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Früher Feierabend für Gemeinderäte stößt auf Skepsis
Stuttgart. Wer Kommunalpolitik macht, braucht viel Sitzfleisch. Über viele Stunden gehen manche Gemeinderats- und Ausschusssitzungen. Diese absolvieren die Mandatsträger neben ihrer Berufstätigkeit ehrenamtlich. Vor allem aber können sie in dieser Zeit nicht für ihre Familie da sein. In der Praxis lässt sich so die Betreuung eigener Kinder mit politischen Diskussionen nur schwer vereinbaren. Die Folge ist, dass oft eine weitere Person aus dem persönlichen Umfeld involviert ist, um auf die Kinder aufzupassen – bloß weil Gemeinderatssitzungen dann stattfinden, wenn in der Regel keine Kita mehr geöffnet hat.
Verlängerung der Sitzung soll nur nach Ratsvotum möglich sein
Die Landesdelegiertenkonferenz der Grünen hatte vor wenigen Wochen beschlossen, dass nach 21 Uhr bei Gemeinderatssitzungen neue Tagesordnungspunkte nur aufgerufen werden sollen, wenn das Gremium dies einstimmig beschließt. Unter dem Motto „Weniger ist mehr“ will die Partei sich dafür einsetzen, dass mit der Sitzungszeit verantwortungsvoll umgegangen wird. „Wir ermutigen dazu, in jeder Kommune vor Ort Begrenzungen der Sitzungszeit festzulegen“ , heißt es in dem Antrag, den die kommunalpolitische Vereinigung der Grünen, GAR-BW, eingebracht hatte.
Vereinzelt gibt es schon Begrenzungen – sowohl bei der Sitzungsdauer als auch bei deren Ende. In Freiburg soll eine Sitzung etwa nicht länger als vier Stunden dauern , andernfalls verlangt die Geschäftsordnung, dass der Oberbürgermeister auf eine Vertagung der weiteren Punkte hinwirkt. Sitzungen beginnen in Freiburg um 16 Uhr, sie sollen dann in der Regel um 20 Uhr enden. In kleineren Orten beginnen die Sitzungen dagegen oft deutlich später, oftmals gegen 19 Uhr. Sie dauern außerdem häufig bis 23 Uhr oder länger.
Das Echo auf diesen Vorschlag ist groß, wie die Diskussion auf den Social-Media-Kanälen des Staatsanzeigers zeigt. Mit der Dauer von Sitzungen hadern viele, etwa weil von einzelnen Gemeinderäten zu viele und zu lange Wortbeiträge kommen. Infrage gestellt wird aber, ob die Festlegung auf eine konkrete Uhrzeit wie 21 Uhr als Ende einer Sitzung eine sinnvolle Vorgabe sein könnte. Bislang macht die Gemeindeordnung dazu keine Vorgabe, sie überlässt die innere Organisation der Abläufe den jeweiligen Gremien. „ Eine Beschränkung der Sitzungszeit ist nur auf den ersten Blick familienfreundlich“ , meint etwa die Stadträtin und Landtagsabgeordnete Julia Goll (FDP) in Waiblingen (Rems-Murr-Kreis).
Das führe entweder zu einem früheren Sitzungsbeginn, was mit der Arbeitszeit häufig schwer vereinbar sei. Oder es brauche mehr Sitzungen, was vermutlich noch weniger familienfreundlich sei, schreibt die fünffache Mutter im Sozialen Netzwerk Facebook. Und sie fügt hinzu: Bei einem Sitzungsende um 21 Uhr fange man mit dem Restabend wohl nicht mehr viel an. Da sei, so ihre 25-jährige Erfahrung, jene Sitzung, die bis gegebenenfalls 23 Uhr dauere „die eher verträgliche Variante“.
Beruf und Familie sind für Räte oft schwer zu vereinbaren
In Ehningen (Kreis Böblingen) beginnt die Sitzung um 19.30 Uhr. Bürgermeister Lukas Rosengrün (SPD) , selbst zweifacher Familienvater, nimmt es „gerne in Kauf, dass wir bis 23 Uhr oder länger tagen“. Unter den Gemeinderäten gebe es viele, die nicht früher anfangen wollten, weil das am wenigsten mit dem Beruf kollidiere. Wolle man um 21 Uhr fertig sein, hätten viele Gemeinderäte ein Problem mit Beidem: Beruf und Familie, weil man dann um 16 oder 17 Uhr beginnen müsse. Er macht noch einen weiteren Vorschlag: nur von 19 bis 21 Uhr tagen, aber dann ist jede Woche Sitzungswoche.
Bürgermeister-Kollege Tobias Rief (SPD) aus Sontheim an der Brenz (Kreis Heidenheim) meint, die Grundidee einer Begrenzung sei an sich gut. Die Einschränkung der Flexibilität sei teilweise aber auch problematisch. In manchen Gemeinderäten werde berufsbedingt auch bevorzugt später angefangen. „Mit der Beschränkung auf 21 Uhr wäre es kaum möglich, alle Themen angemessen zu diskutieren“. Eine Limitierung der Sitzungslänge sei aus seiner Sicht sinnvoller. Oder es gibt die Haltung des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer (parteilos) , der auf seine Art und Weise ausdrückt, was er davon hält, eine Uhrzeit als Sitzungsende vorzugeben: „ Kommunale Selbstverwaltung. Das geht das Land einfach nix an“ .