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Mischgrundstücke: „Ein Konstruktionsfehler im Gesetz“
Staatsanzeiger: Das Grundsteuer-Beispiel Calw ist jetzt landesweit bekannt. Wundert Sie die starke Reaktion?
Tobias Volle: Ja und nein. Ja, weil die Bodenrichtwerte über Jahrzehnte keine Bedeutung in der Öffentlichkeit hatten. Durch die Grundsteuerreform sind sie in einen breiten Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Damit schaut jeder Eigentümer mittlerweile sehr genau hin. Wir merken das auch an Rückmeldungen von Eigentümern, die jetzt erst ihre Steuererklärung abgeben. Manche rufen an und fragen: „Seid ihr denn wahnsinnig?“
Was war das Problem bei den Mischgrundstücken?
Es gibt Grundstücke, die nur zum Teil bebaut werden können, was sich wiederum im Grundsteuerwert niederschlagen müsste. Denn der Bodenrichtwert bezieht sich grundsätzlich auf ein fiktives Bodenrichtwertgrundstück mit klar definierten wertbestimmenden Merkmalen wie beispielsweise Grundstücksgröße oder Grundstückstiefe. Im Grundsteuergesetz des Landes spielen diese aber keine Rolle mehr. Alle Informationen zu dem Bodenrichtwert fallen weg und es gilt nur noch die nackte Zahl von beispielsweise 300 Euro pro Quadratmeter. Dass aber auf einem Grundstück von 1500 Quadratmetern nur ein kleiner Teil bebaut werden kann, weil es dort einen Wald, einen Hang oder Gartenland gibt, wird nicht berücksichtigt. In der Folge würde das Gesamtgrundstück mit 300 Euro pro Quadratmeter bewertet.
Wie haben Sie gemerkt, dass Sie bei diesen Grundstücken nachbessern müssen?
Zum einen sind uns von der Bürgern Problemfälle sehr schnell mitgeteilt worden. Dass die Zonenabgrenzung so bereits seit vielen Jahren existent war, interessierte nicht. Der Knackpunkt war, als wir merkten, dass die Finanzämter unsere ergänzenden Angaben nicht berücksichtigen können, etwa als wir per Mail mitteilten, dass ein Bodenrichtwert nur für ein Teil eines Grundstücks gilt. Konsequenz: Die steuerpflichtigen Bürger müssten per Gutachten nachweisen, dass der tatsächliche Wert des Grundstücks mindestens 30 Prozent unter dem vom Finanzamt ermittelten Bodenwert liegt. Nun hatten wir eine Vielzahl von Grundstücken, die aufgrund ihrer topografischen Lage hiervon betroffen waren.
Könnten Sie es sich bequem machen und sagen: ,Wir haben die Daten geliefert´?
Ja, wir könnten uns auf die Vorgaben des Baugesetzbuchs berufen und die Steuerpflichtigen das mit dem Finanzamt klären lassen. Aber es kann nicht sein, dass ein gesamter Straßenzug Gutachter bestellen muss. Wir mussten es im Sinne der Bürger korrigieren. Wir sind heilfroh, dass die Oberfinanzdirektion seit dem 1. August eine Korrektur zulässt.
Sie haben dann die Schömberger Erklärung veröffentlicht.
Der Gutachterausschuss hat beschlossen, die bestehenden Zonen insbesondere in ihrer Tiefe zurückzunehmen und für die „freie“ Fläche eine neu Zone „hausnahes Gartenland“ einzuführen. Damit liegen solche Grundstücke nun in zwei Bodenrichtwertzonen mit unterschiedlich hohen Bodenrichtwerten. In den 17 Kommunen, die unser Ausschuss umfasst, wurden mehrere 1000 Grundstücke korrigiert.
Hilft es, die Bewertung für Mischgrundstücke zu vereinheitlichen?
Im Sinne der Gleichbehandlung und Steuergerechtigkeit grundsätzlich schon. Das Problem sind allerdings nicht die Gutachterausschüsse, denn diese leisten im Rahmen ihrer oftmals geringen personellen Ausstattung hervorragende Arbeit. Die Problematik entsteht aufgrund der vermeintlichen Einfachheit des Baden-Württemberger Bodenwertmodells. Dieses setzt im Rahmen der automatisierten Massenbewertung auf räumlich eng abgegrenzte Bodenrichtwertzonen und ignoriert die von den Gutachterausschüssen beschlossenen wertbestimmenden Grundstücksmerkmale und örtliche Fachinformationen. Wenn Sie mich fragen: ein Konstruktionsfehler im Gesetz.
Das Gespräch führte Philipp Rudolf
Ministerium verweist auf Eigenständigkeit der Ausschüsse
Laut dem Gemeindetag stellten die Mischgrundstücke zwar insgesamt eine Minderheit dar, trotzdem sei es sinnvoll, „nun nochmals zu erwägen, ob man die Bewertung dieser Grundstücke vereinheitlichen kann“, teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit. Das Finanzministerium verweist dagegen auf die Eigenständigkeit der Gutachterausschüsse. Dass der Calwer Gutachterausschuss Korrekturen vornimmt, sei kein ungewöhnlicher Vorgang und nicht zu beanstanden.