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Städte verlieren erneut Einwohner
Wiesbaden/Stuttgart. Gespannt blickten viele Kommunalvertreter auf die Ergebnisse der Volksbefragung, die neben den Daten zur Lebenssituation auch die Einwohnerzahl der Gemeinden ermittelt. Von dieser Zahl hängt wiederum ab, wie viel Geld die jeweilige Stadt oder Gemeinde aus dem Finanzausgleich erhält. Durch den Zensus 2011 schrumpfte so manche Einwohnerzahl im Vergleich zur vorherigen Erhebung, vor allem in den größeren Städten des Landes. Das führte zu empfindlichen Einbußen bei den Finanzmitteln, zumal die erhobene Zahl auf zehn Jahre fortgeschrieben wird. Etliche Städte klagten gegen die Erhebungsmethode, bei der die Einwohnerregister durch Stichproben abgeglichen werden – allerdings erfolglos.
Stuttgart und Heidelberg verlieren, Pforzheim und Heilbronn mit Plus
Laut den ersten Ergebnissen, die das Statistische Bundesamt nun vorgestellt hat, verlieren sieben Großstädte in Baden-Württemberg amtliche Einwohner im Vergleich zur Bevölkerungsfortschreibung auf Basis des Zensus 2011. Am stärksten in absoluten Zahlen fällt der Verlust in Stuttgart aus. Das Minus beträgt in der Landeshauptstadt 21.707 Personen beziehungsweise 3,43 Prozent.
Einen Verlust weist auch die Stadt Heidelberg auf. Sie verzeichnet nun 7668 Einwohner weniger beziehungsweise ein Minus von 4,7 Prozent. „Das Ergebnis haben wir so nicht erwartet. Nach der Fortschreibung des Statistischen Landesamtes lag unsere Einwohnerzahl zuletzt bei rund 162.000 Menschen. Wir blicken nun gespannt auf das amtliche Ergebnis, das erst im September 2024 veröffentlicht wird und werden das prüfen“, sagt Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos) in einer Mitteilung der Stadt.
Christian Specht: Ergebnis ist für Mannheim enttäuschend
Die Städte Karlsruhe , Freiburg und Ulm müssen ein Einwohnerminus im niedrigen vierstelligen Bereich hinnehmen. Relativ gering bleibt der Bevölkerungsschwund den Statistikern zufolge in Mannheim und Reutlingen mit 735 beziehungsweise 856 Einwohnern.
In Mannheim liegt die Einwohnerzahl dennoch deutlich unter der Zahl des städtischen Melderegisters. Die neuen Daten weichen laut Mitteilung um 10.815 Personen beziehungsweise 3,3 Prozent ab. Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) ist daher vom Zensus-Ergebnis enttäuscht: „Wie schon beim Zensus 2011 zeigt sich auch diesmal, dass die angewandte Stichproben-Methode insbesondere in sozialstrukturell herausfordernden Gebieten an ihre Grenzen stößt. Die mit dieser Methode ermittelte Einwohnerzahl liegt erneut deutlich unter unserer Melderegister-Zahl. Die Auswirkungen auf die Finanzzuweisungen, und damit auf die Planungen für die weitere Entwicklung unserer Stadt analysieren wir mit Blick auf die Ergebnisse der anderen Städte und Gemeinden.“
Zwei Städte können sich dagegen über einen teils kräftigen Zuwachs freuen: Die Stadt Pforzheim kommt auf ein Plus von rund 6000 Einwohnern (plus 4,7 Prozent). Und Heilbronn verzeichnet einen Zuwachs von rund 1500 Personen beziehungsweise 1,1 Prozent.
Ludwigsburg erwartet keine Nachteile im Finanzausgleich
Wie sich die neuen Zahlen auf die Stadtfinanzen auswirken könnten, zeigt das Beispiel Ludwigsburgs . Die Große Kreisstädten verliert 1699 Einwohner und kommt nun auf 91.810 Einwohner. Seit dem Zensus-Ergebnis vom 15. Mai 2022 mit 91.810 Einwohnenden sei die Bevölkerungszahl bis zum Jahresende 2023 aber bereits wieder um 1319 Personen angestiegen. „Nach unserer ersten Einschätzung werden sich aufgrund der neuen amtlichen Einwohnerzahl für Ludwigsburg keine Nachteile im Finanzausgleich mit dem Land ergeben“, teilt Oberbürgermeister Matthias Knecht (parteilos) mit.
