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Regine Rist: Ein Rathaus im Schloss „ist aber auch eine Herausforderung“
Tettnang. Hohe Decken, ein grüner, kunstvoll gestalteter Kachelofen, Butzenscheiben in den Fenstern: Das Büro von Regine Rist strahlt Geschichte aus. Der Amtssitz der Stadt Tettnang ist historisch und modern zugleich. „Für mich ist das eine tolle Stadt, wo die Tradition lebt und sich die Weiterentwicklung auch im Rathaus widerspiegelt“, sagt Rist.
Flächenmäßig größte Stadt im Kreis
Die Parteilose ist seit 2023 Bürgermeisterin, die erste seit Verleihung der Stadtrechte vor 742 Jahren. Die heute flächenmäßig größte Stadt im Bodenseekreis wurde 882 erstmals urkundlich erwähnt. „ Tettnang ist stolz auf seine Historie“, sagt Rist. Diese begegnet einem fast auf Schritt und Tritt im Ortszentrum, das von drei Schlössern und vielen historischen Bürgerhäusern geprägt ist.
Tonnengewölbe im Eingang
Wer das Rathaus durch die modernen Glasschiebetüren betritt, steht unmittelbar in einer großen, tonnengewölbten Empfangshalle, die reich mit Stuck verziert ist. Ein großes, 325 Jahre altes Bild, das aus einem Kloster in Langenargen stammt und auch den Bodensee erkennen lässt, dominiert das Treppenhaus. Das Bild stammt aus der Zeit, als das heutige Rathaus als neue Residenz der gräflichen Herrschaft erbaut wurde.
Schlichter Renaissance-Bau
1667 ließen sich die Grafen von Montfort, die Tettnang im 13. Jahrhundert zu ihrem Stammsitz erkoren hatten, ein neues Schloss bauen. Nur wenige Jahrzehnte später genügte der schlichte Renaissance-Bau mit dem hohen Satteldach und der schmucklosen Fassade nicht mehr dem Drang zur Repräsentation, das „Alte Schloss“ hatte ausgedient, als 1728 das Neue Schloss einen Steinwurf entfernt fertig war. Der prächtige Barockbau, dessen Besitzer mehrfach wechselten, ist heute Sitz des Amtsgerichts.
Trockenhalle für Hopfen
Rund 100 Jahre später hatte das Alte Schloss mit seinem Namen nicht mehr viel gemein. Rist zeigt auf eine verblichene Fotografie von 1837 – das älteste Foto im Tettnanger Archiv. Dem Gebäude fehlte äußerlich die herrschaftliche Anmutung. Nach dem Auszug der Montforts wohnten hier Bedienstete des Hofes. Später wurde es als Trockenhalle für Hopfen und als Zehntscheuer, also Lagerhaus, genutzt. Das änderte sich erst, als die Stadt 1903 beschloss, das Gebäude zu kaufen und zu einem größeren Rathaus umzubauen. Seither bildet der Sitz der Stadtverwaltung mit dem Montfortplatz davor den Mittelpunkt des öffentlichen Lebens in Tettnang. Nicht nur während der Fasnet, wo die närrischen Zünfte das Gebäude tagelang mit ihren Traditionen füllen.
Das Schloss als Rathaus – eine Herausforderung
Ein Rathaus im Schloss, „das ist aber auch Herausforderung“, erklärt die Bürgermeisterin. Mit der Stadt wuchs die Zahl der Einwohner auf heute über 20 000 und damit auch die Zahl der Volksvertreter im Rat. „Der historische Ratssaal ist nun definitiv zu klein für unsere Sitzungen“, sagt Regine Rist ein bisschen wehmütig. Bisher nahmen 24 Stadträte am Ratstisch im Karree Platz , wo es zuweilen „eng und heiß“ wurde, sagt sie schmunzelnd. Auch für die Besucher habe es oft zu wenig Platz gegeben. Mit der neuen Legislaturperiode sind es vier Stadträte mehr, weshalb das Gremium nun in der Aula des Gymnasiums tagen wird. Nur die Ausschusssitzungen finden noch im Rathaus statt. Zumindest dann kann die Bürgermeisterin weiter die „Geheimtür“ nutzen, die von ihrem Büro direkt in den Ratssaal führt.
Kernverwaltung hat zu wenig Platz
Zu wenig Platz gibt es auch für die Mitarbeiter in der Kernverwaltung. Nur circa 80 Arbeitsplätze bietet das Rathaus selbst, und auch hier sind die Beschäftigten in manchen Büros zusammengerückt. 70 Mitarbeiter sind extern untergebracht. „Das macht es etwas schwieriger bei der Abstimmung untereinander. Und auch das Gemeinschaftsgefühl leidet ein bisschen“, bedauert die Bürgermeisterin, die weiß, welchen Stellenwert attraktive Arbeitsbedingungen heute haben, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Solch ein Gebäude mit moderner Technik auszustatten, sei ungleich schwieriger als im Neubau. „Hier ist schon vieles zweckmäßig. Aber wir versuchen immer, den historischen Charakter zu bewahren.“
Aufwändige Gebäudeunterhaltung
Denn auch die Gebäudeunterhaltung solch historischen Gemäuer ist herausfordernd. „Da steht eigentlich jedes Jahr etwas an“, sagt Regine Rist. Das Rathaus steht beispielsweise wie das Alte Torschloss im Besitz der Stadt und unter Denkmalschutz. Ob da überhaupt PV-Module aufs Dach dürfen, müsse abgestimmt werden.
Viel Geld für die Ausstattung
Ob Energieeffizienz oder IT-Verkabelung: Neben cleveren Ideen braucht es ungleich mehr Geld, um den Amtssitz den heutigen Anforderungen anzupassen. Ein Grund, warum Tettnang gern ins nächste Innenstadt-Sanierungsprogramm aufgenommen werden möchte. „Ganz allein können wir das nicht stemmen“, so die Bürgermeisterin. Beispiel Heizung: „Mit Wärmepumpen brauchen wir gar nicht anfangen.“ Deshalb ist geplant, das Rathaus an ein Nahwärmenetz anzuschließen. Doch dafür braucht es genügend Abnehmer. „Wir sind mit dem Land im Gespräch, ob nicht auch das Neue Schloss angeschlossen werden könnte.“
Verpflichtung für die Historie
Regine Rist fühlt sich der Historie in ihrer Stadt jedenfalls verpflichtet. „Wir sind nicht nur Verwaltung. Hier ist viel Kultur dabei. In diesen Gemäuern stecken Geschichten. Deshalb ist das Rathaus offen für die gesamte Bevölkerung“, sagt sie.
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