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Alpirsbach: Hat Sven Christmann die Wähler getäuscht?
Karlsruhe. Bei der Stichwahl in Alpirsbach hatte Sven Christmann (parteilos) knapp 56 Prozent der Stimmen erhalten. Damit setzte sich der Polizeihauptkommissar Ende April 2024 gegen den damaligen Amtsinhaber durch. Das Landratsamt des Kreises Freudenstadt hatte die Wahl annulliert, zudem gab es drei Einsprüche von Bürgern gegen die Wahl. Dagegen klagt nun Christmann vertreten durch seinen Rechtsanwalt Patrick Heinemann vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe. Die Verhandlung war am Dienstag angesetzt, mit dabei waren Vertreter des Landratsamts sowie der Stadt.
Das Landratsamt Freudenstadt wirft Christmann vor, die Wähler in Hinblick auf sein Dienstverhältnis bei der Polizei getäuscht zu haben. Christmann bestreitet das. Außerdem ist die Behörde der Ansicht, dass der Kandidat wegen Formfehlern erst gar nicht für die Wahl hätte zugelassen werden dürfen.
Dass der 49-Jährige wählbar war, bestreitet niemand
Es dauerte einige Zeit, bis sich der Vorsitzende Richter Stephan Neidhardt mit den Klägern und Beklagten durch die Fragen der Formalien gekämpft hatte und zum „Kern des Problems“ kommen kann: Wie sind die Aussagen des späteren Wahlsiegers zu bewerten, was daran entspricht der Wahrheit und wie kam das Ganze beim Bürger an?
Gegen Sven Christmann läuft seit rund zwei Jahren ein Strafverfahren, dabei geht es um die Vorwürfe im Zusammenhang mit der Beschaffung von Trocknungsschränken für die Polizei. Wie das Verfahren und ein möglicher Prozess ausgehen, ist offen. „In den besten aller juristischen Welten würden wir nicht während eines offenen Strafverfahrens streiten“, betonte Neidhardt.
Das Landratsamt wirft Christmann vor, im Wahlkampf nur unzureichend darauf hingewiesen zu haben, dass er als Polizist vom Dienst freigestellt worden war. Gerüchte über seine berufliche Situation gab es schon im Wahlkampf. Christmann hatte deshalb in einem Post auf Instagram am 13. April, vor dem ersten Wahlgang, dazu Stellung genommen. Darin hatte er mitgeteilt, dass gegen ihn und mehrere Personen in Dienststellen eine Untersuchung laufe. Allerdings sei er nicht suspendiert.
Anwalt: Von einer Suspendierung kann keine Rede sein
Anwalt Heinemann betont, dass sein Mandant lediglich bei vollen Bezügen freigestellt worden war. Er habe korrekt und transparent über seine Situation aufgeklärt. Von einer Suspendierung könne keine Rede sein. Der Begriff sei nur zutreffend, wenn er von den Amtsgeschäften enthoben worden wäre. Diese Dienstenthebung sei ein scharfes Schwert. Seinem Mandanten sei aufgrund des Verfahrens lediglich die Führung der Dienstgeschäfte untersagt worden. Das sei im Vergleich dazu eine Petitesse und komme häufiger vor.
Für das Landratsamt geht es jedoch um die Frage, was die Wähler unter einer Suspendierung verstehen. Ihnen seien die Rechtsbegriffe nicht geläufig. Christmann habe den Eindruck erweckt, dass er „nach wie vor jeden Tag zur Arbeit fährt“, was aber eben nicht der Fall war. Er hätte im Wahlkampf aktiv sagen müssen, dass er nicht mehr im Dienst ist. Das Landratsamt sieht deshalb den Vorwurf der Wählertäuschung bestätigt. Es sei schon dann eine Täuschungsabsicht vorhanden, wenn eine solche Aussage vom Bürger missverstanden werden kann.
Wie viel muss ein Kandidat im Wahlkampf preisgeben? Dass das Gericht diese Schwelle relativ hoch angesetzt sieht, deutet der Vorsitzende Neidhardt an, als er auf die US-Wahl abspielt. Auch diese sei trotz der Lügen im Wahlkampf nicht für ungültig erklärt worden.
Ehepaar fühlt sich von Christmann getäuscht
Zum Schluss kam noch das Ehepaar zu Wort, das gegen die Wahl Einspruch erhoben hatte. Sie fühlen sich von Christmann getäuscht, betonten sie. Denn die Bürger würden den juristischen Unterschied von Suspendierung und Freistellung nicht kennen. Christmann, der bei der Verhandlung dabei war, wollte sich zunächst nicht äußern.
Unterstützung erhielt er bei der Verhandlung von Gemeinderäten der Fraktion Zukunft für Alpirsbach (ZfA). Sie sehen in ihm den gewählten Bürgermeister.
Christmann hätte sein Amt eigentlich zum 1. Juli 2024 antreten sollen. Zwischenzeitlich hat der Gemeinderat einen Amtsverwalter bestellt. Mit dessen Arbeit sei der Gemeinderat sehr zufrieden, erklärt Gemeinderat Joachim Hermann. Nun wünscht er sich eine schnelle Entscheidung – ob es so kommt, ist fraglich.
Am Mittwoch möchte das Verwaltungsgericht den Tenor der Entscheidung veröffentlichen , im Februar soll die Urteilsbegründung folgen. Gegen diese Entscheidung könnten aber noch Rechtsmittel eingelegt werden.