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Finanzdefizit

Friedrichshafen kann sich den Klinikbetrieb allein nicht mehr leisten

Der Klinikverbund Medizin-Campus-Bodensee rechnet bis Ende des Jahres mit einem Defizit von über 50 Millionen Euro für 2024 und 2025. Die Stadt Friedrichshafen als Hauptgesellschafter fordert den Landkreis auf, sich künftig an der Finanzierung zu beteiligen. Doch auch im Bodenseekreis ist Sparen angesagt. 

Der Klinikverbund Medizin-Campus-Bodensee rechnet bis Ende des Jahres mit einem Defizit von über 50 Millionen Euro.

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Friedrichshafen. Dem Medizin Campus Bodensee (MCB) geht es wie vielen Krankenhäusern im Land. Wirtschaftlich steht dem kommunalen Klinikverbund das Wasser bis zum Hals. Für die Geschäftsjahre 2024 und 2025 rechnet die Stadt Friedrichshafen erneut mit einem Finanzbedarf von über 50 Millionen Euro, für den sie als Hauptgesellschafterin am Ende geradestehen muss.

Nach einem Defizit von 12 Millionen Euro im Jahr 2022 stieg der Verlust im Folgejahr auf über 20 Millionen Euro. Dieser Trend setzt sich fort. Allein könne das die Stadt nicht mehr stemmen, reklamierte der damalige Oberbürgermeister Andreas Brand bei seiner letzten Ratssitzung im Oktober. Erstmals forderte er hier den Landkreis dazu auf, in formale Gespräche über eine Beteiligung einzutreten. Ohne finanzielle Hilfe komme der MCB nicht mehr über die Runden. Nur so könne die stationäre Versorgung für die Menschen im Kreisgebiet aufrechterhalten werden. Wohl wissend, dass eine Beteiligung des Bodenseekreises am MCB jede Kreisgemeinde betreffen wird. Denn eine solche Entscheidung wäre nur über eine wesentlich höhere Kreisumlage zu finanzieren.

Schon bis März 2025 will die Stadt weitestgehend Klarheit haben, ob der Landkreis mitzieht. Der wäre formal in der Pflicht, wenn die bedarfsgerechte Versorgung nicht durch andere Träger sichergestellt ist. So steht es im Gesetz. Daraufhin erklärte nicht nur Landrat Luca Prayon (CDU), sondern alle Fraktionen im Kreistag zumindest Gesprächsbereitschaft. Allerdings müssten erst die Zahlen auf den Tisch und das für das Klinikum Friedrichshafen bereits beschlossene Sanierungskonzept.

Landrat: „Einfach nur Millionen zu zahlen, geht nicht“

Für das zweite Krankenhaus im Verbund, die Klinik Tettnang, gibt es dagegen noch keinen Fahrplan. Doch im Entwurf für den Kreishaushalt 2025 ist kein Geld für den MCB eingeplant. „Wir haben keine Mittel vorgesehen, weil noch nichts spruchreif ist“, erklärt Landrat Prayon.

Dazu kommt, dass auch im Bodenseekreis Sparen angesagt ist. In diesem Jahr fehlen voraussichtlich 9,2 Millionen Euro im Kreishaushalt, um alle Ausgaben zu decken. Eine Sparkommission, die im Dezember ihre Arbeit aufnimmt, soll Prioritäten für die nächsten Jahre setzen. Auch in diesem Rahmen wird das Thema MCB-Beteiligung ein Diskussionspunkt sein. „Einfach nur Millionen zu zahlen, geht nicht“, sagte der Landrat deutlich.

Tatsächlich geht es um künftige Strukturen in der medizinischen Versorgung der Bürger im gesamten Landkreis. Wie die im stationären Bereich möglicherweise auch über die Kreisgrenze hinaus aussehen soll, gehe über Gespräche zwischen Friedrichshafen und dem Landratsamt hinaus. „Es ist notwendig und überfällig, mit allen Akteuren zu sprechen“, sagt der Landrat. Hier schließt Luca Prayon die Träger der Nachbarkliniken genauso ein wie das Land und sogar den Bund. Das bestätigt das Gesundheitsministerium in Stuttgart auf Anfrage mit dem Verweis darauf, dass diese Gespräche vertraulich geführt werden.

Neubau eines zentralen Krankenhauses im Westallgäu?

Für den MCB mit seinen Kliniken in Friedrichshafen und Tettnang rücken auch die Oberschwabenkliniken (OSK) im Kreis Ravensburg, das Heliosspital Überlingen, das Asklepios-Krankenhaus im bayrischen Lindau oder die Kliniken Konstanz in den Blickpunkt. „Wir müssen schauen, was künftig Sinn macht“, erklärt Prayon seine Marschrichtung, offensichtlich auch gewillt, an Kooperationen zu denken, die jahrelang nicht zustande kamen. Dass gerade jetzt viel Bewegung in der Krankenhauslandschaft ist, macht die Sache nicht leichter.

So denkt man in der Nachbarschaft über den Neubau eines zentralen Krankenhauses für das Westallgäu mit bis zu bis 290 Betten im Raum Hergatz nach. Das schlägt zumindest ein Gutachten vor.

Das neue Klinikum soll das Angebot der drei Krankenhäuser in Lindenberg (im Insolvenzverfahren), Lindau und Wangen an einem Standort bündeln. Wangen gehört zur OSK, womit das sogar ein länderübergreifendes Projekt mit Bayern wäre.

Minister hält Pläne für nicht bedarfsgerecht

Allerdings steht der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) diesem Plan ablehnend gegenüber, obwohl er das Gutachten mit beauftragt hat. „Aus krankenhausplanerischer Sicht halten wir ein Neubauvorhaben dieser Größenordnung im Westallgäu nicht für bedarfsnotwendig“, schrieb er an den Ravensburger Landrat Harald Sievers (CDU).

Er halte „die Bündelung von Kompetenzen sowie Konzentrationen und Schwerpunktbildungen im Krankenhauswesen sowohl aktuell als auch in Zukunft für unabdingbar, um Krankenhausstrukturen zu schaffen, die dauerhaft betrieben werden können“, schrieb Lucha an den Landrat in Ravensburg. Der ist mit den Oberschwabenkliniken (OSK) selbst Klinikbetreiber.

Es wäre nicht bedarfsgerecht, so Lucha, „überall vor Ort auch jedes erdenkliche medizinische Behandlungsangebot vorzuhalten.“ Regionale Versorgungsstrukturen müssten nach diesen Maßstäben weiterentwickelt und sinnvoll optimiert werden. Das gilt aus der Sicht des Gesundheitsministers auch für die Region Bodensee-Oberschwaben.

Längst keine duale Finanzierung mehr

Seit 1972 sollen sich Bundesländer und gesetzliche Krankenkassen laut Gesetz die Finanzierung der Krankenhäuser eigentlich teilen. Die Länder sind für Investitionskosten zuständig, die Kassen für die Betriebskosten. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums sank die Investitionsquote der Länder von 25 Prozent im Jahr 1972 auf nur noch 3 Prozent im Jahr 2021.

Gleichzeitig stiegen die Krankenhausausgaben der Krankenkassen von 29 Milliarden Euro im Jahr 1993 auf 85,9 Milliarden Euro in 2021. Allerdings reicht der Landesbasisfallwert, den die Kassen pro Patient an die Kliniken zahlen, schon lange nicht mehr aus, um die überdurchschnittlichen Kostensteigerungen der vergangenen Jahre auszugleichen. Was fehlt, müssen die Klinikbetreiber zahlen, auch die kommunalen.

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