Herr Tur Tur und die Grenzen der Metapher

Eine tragende Figur in Michael Endes Kinderbuch „Jim Knopf und die wilde 13“ heißt Herr Tur Tur, ein vereinsamter Herr, der in der Wüste lebt und Menschen in Angst und Schrecken versetzt: Er ist ein Scheinriese.

Wenig im Lokalen verankert

Wie gut diese literarische Metapher auf die AfD zutrifft! Nur von der Ferne wirkt sie groß, bei genauerer Betrachtung scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Für eine Landtagspartei ist die AfD bemerkenswert wenig im Lokalen verankert, sogar die Linkspartei hat nach ihren Angaben auf den Kommunalwahllisten mehr als 1800 Namen stehen, die AfD nur 1000. Das fehlende Fundament teilt die AfD mit anderen rechten und populistischen Parteien, die oft die Mühen der ehrenamtlichen Arbeit vor Ort scheuen. Konfrontiert mit der Wirklichkeit, wird sehr schnell klar, wer Lösungskompetenz hat und wer nicht.

Am Ende dient der Scheinriese als Leuchtturm

Ihren Wählern ist das oft egal, sie stimmen für die AfD, um gegen die Gegenwart zu protestieren oder die Demokratie zu schwächen. Gerade dieses Motiv fordert die wehrhafte Demokratie heraus, deshalb schaut der Verfassungsschutz hin, deshalb die Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfall, deshalb die Prozesse, aktuell in Münster. Das hat zwei Effekte: Stets geht es um den Charakter der AfD, die in einem Land an die Macht will, das einst ein Drittes Reich erlebte. Niemand kann sich da heute herausreden. Und das setzt die AfD unter Druck, könnte doch irgendwann aus dem Verdachts- ein Verbotsfall werden.

Stets im Opfermodus

Dass deshalb die Protagonisten der Partei unermüdlich von der AfD als Opfer sprechen und Kampagnen wittern, passt ganz gut zur Kinderbuchfigur des Scheinriesen. Michael Ende zeichnet seinen Herrn Tur Tur als einen Mann voller Angst, den schon die Fahrt mit der Lokomotive schreckt. Am Ende dient der Scheinriese als Leuchtturm – womit allerdings bewiesen ist, dass selbst die schönste literarische Metapher im Realitätscheck an ihre Grenzen stößt.