Themen des Artikels

Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen

Hallenmiete für Veranstaltungen: Das Kleingedruckte soll Extremisten bannen

Meinungsfreiheit gilt als zentrales Element der Demokratie. Das umfasst auch , dass falsche Behauptungen verbreitet werden dürfen. Eine SPD-Politikerin will das aber nicht überall dulden. Sie fordert, dass sich Kommunen besser darauf vorbereiten, wenn Verschwörungstheorien in kommunalen Veranstaltungsräumen verbreitet werden sollen.
Frau mit Mundschutz hält ein Schild: Die Leidmedien sind das Virus!, dahinter Demo-Teilnehmer

Verschwörungstheoretiker und andere Extremisten sollen städtische Hallen nicht mehr nutzen können.

dpa/CHROMORANGE/Tabea Guenzler)

LEINFELDEN-ECHTERDINGEN. Die SPD-Regionalrätin im Verband Region Stuttgart Ines Schmidt fordert eine Überarbeitung der allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) für Hallen und Räume, die sich in kommunaler Hand befinden. Grund für die Forderung sind die jüngsten Ereignisse, um die Vermietung der Filharmonie für das 13. Stuttgarter Impfsymposium, das Mitte Mai stattfand.

Nach Ansicht von Kritikern wurden bei dieser Veranstaltung vor allem Mythen und Verschwörungstheorien zum Thema Impfen verbreitet.

Die Stadt Filderstadt hatte die Vermietung rückgängig machen wollen, das Verwaltungsgericht Stuttgart untersagte dies aber. Begründet hatte die Stadt ihren Antrag damit, dass die öffentliche Ordnung gefährdet sein könnte und mit Gegendemonstrationen zu rechnen sei.

Auf Demokratiefeinde sind Gemeinden schlecht vorbereitet

Eine solche Gefährdung sah das Gericht aber nicht. Die Veranstalter des Impfsymposiums warfen der Kommune daraufhin vor, kritische Stimmen unterdrücken zu wollen. Die Vorgänge zeigen für die SPD-Politikerin, dass die Kommunen mit Blick auf Buchungen für kommunale Veranstaltungsräume durch „Verschwörungsmystiker und damit oft im weiteren Sinne Demokratiefeinde“ schlecht vorbereitet seien, teilt sie in einer Pressemitteilung mit. „In vielen Rathäusern sitzen Menschen, deren größte Angst, die Gefahr von links ist“, ergänzt sie.

„In vielen Rathäusern sitzen Menschen, deren größte Angst, die Gefahr von links ist“

Ines Schmidt (SPD), Regionalrätin im Verband Region Stuttgart

Dabei würden aber die Bedrohungen von rechts ausgeblendet oder schlichtweg übersehen. Menschen, die offensichtlich der Demokratie schaden wollten, würden sich nicht mehr mit Springerstiefeln, Bomberjacken und extremer Kurzhaarfrisur zu erkennen geben. Vielmehr seien sie oft gebildet und verbreiteten ihre Thesen unter dem Deckmantel der Wissenschaft.

Schmidts Forderung: Kommunen sollten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für ihre Hallen und Räume „dahingehend überarbeiten, dass solchen Menschen keine Bühne mit Hilfe von Steuergeldern gegeben werden muss. Oftmals finden sich in den AGB Vorgaben, dass von Veranstaltungen keine Gefahr für die öffentliche Ordnung ausgehen dürfe.

Kommunale Bewertung ist rechtlich anfreifbar

In Reutlingen werden Veranstaltungsräume der Stadt nur vermietet, wenn keine sexistischen, pornografischen, extremistischen, rassistischen, antisemitischen, gewaltverherrlichenden, beleidigenden, aufhetzenden, menschenverachtenden, verbotenen oder anderen gegen die guten Sitten verstoßenden Inhalte verbreitet werden. Nicht umhin kommt die Kommune im Vorfeld eine Bewertung vorzunehmen, die dann wiederum rechtlich angreifbar ist.

Das reicht offenbar nicht aus, weil genau dieser Nachweis im Vorfeld einer Veranstaltung durch einen Vermieter nur schwer erbracht werden kann. Das Verwaltungsgericht hatte seine Entscheidung, das Impfsymposium in der Filderhalle stattfinden zu lassen, auch damit begründet, die potenzielle Störung der öffentlichen Ordnung habe von der Kommune nicht ausreichend dargelegt werden können. Die Stadt Reutlingen hat sich für eine weitergehende Formulierung in den Geschäftsbedingungen entschieden.

„Wenn die Kommunen nicht entsprechend reagieren, bestehe die Gefahr, dass noch mehrere Buchungsanfragen für die kommunalen Veranstaltungsstätten aus diesen Kreisen eingehen“, befürchtet Schmidt. Solche Kommunen würden in den entsprechenden Netzwerken weiterempfohlen. Tatsächlich haben in ganz Deutschland Kommunen das Problem, dass sie mit zweifelhaften Buchungen konfrontiert sind, die sie aber aufgrund der rechtlichen Ausgangslage nicht so ohne Weiteres ablehnen können.

Wer der wirkliche Mieter ist, können Kommunen oft nicht erkennen

Oft ist aber auch das Problem, dass für Kommunen nicht direkt erkennbar ist, wer der eigentliche Mieter ist und was der Inhalt einer Veranstaltung ist. Und das obwohl Kommunen in der Regel in den AGB einfordern, dass der Mieter und auch der Inhalt der Veranstaltung klar benannt werden müssen. Außerdem untersagen sie in der Regel eine Weitervermietung an Dritte.

Schmidt fordert eine juristisch saubere Formulierung, die verhindert, dass Menschen, die gezielt Fehlinformationen verbreiteten, nicht mehr in öffentlichen Räumen einer Kommune sprechen und agieren dürfen. Inwieweit das aber rechtlich haltbar und am Ende umsetzbar ist, bleibt fraglich.

Das gilt auch für die Frage, wer in einer Kommune vor dem Abschluss eines Mietvertrags mit einem Veranstalter bewertet, ob dieser oder eine der auftretenden Personen Fehlinformationen verbreitet. Oder welcher Umfang an problematischen Äußerungen im Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und Volksverhetzung nötig ist, damit es für ein rechtssicheres Verbot ausgesprochen werden kann.

Quelle/Autor: Marcus Dischinger

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 189 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesen Sie auch