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Freibadsaison: Kommunen geraten beim Bäderpersonal ins Schwimmen

Für viele Menschen ist es wie ein kleiner Urlaub, für diejenigen, die ihre „Bahnen ziehen“, ein mitunter tägliches Fitnessprogramm: der Besuch im heimischen Freibad in den Sommermonaten. Das ist in diesem Jahr in vielen Kommunen gefährdet, weil die Aufsichten am Beckenrand fehlen, die für einen Betrieb vorgeschrieben sind.
Bademeister

Ohne das wachsame Auge des Schwimmmeisters geht nichts in Hallen- und Freibädern. F

dpa/Roland Weihrauch)

Stuttgart. Es klingt fast schon nach einem Verzweiflungsruf: #RettetDenSommer – so heißt die Kampagne für neues Personal, die die Stadt Karlsruhe gestartet hat. Gemeint ist die Suche nach Personal in den Freibädern, die in den kommenden Wochen öffnen sollen. Einige Bäder werden das in der Fächerstadt nur eingeschränkt können. Ähnlich sieht es beispielsweise in Heilbronn oder Stuttgart sowie in vielen anderen Kommunen aus.

Das Ausmaß der Personalmisere steigt mit der Anzahl der Bäder. In Karlsruhe sind es vier Freibäder und sechs Hallenbäder – zehn Aufsichten im größten Freibad fehlen für einen regulären Betrieb. Es wird unter der Woche nach aktuellem Stand erst gar nicht öffnen. In Karlsruhe und anderorts sucht man nun mit kreativen Ideen das nötige Saisonpersonal.

Aufsicht am Beckenrand fehlt in vielen Kommunen

In den meisten Fällen geht es nicht darum, eine Kasse am Eingang zu besetzen. Gesucht werden Menschen, die am Beckenrand Aufsicht machen und genau die fehlen. Nicht erst seit diesem Sommer – auch schon im vergangenen.

Jetzt aber schlägt die Personalnot voll durch, verschärft durch viele Fachkräfte, die in den Ruhestand gehen. Der Karlsruher Sozialbürgermeister Martin Lenz, zuständig auch für Bäder, betont, dass es nicht ohne qualifiziertes Personal in den Bädern gehe, weil die Sicherheit höchste Priorität habe. „Da gibt es keine Kompromisse“, ergänzt er. Die Folge wird nun sein, dass zwei von vier Freibädern lediglich eingeschränkt werden öffnen können.

In Heilbronn ist die Situation ähnlich. Auch dort gibt es in zwei Freibädern unter der Woche erst Badegenuss ab 13 Uhr und nicht wie in normalen Zeiten schon vormittags, weil fünf Personen für die Aufsicht fehlen. Darüber hinaus würden vier Personen in der Reinigung und etwa fünf Personen an den Kassen für einen durchgängigen Betrieb der Bäder wie in den Jahren vor Corona benötigt.

„In der Vergangenheit konnten wir die Deckungslücke durch Drittfirmen oder saisonale Einstellungen schließen. Durch die aktuelle Arbeitsmarktlage hat sich die Situation jedoch insbesondere für Bäderbetreiber, die wie in Heilbronn auf saisonale Einstellungen angewiesen sind, dramatisch verschärft“, stellt der Geschäftsführer der Stadtwerke Heilbronn, Erik Mai, fest.

Stuttgart stellt Schwimmkurse ein

In Stuttgart hat die Schwimmsaison im Höhenfreibad Killesberg Ende April begonnen. Für weitere drei Freibäder ist ein Eröffnungstermin aber noch unbekannt. Und das, obwohl in der Landeshauptstadt mit Beginn des Sommerbadebetriebs die Hallenbäder in Feuerbach, im Sportbad NeckarPark und in Vaihingen geschlossen werden. Auch das Schwimmkursangebot wird eingestellt. Das Personal ist dann in den Freibädern im Einsatz. Doch das reicht nicht aus für einen eingeschränkten oder gar vollständigen Betrieb. Erst in einigen Wochen wollen die Verantwortlichen entscheiden, ob noch mehr Hallenbäder geschlossen werden oder Freibäder in dieser Saison dauerhaft eingeschränkt öffnen.

„Die Entscheidung ist der Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat sehr schwer gefallen“, so Mai. Es gebe aus Sicherheitsgründen aber keine andere Wahl. So habe sich der Fachkräftemangel in den Bädern nach Corona noch einmal verschärft, außerdem fehle der Nachwuchs. Es geht um den Ausbildungsberuf zum Fachangestellten für Bäderbetriebe – ein Beruf mit Schicht-, Wochenend- und Feiertagsarbeit.

Man wolle nun versuchen, mit „allen möglichen Mitteln“ zusätzliche Personalkapazitäten zu gewinnen, sagt Mai. Gezahlt werden sollen außerdem zusätzliche Prämien für Überstunden an die Mitarbeitenden. In einem Freibad wird die örtliche DLRG Personal für die Aufsicht zur Verfügung stellen. Und es gibt noch einen kreativen Ansatz: Aktuell wird versucht, über Kooperationen mit verschiedenen Vereinen weiteres Personal zu gewinnen.

Derzeit finden laut Stadtwerke Gespräche mit zwei Heilbronner Eishockeyclubs darüber statt, ob wechselseitig Personal eingesetzt werden könnte – unter anderem für den Kassendienst. „Sollte sich die Personalsituation durch diese Maßnahmen verbessern, streben wir an, die Freibäder in einer weiteren Stufe weiter zu öffnen“, so Mai weiter.

Werbekampagne bespielt in Karlsruhe alle Kanäle

In Karlsruhe bespielt man bei #RettetDenSommer alle Kanäle, die es nur gibt: Plakate, Radio- und Fernsehspots in den lokalen Sendern oder Flyer sollen auf die Situation aufmerksam machen und Menschen animieren, als Saisonarbeitskraft bei den Bäderbetrieben einzusteigen. Auf den Plakaten sind traurige Kinder und Familien zu sehen.

Bäderchef Oliver Sternagel macht ebenfalls kräftig Werbung für einen Einsatz im Schwimmbad, der rund ein halbes Jahr dauert. Eine ungelernte Person verdiene pro Monat mit Zulagen an den Wochenenden und Feiertagen bis zu 2700 Euro. Außerdem seien Fortbildungen möglich, inklusive zum geprüften Meister für Bäderbetriebe. „Wir suchen keine Delfine für den Beckenrand, die Rekordzeiten schwimmen wollen“, so Sternagel.

Quelle/Autor: Marcus Dischinger

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