Es werde nun eine grundlegende Analyse der Zensusdaten für die Stadt Ludwigsburg erfolgen. „Die Stadtverwaltung wird ihre Erkenntnisse und Schlussfolgerungen zur Einwohnerzahl wie zum Gebäude- und Wohnungsbestand dann Gemeinderat und Öffentlichkeit noch im Sommer mitteilen.“
Städtetag zeigt sich erleichtert über Ergebnis
Norbert Brugger vom Städtetag Baden-Württemberg zeigt sich grundsätzlich erleichtert über das Ergebnis. Insgesamt sei das Minus nicht so gravierend wie nach der Erhebung im Jahr 2011. Mit Unwägbarkeiten sei generell zu rechnen gewesen, auch weil viele Ehrenamtliche mit der Befragung der Haushalte betraut worden waren.
Die dadurch gewonnenen Stichproben werden mit unterschiedlichen Registern der Kommunen abgeglichen. Beispielsweise in Unistädten könne es zu Abweichungen kommen, wenn sich Studierende nicht abmelden, so Brugger. Der Vorstand des Städtetags wird am kommenden Montag über die Zensus-Ergebnisse beraten. Laut Brugger hätten einzelne Städte bereits angekündigt, einen Widerspruch gegen den Bescheid, der den Kommunen im September zugestellt wird, zu prüfen.
Rhein-Neckar-Kreis bleibt der bevölkerungsreichste Landkreis
Der bevölkerungsreichste Landkreis in Baden-Württemberg bleibt der Rhein-Neckar-Kreis. 554.521 Einwohner sind dort erfasst worden. „Damit ist einmal mehr schwarz auf weiß belegt, wie lebenswert unser Landkreis ist“, freut sich Landrat Stefan Dallinger (CDU) in einer Mitteilung des Landkreises. „Unsere 54 Kommunen und der Rhein-Neckar-Kreis setzen sich mit viel Engagement für ihre Bürgerinnen und Bürger ein und nutzen die Datenbasis für die zukünftigen Planungen der Infrastruktur“, so Dallinger weiter.
Bevölkerung ist deutschlandweit weniger stark gewachsen
Die ersten veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass deutschlandweit die Bevölkerung in den vergangenen Jahren weniger stark gewachsen ist als bislang angenommen. Danach lebten am 15. Mai 2022 rund 82,7 Menschen in Deutschland. Die Bevölkerung ist demnach zwischen dem Zensus 2011 und dem Zensus 2022 um rund 2,5 Millionen Einwohner gewachsen. Das waren aber rund 1,4 Millionen Einwohner weniger (etwa 1,6 Prozent), als bislang auf Basis der amtlichen Erhebungen angenommen wurde.
Die Korrektur für Baden-Württemberg fiel mit −1 ,2 Prozent etwas geringer aus als im Bundesschnitt, teilt das Statistische Landesamt mit. Das sind rund 131.000 Einwohner weniger, als auf Basis der Bevölkerungsfortschreibung des Zensus 2011 bisher vermutet worden waren . Die Korrektur sei auch deutlich geringer als im strukturell vergleichbaren Bundesland Bayern, wo sie bei −2 ,2 Prozent liegt, so die Statistiker.
Mehr Korrekturen in Gemeinden unter 10.000 Einwohnern
Im Zensus 2022 wurde im Gegensatz zum Zensus 2011 für alle Gemeinden ein einheitliches Verfahren zur Ermittlung der Einwohnerinnen und Einwohner angewandt: Auch in Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern wurde eine Stichprobenerhebung bei Haushalten durchgeführt, so das Statistische Landesamt. Die Korrekturen der Einwohnerzahl fielen in Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern mit −1 ,9 Prozent höher aus als in den Gemeinden über 10 000 Einwohner mit −0 ,9 Prozent.