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Grundsteuer: Die Reform erreicht nun die Bürger
Stuttgart. Nach jahrelangem Warten erfahren nun die Eigentümer, wie sich die Grundsteuerreform konkret auswirkt. „Unter unseren Mitgliedern gibt es derzeit erhebliche Aufregung“, erklärt Sebastian Nothacker von Haus und Grund Württemberg. Bei manchen würde sich die Abgabe verfünffachen. Dass etwa Besitzer von Ein- oder Zweifamilienhäusern künftig mehr zahlen müssen, ist dem Steuermodell geschuldet, bei dem es nun auf die Grundstücksfläche ankommt.
Mit den Hebesätzen bestimmen die Kommunen die Höhe der Grundsteuer insgesamt – die ungleichen Belastungen der einzelnen Grundstücke können sie nicht ausgleichen. Viele haben die Hebesätze Ende 2024 angepasst, was aufgrund der Finanzlage oft eine schwierige Entscheidung war: Städte und Gemeinden kämpfen mit klammen Kassen, wollen aber die Bürger nicht stärker belasten. Einige versuchen, die Grundsteuer aufkommensneutral umzusetzen. Andere würden die Hebesätze noch einmal kräftig anziehen, um Einnahmen zu erhöhen, so Nothacker.
Gemeinde nimmt 500 000 Euro im Jahr mehr ein
Beispielsweise Ammerbuch im Landkreis Tübingen hat den Hebesatz im vergangenen Dezember von 230 auf 300 Prozent erhöht – notgedrungen. „Wir mussten einen riesigen Investitionsrückstand aufholen und hatten gleichzeitig weniger Gewerbesteuereinnahmen sowie Zuweisungen von Land und Bund“, so Bürgermeisterin Christel Halm (CDU). Nachdem die Musikschule und das Freibad auf der Kippe standen, brauchte es eine Lösung. Der Gemeinderat hat sich zum höheren Grundsteuersatz durchgerungen, der mit 300 Prozent deutlich über dem vom Land angegeben aufkommensneutralen Hebesatz liegt.
„Die Freude hält sich in Grenzen, aber gleichzeitig möchte niemand auf das Freibad oder die Musikschule verzichten“, erklärt Christel Halm.
Die Gemeinde nimmt mit dem neuen Hebesatz 500 000 Euro im Jahr mehr ein. Der Haushalt sei damit zwar nicht ausgeglichen, aber immerhin genehmigungsfähig. Es sei keine leichte Entscheidung gewesen, räumt die Rathauschefin ein, schließlich würden einige Grundstückseigentümer durch die Reform viel mehr als zuvor zahlen. Halm wünscht sich, dass das Land oder der Bund die Kommunen stärker entlasten würden, damit diese nicht die privaten Haushalte belasten müssten.
Boris Palmer hat eine baldige Erhöhung ins Spiel gebracht
Das Vorgehen in Ammerbuch wurde auch im angrenzenden Tübingen wahrgenommen. Dort hat Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) kürzlich eine baldige Erhöhung des Hebesatzes ins Spiel gebracht. Er schlägt vor, sie im zweiten Quartal in Kraft zu setzen, sodass sie rückwirkend für das ganze Jahr gelte, zitiert ihn ein Zeitungsbericht. Bislang beträgt der neue Hebesatz in Tübingen für die Grundsteuer B 270 Prozent. Laut dem Transparenzregister könnte die Stadt bis auf 284 Prozent erhöhen, um aufkommensneutral zu bleiben. Außerdem gilt in der Unistadt die Grundsteuer C für unbebaute Grundstücke.
Wollen auch andere Städte die Hebesätze nachschärfen? Susanne Nusser, stellvertretende Geschäftsführerin des Städtetags, ist keine Stadt bekannt. Allerdings hätten einige Kommunen nach langer Diskussion einen höheren Hebesatz beschlossen, der über der Aufkommensneutralität liege.
Gleiches berichtet Nothacker. Laut Haus und Grund hätten noch nicht alle Kommunen die neuen Hebesätze beschlossen. Sie können diese bis zum 30. Juni für das gesamte Jahr festlegen – und bis dahin beschlossene nochmals ändern.
Die Stadt Lörrach rechnet bei den Bürgern mit zahlreichen Fragen
Städtetag und Gemeindetag gehen davon aus, dass die allermeisten Kommunen die Hebesätze im vergangenen Jahr festgezurrt haben. Das sei in deren eigenem Interesse, schließlich könnten erst dann die Bescheide verschickt und die Abgabe eingezogen werden. Diese würde in Zeiten klammer Kassen dringend benötigt, betont Nusser.
Der Gemeindetag geht davon aus, dass manche Hebesätze erst in den Ratssitzungen im Januar und Februar beschlossen werden, etwa weil die Datengrundlage noch nicht ausreichend sei.
Die Kommunen bereiten sich auf die Reaktionen vor, die die Briefe auslösen werden. Die Stadt Lörrach versendet aktuell 15 000 Bescheide und rechnet bei den Bürgern mit zahlreichen Fragen. Die südbadische Kommune hat daher ihr Beratungsangebot erweitert. Die Landeshauptstadt Stuttgart berichtet derzeit von vereinzelten Widersprüchen und Beschwerden. Der Gemeindetag geht davon aus, dass sehr viele Steuerpflichtige wegen ihrer Bescheide Kontakt zu den Kommunen aufnehmen. Diese hätten sich vorbereitet, je nach Größe zum Teil auch mit der Einrichtung einer Hotline.
Die bislang versendeten Bescheide würden die befürchteten Belastungsverschiebungen durch die Reform bestätigen, sagt Daniel Bilaniuk vom Bund der Steuerzahler. Tendenziell würden die Gewerbeimmobilien in den reinen Gewerbegebieten entlastet, die Wohngrundstücke belastet, hier insbesondere die Ein- und Zweifamilienhäuser.