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Baukultur und Verwaltung

Erhalt oder Abriss – was wird aus den 70er-Jahre-Bauten?

Gebäude aus den 70er Jahren haben es schwer. Einst als Ausdruck der Moderne konzipiert, können sie heutige Anforderungen allenfalls mit größtem Aufwand saniert noch erfüllen. Liegt hier der Abriss auf der Hand? Wie Verwaltungen mit Bürozentralen umgehen, zeigt ein Blick entlang der Rheinschiene. Von Stefan Jehle

Wie sieht die Zukunft des Lörracher Rathauses aus? Wahrscheinlich werden dort für längere Zeit die Handwerker und nicht die Verwaltungsbeamten arbeiten. Baden-Württembergs höchstes Rathaus steht zur Sanierung an.

dpa/Philipp von Ditfurth)

Karlsruhe/Mannheim. Gibt es eine Rote Liste für erhaltenswerte Verwaltungsbauten der Nachkriegszeit? Diesen Vergleich legte kürzlich der Bund Deutscher Architekten (BDA) in einem Gedankenspiel nahe. So drängen in Stadt- und Landkreisen sanierungsbedürftige Bauten zu Entscheidungen – Häuser über die manche als „hassgeliebte Bauten der 1960er und 1970er Jahre“ sprechen.

Rückbau und Neubau oder doch der sanierte Altbau?

Die Grundfrage, die sich stellt: Muss es gleich ein Abriss sein? Können Bestandsgebäude auch als Chance begriffen werden? Erhalt oder „Rückbau“ samt Vernichtung „grauer Energie“? „Akut abrissgefährdet“ war, als im Jahr 2023 eine Wanderausstellung des Bund Deutscher Architekten durch den Südwesten tourte, etwa das recht jung wirkende Landratsamt Karlsruhe. Der 1965 fertiggestellte 72 Meter hohe und 21 Etagen zählende Bau und seit 1997 im Eigentum des Landkreises, wird nun tatsächlich seit Sommer 2024 rückgebaut. Einst Sitz des Badenwerks, das im Energiekonzern EnBW aufging, war es neben dem Zwillingsbau der Rentenversicherung in der westlichen City ein prägendes Hochhaus.

In Lörrach wird derweil seit Jahreswechsel intensiv über den Sanierungsbedarf nachgedacht. Die Stadtverwaltung ist in einem 17-stöckigen Verwaltungsbau untergebracht, das damit nach städtischen Angaben „das höchste Rathaus Baden-Württembergs“ – der imposante Turm ist auch von Basel aus gut sichtbar. Im Februar 2024 entschied sich der Gemeinderat durch Gutachten untermauert für Erhalt und Grundsanierung des Baus, der 1975 bezogen wurde. Bis Ende 2024 wird ein Zeitplan erarbeitet.

In Mannheim wurde 2021 ein elf-geschossiger Büroturm mit 50 Metern am nördlichen Rand der Innenstadt und nahe dem Neckar freigeräumt; die Stadt hatte das neue Technische Rathaus hinter dem Hauptbahnhof bezogen und brauchte diesen Teil des 1971 bis 1975 vom einstigen Baukonzern „Neue Heimat“ gebauten Collini-Centers nicht mehr. Im Büroturm residierte seit den 80-er Jahren die Baubehörde.

Bröckelnde Fassade am Mannheimer Collini-Center

Beim 1975 entstandenen Collini-Komplex bröckelt die Fassade, energetisch ist er ein Fossil.  In Mannheim setzte das Collini-Center neue Akzente im Stadtbild. Der elfstöckige Büroturm, in dem lange das Baudezernat untergebracht war, ist 50 Meter hoch und umgeben von zwei noch wesentlich höheren Wohntürmen mit 32 Etagen auf 95 Metern. Diese gehören einer Eigentümergemeinschaft. Das Collini-Center gilt als Beispiel für den Baustil der 70er Jahre, den Brutalismus.

2019 hatte ein Wettbewerb den Abriss mit Ersatzbau zum Ziel. Das Projekt ist jetzt wieder auf Null gesetzt. Der für Herbst 2022 datierte Abriss des Büroturms fiel aus, Bürgerinitiativen hoffen weiter auf den Erhalt. Der Turm ist seit Juni 2024 wieder in städtischem Besitz. Ein Heidelberger Investor hatte den Bau der Stadt zurückgegeben, vor allem wegen des schwierigen Umfelds der Baubranche.

Nachwuchs-Architektin Soffia Jungmann machte das Center 2022 zum Thema einer Masterarbeit an der Fakultät für Architektur des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und legte eine Revitalisierung des Collini-Centers nahe. Ein Abriss, so ihr Urteil, konterkariere Aspekte der Nachhaltigkeit.

Auch am inzwischen vollzogenen Abriss des Landratsamtes in Karlsruhe gab es Kritik: Für Kunsthistoriker Gerhard Kabierske, ebenfalls einst am KIT beschäftigt, galt der Landratsamtsbau bei Fertigstellung „als Musterbeispiel aktueller Architektur und Haustechnik“. Es war, sagt er, bei der Planung angelehnt an der Skelettbauweise mit vorgehängten Fassaden aus Aluminium und Glas, dem internationalen Stil etwa vom Architekten Mies van der Rohe folgend.

Karlsruher Landratsamtsbau war nicht zukunftsfähig

Der Bau stand seit 2012 unter Denkmalschutz. „Eine Sanierung ist nicht ohne Einbuße der Denkmaleigenschaft möglich“, hieß es dazu in dem vom Landkreis beauftragten Gutachten. Landrat Christoph Schnaudigel (CDU) und der Kreistag hielten den Altbau „für nicht zukunftsfähig.“ Proteste und eine Petition beim Landtag in Stuttgart änderten am Abriss nichts. Geplant ist nun ein Ersatzbau mit Holzelementen, der um rund 20 Meter höher sein wird. Anders lauten die politischen Beschlüsse derweil in Lörrach. Auch das dortige Rathaus steht seit 2012 unter Denkmalschutz – der markante 72-Meter-Turm bleibt der Stadt als Wahrzeichen erhalten.

Kostenpläne und Kosten

In Lörrach rechnet Baubürgermeisterin Monika Neuhöfer-Avdi mit 70 Millionen Euro Sanierungskosten für den Rathausturm – ein bautechnischer, sicherheitsrelevanter und energetischer Sanierungsfall mit dringendem Handlungsbedarf, so die Stadt. Dafür müssen die knapp 300 Mitarbeitenden umziehen. In Karlsruhe entsteht bis circa 2027 an alter Stelle ein neuer Verwaltungsbaukomplex, der 400 Millionen Euro kosten soll. Die Mitarbeitenden sind seit Ende 2023 auf Bürobauten in der Stadt verteilt. Die Bruttonutzfläche betrug im Altbau rund 20 800 Quadratmeter und wird im Neubau sich mehr als verdoppelt haben.

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