, viele Menschen können zurückkehren. Ein Überblick.

Das Hochwasser des Flusses Schussen überschwemmt Teile von Meckenbeuren. Mehrere Gebäude stehen im Wasser.

dpa/Felix Kästle)

Stuttgart. Nach all den Tagen voller dramatischer Bilder von vollgelaufenen Kellern, verschlammten Straßen und demolierten Autos, von schlackigbraunen Wasserteppichen bringen Rettungskräfte die meisten Hochwassergebiete im Südwesten langsam wieder unter ihre Kontrolle. Zwar schossen kleine Bäche vor allem in der Region um Stuttgart auch am Montag als reißende Ströme durch den einen oder anderen Ort. Doch konnten die Behörden abgesehen von Oberschwaben und dem Allgäu im Verlauf des Tages zunehmend Hoffnung machen. Warnungen wurden zurückgenommen, Hunderte von Menschen kehrten in ihre evakuierten Häuser zurück. Ausgestanden haben sie es noch nicht: Denn wenn das Wasser geht, bleiben vor allem der Schlamm, immense Schäden und viel Arbeit. 

Innenminister Strobl: «Auf die Zähne beißen»  Nach tagelangen schweren Regenfällen und Überflutungen hatte die Hochwasserlage auch am Montag zunächst noch weite Teile der Region rund um Stuttgart sowie in Oberschwaben und im Allgäu fest im Griff. Vor allem an Rems und Murr sowie im Ostalbkreis verschärfte sich die Lage, bis die Behörden im Laufe des Tages Entwarnung gaben. 

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) bezeichnete die Hochwasserlage im Land als «angespannt statisch». Man könne noch keine Entwarnung geben, sagte er bei einem Besuch in Meckenbeuren ( Bodenseekreis ), das besonders betroffen war. «Wir müssen noch weiter auf die Zähne beißen und durchhalten.» Aber man könne nun für den Südwesten verhalten zuversichtlich sein, dass es nicht noch schlimmer werde. 

Entwarnungen an Rems und Murr

Entwarnungen gab es unter anderem im Rems-Murr-Kreis. Die Integrierte Leitstelle teilte mit, die Warnung vor Hochwasser sei ebenso aufgehoben wie vorsorglich angeordnete Evakuierungen. Rückhaltebecken würden langsam und kontrolliert abgelassen. In der Nacht hatte der Landkreis nach extremem Starkregen noch einen sogenannten Katastrophen-Voralarm ausgelöst. Durch diese Vorstufe des Katastrophenalarms kann der Einsatz ebenso wie die Freistellung von Helferinnen und Helfern des Katastrophenschutzes sichergestellt werden. 

«Es liegen zwei dramatische Tag hinter uns mit Hochwasser- und Starkregen-Ereignissen, die zu Schaden im Landkreis geführt haben», sagte Landrat Richard Sigel. Er spricht von verheerenden Schäden. Wegen der Aufräumarbeiten bleibe der Katastrophen-Voralarm bestehen.

Auch für die zuvor besonders stark vom Hochwasser gebeutelte Gemeinde Rudersberg gab es Entwarnung. Dort hatte der Starkregen Schäden angerichtet. Auf Fotos waren Schlammmassen, verzweifelte Anwohner in Gummistiefeln und tonnenschwere Autos zu sehen, die wie leichtes Spielzeug weggetrieben wurden. Mehrere landeten auf Bahngleisen, eines auf einem Brunnen. Auf verschlammten Straßen lag aus Häusern weggespülter Hausrat. 

Vom Hochwasser war zeitweise das gesamte Gemeindegebiet betroffen, alle Straßen waren gesperrt, sagte ein Sprecher der örtlichen Feuerwehr. Die Teilorte Schlechtbach und Klaffenbach standen unter Wasser. Die Feuerwehr musste versuchen, sich einen Zugang zu den Bewohnern zu verschaffen. Auch dort wurde die Warnung vor Hochwasser aber inzwischen aufgehoben. 

Einsatzkräfte bergen zwei Tote aus Keller in Schorndorf

Einsatzkräfte der Feuerwehr haben zwei Leichen aus einem leer gepumpten Keller in Schorndorf im Rems-Murr-Kreis geborgen. Das bestätigte die Polizei der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Der Keller war zuvor aufgrund des Hochwassers vollgelaufen. Die genauen Hintergründe des Todes sind noch unklar. Bei den Verstorbenen handelt es sich einer Mitteilung zufolge um einen Mann und eine Frau. Die Identität der beiden sei aber noch nicht gesichert geklärt. Die Kriminalpolizei habe die Ermittlungen aufgenommen. Zunächst sei eine tote Person entdeckt worden, dann die zweite.

