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„Habe den Frust der Städte wiedergegeben“
Frank Mentrup : Der etwas polternde Beginn hat ein Stück weit den Frust wiedergegeben, den es bei uns in den Reihen des Städtetags gab. Er hat aber zu einer großen Bereitschaft geführt, sich vertiefter über unsere Perspektive zu unterhalten. Ich habe sehr konstruktive Gespräche mit dem Ministerpräsidenten, mit mehreren Ministerinnen und Ministern geführt. Wir als Städtetag haben mit dem sogenannten Erprobungsparagrafen bewiesen, dass wir gerne Verantwortung übernehmen und durch neue Ideen Probleme lösen.
Zur Entlastungsallianz zum Bürokratieabbau gab es kürzlich eine Debatte im Landtag, wo eine gewisse Unzufriedenheit mit dem Tempo zum Ausdruck kam. Liegt man hier gut im Rennen?Im ersten Jahr haben sich alle Seiten sehr schwer getan und man ist dann zu einer sehr übersichtlichen Aufgabenbeschreibung gekommen. Jetzt nimmt das Ganze aber Fahrt auf und man hat sich auf mehrere Arbeitsgruppen geeinigt. Ich habe den Eindruck, dass man diese Chance nutzen will, nicht nur zwischen den Verbänden und der Landesregierung, sondern auch in der Regierung selber, das ein oder andere heiße Eisen anzupacken.
Wo sehen Sie die großen Konfliktlinien zwischen Land und Kommunen?Einige Punkte sind bekannt, aber sie anzugehen, wird seit Jahren hinausgezögert: die Krankenhausfinanzierung, die Kosten für die Unterbringung der Geflüchteten und die Digitalisierung der Schulen. Zuerst wurden sie wegen Corona geschoben, dann wegen des Krieges in der Ukraine. Wir befürchten, dass auch bei den Verhandlungen für den nächsten Doppelhaushalt das Argument kommt, dass zu wenig Geld da ist. Diese Befürchtung haben wir auch beim Rechtsanspruch auf die Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder, der definitiv kommen wird. Wir fordern nicht, dass das alles finanziert wird, sondern dass das Land Prioritäten setzt.
Wie kann das gelingen?Das Land muss sagen, was es nicht oder nicht in der gewünschten Qualität umsetzen kann. Wir erleben in den letzten Jahren eher, dass man weiter das Leistungsversprechen an die Bürgerinnen und Bürger gibt. Und wenn das Land dann Geld zur Verfügung stellt, bleibt oft ein Delta, das den Kommunen fehlt. Wir als Städtetag sind bereit, uns in diese Diskussion fachlich einzubringen.
Ein großes Thema ist die Unterbringung von Flüchtlingen. Wie ist die Lage in Karlsruhe?In den Großstädten haben wir lange nicht die Aufgeregtheit in der Bevölkerung, wie es in den Medien und auf dem politischen Verhandlungsgeschäft dargestellt wird. Das hat viel damit zu tun, dass es dort seit Jahrzehnten Erfahrungen mit Migration und mit der Unterbringung von Geflüchteten gibt. In den ländlichen Bereichen ist es in den Gemeinden schwieriger, wo es bisher keine Landeserstaufnahmestellen und Anschlussunterbringung gab. Dennoch haben die Städte ein quantitatives Problem, weil sie nicht mehr die Infrastruktur haben, um Geflüchtete unterzubringen. Beide Themen werden manchmal vermengt, was ich schade finde. Mir ist diese Unterscheidung sehr wichtig.
Wie ist die Sicht der Städte auf den Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt?Dass sich der Bund mit den 7500 Euro pro Geflüchteten einverstanden erklärt hat, ist ein Erfolg. Wir wissen aber, dass das lange nicht ausreichen wird, um die Kosten der Unterbringung und vor allem der Integration auszugleichen. Für den Rest muss trotzdem gesorgt werden und es darf nicht gesagt werden, dass sich die Kommunen das schon irgendwie verknusen werden. Sowohl nach Einschätzung des Gemeindetags als auch des Städtetags werden wahrscheinlich über 70 Prozent aller kommunalen Haushalte nicht mehr ausgeglichen sein. Damit werden wir in eine dramatische Finanzlage für alle Kommunen im Land eintreten.
Was sind die Gründe dafür?Die Kosten für Personal, Energie und Bewirtschaftung steigen. Hier hält die Einnahmesituation nicht mit. Hinzu kommen galoppierende Kostensteigerungen im Öffentlichen Personennahverkehr und vor allem in den Landkreisen, aber auch bei uns in Karlsruhe, die steigenden Kosten für die kommunalen Krankenhäuser. Hier fühlen wir uns von Land und vom Bund allein gelassen.
