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Bürgermeisterin Christiane Krieger: Eine VfB-Anhängerin, die kein „Mädle“ sein will

Christiane Krieger am Wahlabend umringt von Gratulanten, im Hintergrund der SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Kenner.
Stefanie Dornbach)Wernau/Stuttgart. Aus Anlass des Internationalen Frauentags am 8. März hat sich der Landtag – wieder einmal – mit den vielen Ungleichheiten in der hiesigen Gesellschaft beschäftigt. Zum Beispiel der, dass im Landesparlament selber Parität allein in der Grünen-Fraktion besteht. Auch sitzen im künftigen Bundestag weniger Frauen als in der ablaufenden Legislaturperiode.
Unterrepräsentation hat für Krieger persönliche Folgen
Laut Statistischem Landesamt sind mehr als 90 Prozent der Oberbürgermeister und Bürgermeister im Südwesten Männer. Die 100 000 Euro, die das Innenministerium in das Städtetags-Projekt „Ich kann das! – Bürgermeisterinnentalente gesucht“ investiert hat, änderte daran bisher wenig.
Für Krieger (parteilos) hat die eklatante Unterrepräsentation höchstpersönliche Folgen. Ein abgelehnter Bewerber hat seit wenigen Wochen schwarz auf weiß, dass von der Wernauer Stadtverwaltung zwar Fehler rund um die notwendige Einreichung von Unterschriftsformularen gemacht wurden, die aber nicht wahlentscheidend waren.
Die 33-Jährige hält es für ausgesprochen plausibel, dass sich der Kläger, der zur Wahl nicht zugelassene Bewerber Thomas Nitzsch, mit dem Urteilsspruch zufrieden gegeben hätte, wäre sein Gegenüber ein Mann gewesen. Tatsächlich aber ist Nitzsch vor den Verwaltungsgerichtshof in Mannheim gezogen, um erst einmal die Zulassung der Berufung zu erstreiten. Und einem Kompromiss wollte Krieger ihrerseits nicht zustimmen, denn sonst, sagt sie, „hätte es sicher geheißen, ,das Mädle hat sich rausverglichen’“.
Das „Mädle“ ist keines, sondern eine groß gewachsene Frau, die auch noch High-Heels trägt. Die Bürgermeisterin spricht gern mit den Händen, was besonders auffällt, weil sie Nägel in Überlänge bevorzugt. Im ersten Wahlgang war sie mit gut 70 Prozent gewählt worden, sie sitzt für die Freien Wähler im Kreistag und hat Erfahrungen vor der Politik gemacht.
Ihr Studienwissen kann sie heute gut gebrauchen
Als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin war sie bis 2016 unter anderem im Intensivbereich des Robert-Bosch-Krankenhauses in Stuttgart tätig, ehe sie an die Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg wechselte. Mit dem Public-Management-Bachelor in der Tasche kam sie zur Gemeinde Starzach bei Tübingen, wurde Hauptamtsleiterin, um 2023 in Wernau anzutreten. Ihr Studienwissen kann sie gut gebrauchen, denn sie hat eine Arbeit über die Spaßkandidaten geschrieben, zu denen auch Nitzsch gezählt wird. Irgendwie „tragisch-komisch“ sei, dass die das Thema ein zweites Mal eingeholt habe.
Die glühende VfB-Anhängerin beschreibt sich als „behütet aufgewachsen“ mit einer „steilen Lernkurve“ in Sachen Gleichstellung. Lange meinte sie, der Ausgleich zwischen Frauen und Männer sei auf einem guten Wege, brauche noch, „aber er wird schon funktionieren“.
Inzwischen bezeichnet sie sich als Feministin, kämpft gegen patriarchale Strukturen, in denen Mädchen noch immer weniger zugetraut werde. Sie will Vorbild für andere sein und fordert Frauen insgesamt auf, sich gegenseitig zu ermutigen, in der Familie, im Beruf, im Studium, in und nach der Familienphase. Sie gendert offensiv, weil „Sprache gesellschaftlichen Realitäten gerecht werden muss“ und weil sie Wert darauf legt, Männer auf Schieflagen aufmerksam zu machen.
Kommunalpolitisch hat Krieger klare Vorstellungen
Kommunalpolitisch hat Krieger klare Vorstellungen, speziell zur Verkehrsbelastung in ihrer Stadt: „Je mehr Leute in einem Bus sitzen, desto kürzer ist der Stau.“ Als weitere Schwerpunkte erwähnt sie Kindertagesstätten und Schulen. Und sie hat sich auf ein inzwischen zwar oft genutztes, aber doch in der Öffentlichkeit noch immer wenig beachtetes Verfahren eingelassen. Die neue Servicestelle Bürgerbeteiligung hat ein Bürgerforum zum strittigen Neubau einer Sporthalle in Wernau organisiert. Das Ergebnis war eindeutig, die Bürger befürworten die Investition.
Die junge Bürgermeisterin erfährt „wegen ihrer zupackenden Art“, wie ein Gemeinderat sagt, durchaus auch Anerkennung in den anderen Fraktionen. Ob die im Falle der Sporthalle erfolgreich sein wird, ist noch nicht entschieden. Da kommt eine zweite Eigenschaft zum Tragen, mit der die verheiratete Hundeliebhaberin schon im Wahlkampf für sich geworben hat: Sie sei Optimistin und im vorliegenden Falle sogar eine, die mit einem Bürgervotum im Rücken Überzeugungsarbeit leisten kann. Denn weiterhin ist das Vorhaben im Haushalt der Stadt mit einem Sperrvermerk belegt: „Aber wir können jetzt anfangen, die geforderten Vergleichszahlen zusammenzutragen, damit es in dem großen Prozess möglichst schnell weitergehen kann.“