Der Schorndorfer Oberbürgermeister Bernd Hornikel hat dramatische Szenen der Hochwassernacht in seiner Gegend geschildert. Die Wasserfluten seien so schnell über die Region hereingebrochen, dass sich Feuerwehrleute selbst hätten retten müssen, berichtete er am Montag bei einer spontan anberaumten Pressekonferenz in Rudersberg im Rems-Murr-Kreis. 

Alle sieben Abteilungen der Feuerwehr seien in die Gemeinde Rudersberg aufgebrochen, aber nur ein Fahrzeug sei dort angekommen, alle anderen seien auf dem Weg in den Wassermassen steckengeblieben. Die örtliche Feuerwehr habe drei Fahrzeuge eingebüßt. «Die sind im wahrsten Sinne des Wortes abgesoffen», sagte Hornikel . Die Kameradinnen und Kameraden hätten sich auf das Fahrzeugdach flüchten müssen, um von dort selbst gerettet zu werden. Das Gemeine sei, so Hornikel , dass man mit einem Entspannungsgefühl in den Abend gegangen sei, dann die Lage aber innerhalb von Minuten eskaliert sei. 

Lage in Ebersbach an der Fils unklar

In der Stadt Ebersbach an der Fils (Kreis Göppingen) südöstlich von Stuttgart wurden Anwohnerinnen und Anwohner einiger Straßenzüge evakuiert. Die Überflutungen betrafen ein Wohngebiet, wie das Landratsamt Göppingen am Morgen mitteilte. Unklar war noch, wie viele Menschen betroffen waren. Details will das Amt am Nachmittag mitteilen. Wassermassen durchbrachen zudem an der Bundesstraße eine Lärmschutzwand und überfluteten die Fahrbahnen. Das Wasser auf der Straße komme überwiegend von dem Fluss Fils, der in der Nähe verläuft, aber auch von Hängen. Die Bahnlinie von Göppingen nach Ebersbach war ebenfalls dicht.

Auch im baden-württembergischen Ostalbkreis spitzte sich die Hochwasserlage am Morgen zunächst zu. Wegen vorhergesagter Überflutungen wurden in der Nacht vorsorglich Menschen in Teilen der Gemeinden Leinzell , Heuchlingen und Göggingen aus ihren Häusern gebracht, wie eine Sprecherin des Krisenstabs mitteilte. Die Gemeinde Täferrot wurde zeitweise ebenfalls evakuiert. Später stufte der Krisenstab die Hochwasserlage von einem sogenannten Extremhochwasser- zu einem Jahrhunderthochwasser-Ereignis zurück. Ein Großteil der Menschen konnte in die Häuser zurückkehren. Entwarnung gebe es zwar nicht. «Aber es ist ein deutliches Signal der Verbesserung», sagte die Sprecherin. 

Ähnlich klang es im benachbarten Landkreis Ludwigsburg , wo die Behörden anfangs noch einen weiteren Anstieg des Wasserstands von Rems und Murr erwartet hatten. «Die Pegelstände sinken», hieß es dagegen später beim Landratsamt. Um kurz nach 11.00 Uhr hätten die Flüsse dann ihre Scheitelpunkte erreicht. Zuvor waren zwei Pflegeheime in Steinheim an der Murr evakuiert worden. Mehr als 100 Bewohnerinnen und Bewohner der beiden Einrichtungen seien auf andere Heime verteilt worden.

Provisorischer Damm in Esslingen

In Esslingen am Neckar sollte ein provisorischer Damm eine vorhergesagte Überflutung von Teilen der historischen Altstadt verhindern. Der Scheitelpunkt war am frühen Montagmorgen erwartet worden. Vor dem sogenannten Wasserhaus an einem Kanal wurden den Angaben zufolge in der Nacht und am Montagvormittag knapp 1500 Tonnen Stein und Sand aufgeschüttet. Der Damm sei dicht, teilte die Stadt mit. Da nun aber als Folge die Kanäle in der Innenstadt von der Wasserversorgung abgeschnitten seien, drohten diese auszutrocknen. «Daher bemühen sich die Einsatzkräfte aktuell nach Kräften, die dort lebenden Fische zu retten», hieß es weiter. Es würden unter anderem rund 10 000 Liter Wasser pro Minute in die Kanäle gepumpt und Löschwasser zugeleitet.

