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Ermittlung gegen Wahlsieger führt zu Hängepartie
Alpirsbach. Im Wahlkampf machten Gerüchte zu seiner Person die Runde. Dazu äußerte Sven Christmann sich nach dem ersten Wahlgang, als keiner der sechs Kandidaten die absolute Mehrheit erhalten hatte. In einem Post auf Instagram räumte der Bestplatzierte ein, dass gegen ihn und andere eine Untersuchung läuft, „um festzustellen, ob ein Beschaffungsverfahren vorschriftsmäßig abgelaufen ist“. Er sei davon überzeugt, rechtmäßig gehandelt zu haben. Was er in dem Post nicht erwähnte war, dass er schon länger vom Dienst als Polizeihauptkommissar im Innenministerium freigestellt wurde. Nur: Er sei weder suspendiert noch habe er seine beamtenrechtliche Stellung verloren.
So richtig ins Rollen kam der Fall erst, als die Stuttgarter Zeitung darüber berichtete – nachdem Christmann Ende April in der Stichwahl gegen den Amtsinhaber zum Bürgermeister gewählt worden war. Demnach läuft gegen Christmann seit eineinhalb Jahren ein Ermittlungsverfahren wegen Korruptionsverdacht. Das Landgericht Karlsruhe hat noch nicht entschieden, ob es zu einer Anklage kommt.
Amtsinhaber wollte Gerüchte nicht zum Thema machen
Klar ist, dass er zur Bürgermeisterwahl in der 6800-Einwohner-Kommune antreten durfte. Hätte er die Bürger früher und aktiver informieren sollen? „Wenn man mir im Wahlkampf Fragen gestellt hat, habe ich diese auch wahrheitsgemäß beantwortet“, erklärt ein hörbar erschütterter Wahlsieger. Dennoch galt für ihn auch die Loyalitätspflicht gegenüber seiner Dienststelle und der Vorgang hätte eigentlich nicht an die Öffentlichkeit kommen dürfen.
Im Gespräch betont Christmann die Dauer des Verfahrens. „Es ist ein unerträglicher Zustand, auch für meine Familie“, sagt der 48-Jährige. Die Zeit habe er für eine Weiterbildung genutzt. Er überlege schon lange, in seiner Heimatstadt Alpirsbach anzutreten und er halte die Vorwürfe für haltlos, deshalb habe er kandidiert. „Ich hätte mich nicht beworben, wenn ich nicht von meiner Unschuld überzeugt bin“. Das hatte er in einem Statement nach der Wahl deutlich gemacht. Für ihn ist klar, dass er am 1. Juli die Stelle antritt.
Stadtrat wünscht sich Ruhe für den Ort und dass Christmann seinen Dienst antritt
Der unterlegene Amtsinhaber Michael Pfaff hat von den Gerüchten gehört, wollte sie aber nicht zum Wahlkampfthema machen. Nach der Wahl sieht er das Problem auch beim Gesetzgeber: Christmann sei beim Land nicht tragbar, seinen Dienst zu verrichten, parallel dürfe er aber bei der Stadt antreten. „Das beißt sich ein bisschen.“ Das Votum der Bürgerschaft gegen ihn sei aber deutlich, so Pfaff. Dass er keinen Rückhalt im Gemeinderat hatte, zeigte die Stellenausschreibung für den Bürgermeisterposten. Darin strichen die Räte den vielerorts üblichen Satz: „Der Stelleninhaber bewirbt sich wieder“ – ein Zeichen, dass der Haussegen schief hängt. Als sich dann auch noch ein Gemeinderat beworben hat, sei ihm klar geworden, dass es um seine Abwahl ging, so Pfaff.
Die Wählervereinigung Zukunft für Alpirsbach (ZfA) hat mit Thomas Gutmann einen Kandidaten ins Rennen geschickt. Der Ortsvorsteher des Stadtteils Reinerzau, holte im ersten Wahlgang rund 21 Prozent und verpasste damit die Stichwahl.
Die Herausforderungen des Orts anzupacken, habe er Pfaff nicht zugetraut. Er wollte mit seiner Kandidatur eine Aufbruchstimmung erzeugen. „Es ist schade, dass er durch diesen Fall gebremst wird“, sagt er. Es gebe Bürger, die sich jetzt getäuscht fühlen. Er wünsche sich Ruhe für den Ort und dass Christmann seinen Dienst antritt.
„Der am besten kontrollierte Bürgermeister“
Beim Landratsamt in Freudenstadt sind bis Mittwoch drei Einsprüche von Bürgern eingegangen. Diese seien aber noch nicht geprüft worden. Die Behörde sieht keinen Sachverhalt, der eine Wahlanfechtung rechtfertigt. Sowohl Pfaff als auch Gutmann sehen davon ab.
„Das einzige, worüber man enttäuscht sein kann, ist, dass die Wähler nicht wussten, dass er nicht mehr im Dienst ist“, sagt Joachim Hermann, Fraktionsvorsitzender der ZfR. „Wäre der Bericht eine Woche vor der Wahl erschienen, wäre Herr Christmann sicher nicht gewählt worden“, räumt er ein. Trotz allem möchte er einen Neustart für den Ort mit dem Wahlsieger und hofft, dass bald entschieden wird, ob die Klage zugelassen wird oder nicht.
Thomas Römpp, Fraktionsvorsitzender der SPD-Grüne-Frauenliste- Fraktion im Gemeinderat, zeigt sich deutlich versöhnlicher mit der Arbeit Pfaffs als seine Kollegen von der ZfA. Ein Rathauschef in Alpirsbach sei wohl der am besten kontrollierte in Baden-Württemberg. Hier gebe es Fraktionen, die jede Handlung des Stadtoberhaupts genau überwachten. Das Gremium werde sich nach der Kommunalwahl neu formieren, rund ein Drittel der Räte scheide aus.
Wie seine beiden Ratskollegen von der ZfA ist auch Römpp von Christmanns Unschuld überzeugt. Die größte Fraktion, die Freien Wähler, wollte sich nicht äußern.