Sie haben gesagt, als Sie zum Städtetagspräsidenten gewählt wurden, dass Sie als OB mehr delegieren müssen. Wie gut gelingt Ihnen das?Bevor ich Präsident wurde, habe ich einige zusätzliche Aufgaben schon abgegeben. Insofern ist meine Abwesenheit hier nicht so dramatisch, wie ich das befürchtet habe (lacht). Ich bin öfter in Stuttgart und führe in ganz anderen Konstellationen Gespräche. Es gibt dadurch eine positive Rückkopplung für die Stadt. Man interessiert sich ja nicht nur für mich als Person und als Präsident des Städtetags, sondern schaut auch, wie die in Karlsruhe das so machen. Der fachliche Austausch zwischen unseren Dezernaten mit Landesbehörden und anderen Städten ist ein schöner Effekt.
Sie sind für anderthalb Jahre als Städtetagspräsident gewählt. Können Sie sich vorstellen, das Amt darüber hinaus auszufüllen?Die Auswahl des Präsidenten hat etwas mit der Abstimmung zwischen drei Städtegruppen zu tun, der A-, B- und C-Städte, die sich nach Einwohnerzahlen gliedern. Und es hat mit den parteipolitischen Konstellationen zu tun, die sich verändern. Zunächst bin ich für die Zeit im Amt, die durch das berufliche Ausscheiden von Herrn Kurz in Mannheim noch übrig ist. Ich bin immer bereit zu akzeptieren, wenn sich danach eine andere Konstellation ergibt. Aber ich werde natürlich alles dafür tun, dass mich am Ende alle auf Knien bitten, weiterzumachen (lacht).
Bürgermeister und Gemeinderäte erleben Anfeindungen und haben eine hohe Arbeitsbelastung. Ist es schwieriger geworden, die Ämter auszuführen?Ich tue mich schwer, zu sagen, dass es grundsätzlich schwieriger geworden ist. Was belastender geworden ist, ist die manchmal völlig enthemmte Beschimpfung und Beleidigung in den Sozialen Medien. Im persönlichen Kontakt erlebe ich nicht, dass die Menschen mir gegenüber aggressiver geworden sind, aber sie nutzen im Netz die Möglichkeit, meist anonym sehr viele zu erreichen und haben dadurch eine ganz andere Relevanz. Das ist vor allem für die Familien der Mandatsträger eine irrsinnige Belastung.
Sie hatten kürzlich in Karlsruhe selbst ein Aufregerthema, als Platanen in der Fußgängerzone gefällt wurden. Ist das ein Beispiel für diese Entwicklung?Es ist ein Beispiel dafür, dass es insbesondere über die Sozialen Medien gelingt, einem Einzelaspekt eine Symbolkraft für ein übergeordnetes Thema zu geben und mit Emotionen Menschen aufzupeitschen. Wir werden auf der Kaiserstraße sogar viel mehr neue Bäume pflanzen, die in 50 Jahren noch super dastehen, anders als die bisherigen Platanen. Aber solche Aspekte spielen dann keine Rolle mehr. Das kenne ich aus meinem politischen Geschäft schon immer. Neu war für uns, dass die Mitarbeiter der Stadtverwaltung vor Ort angefeindet wurden. Hier müssen wir unsere Mitarbeitenden schützen.
Der Bund hat ein großes Loch im Haushalt – durch das Urteil aus Karlsruhe. Aber auch die Stadt Karlsruhe selbst muss 90 Millionen Euro einsparen.Unser Ergebnishaushalt, in dem die Investitionen nicht dabei sind, umfasst etwa 1,5 Milliarden Euro, und wir haben mit dem Gemeinderat von unserem 90-Millionen-Euro-Einsparpaket etwa 85 Millionen Euro durchgekriegt, das sind sechs Prozent, was bemerkenswert ist. Ich kenne keinen Landeshaushalt, der mal eben mit sechs Prozent weniger auskommt. Der Ernst der Lage ist von der Kommunalpolitik erkannt worden. Es ist trotzdem am Ende noch kein ausgeglichener Haushalt und wir müssen auch alle Investitionen auf Pump machen. Dennoch haben wir etwa 40 Millionen Euro nach wie vor für Klimaschutzmaßnahmen verplant.
Wie wirkt sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus?Bei der Wärmewende oder der Umsetzung der Wärmeleitplanung brauchen wir eine zusätzliche Bundesförderung. Durch das Haushaltsloch beim Bund gibt es jetzt ein großes Fragezeichen, ob es zu der adäquaten Förderung kommen wird.
Noch eine Fußballfrage: Wie leidensfähig muss ein KSC-Fan momentan sein?Ich sehe das im Moment ziemlich gelassen, wir sind ja erst kurz vor Ende der ersten Hälfte der Spielzeit. Wir haben mit dem Stadion einen Riesenerfolg. Die Zuschauerzahlen sind super und wir haben ein gutes Verhältnis mit dem KSC, was früher auch nicht immer die Regel war. Zudem will sich der Verein als Identifikationspunkt für die Region aufstellen.