Erdrutsche im Schwarzwald

Die schweren Regenfälle haben auch Folgen im Schwarzwald: Im Schwarzwald-Baar-Kreis lösten sie mehrere Erdrutsche aus. Bei dem zu Villingen-Schwenningen gehörenden Ort Mühlhausen gerieten entlang einer Land- und einer Kreisstraße Erdmassen in Bewegung, die Straßen mussten nach Worten einer Polizeisprecherin gesperrt werden. Im Ort selbst seien mehrere Menschen mit Schlauchbooten in Sicherheit gebracht worden, nachdem das Wasser in einer Straße dort bis zu 1,80 Meter hoch stand. Auch seien zahlreiche Unterführungen im Landkreis vollgelaufen, wie es weiter hieß. Im Landkreis Tuttlingen waren vor allem die Orte Aldingen , Gosheim und Denkingen von Überflutungen betroffen. Zwischen Denkingen und Gosheim versperrte ein Erdrutsch eine Landstraße. 

Ministerpräsident besucht zwei Hochwassergebiete

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Innenminister Strobl dankten bei einem Besuch in der Gemeinde Meckenbeuren den Einsatzkräften vor Ort. Er sei als Ministerpräsident stolz, in so einem geordnetem Gemeinwesen zu sein, wo Katastrophen so professionell gemanagt würden, sagte der Regierungschef. Strobl sprach von einer exzellenten Stabsarbeit, die geleistet worden sei. «Selber ist der Keller voll, und trotzdem gehen sie in den Einsatz», sagte Strobl. «Das ist wirklich, was unser Land ausmacht. Dass man nicht auf sich schaut, sondern guckt, wo die Not am größten ist.»

Bahnverkehr teilweise unterbrochen

Wegen der Unwetterschäden bleibt auch der Bahnverkehr im Süden Deutschlands stark beeinträchtigt. «Wir raten von Reisen in die betroffenen Hochwassergebiete in Bayern und Baden-Württemberg ab und empfehlen, nicht notwendige Reisen zu verschieben», warnte die Deutsche Bahn. «Bitte rechnen Sie zusätzlich damit, dass es bei den noch verkehrenden Zügen zu einer sehr hohen Auslastung kommt.» Für die Nacht waren in Stuttgart, Nürnberg und München für Reisende Aufenthaltszüge eingerichtet worden.

Schulen bleiben geschlossen 

In zahlreichen Gemeinden bleiben zum Wochenstart Schulen und Kindergärten wegen der Hochwassergefahr geschlossen. Unter anderem betroffen sind davon nach Angaben des Landratsamts Ostalbkreis die Gemeinden Täferrot , Heuchlingen und Leinzell . In Abtsgmünd bleiben die Schulen im Hauptort ebenfalls zu, auch im Rems-Murr-Kreis wird in den besonders betroffenen Städten und Gemeinden Waiblingen , Weinstadt , Remshalden , Winterbach und Remseck am Neckar in Schulen nicht unterrichtet. Auch Kinderbetreuungseinrichtungen bleiben geschlossen. 

Regenmassen nur noch in Oberschwaben und Allgäu 

Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Während die Meteorologen vor allem in Oberschwaben weiter längere Regenfälle und im Allgäu Unwetter oder Gewitter erwarten, setzt sich nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes in den übrigen Regionen Baden-Württembergs am Montag sogar die Sonne durch. «Es bleibt sonst meist trocken, im Tagesverlauf auch mit Sonne», sagte ein DWD-Experte am Montagmorgen. Das gelte auch für die derzeit vom Hochwasser besonders stark betroffenen Regionen rund um die Landeshauptstadt Stuttgart. 

Laut DWD könnte in Oberschwaben nach den Regenmengen von bis zu 20 Litern pro Quadratmeter aus der Nacht zum Montag weitere 5 bis 15 Liter bis zum Abend hinzukommen. Im Allgäu an der Landesgrenze zu Bayern seien auch lokal bis 35 Liter pro Quadratmeter möglich. Auch in diesen Gebieten versprechen die Meteorologen zum Dienstag und Mittwoch deutlich besseres Wetter. (dpa)

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