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Die „Lex Riehle“ sorgt in Mannheim für Unmut
Mannheim/Stuttgart. Eigentlich bringt Thorsten Riehle alles mit, um Kulturbürgermeister zu sein. Der 53-Jährige leitete 25 Jahre das bekannte Veranstaltungshaus Capitol und ist in der Kulturszene Mannheims bestens vernetzt.
Ein Studium ist jetzt nicht mehr zwingend, sondern nur erwünscht
Zudem war Riehle lange Fraktionschef der SPD im Gemeinderat und wäre fast Oberbürgermeister der zweitgrößten Stadt des Landes geworden, rund 850 Stimmen fehlten bei der Neuwahl im Juli. Das alles reichte nicht für das Amt eines beigeordneter Bürgermeisters in Mannheim aus: Wer die Stellte wollte, musste bislang ein Hochschulstudium vorweisen. Riehle hat keines, er brach sein Studium für ein Volontariat ab.
Im Oktober hatte sich dennoch die SPD-Gemeinderatsfraktion, die das Vorschlagsrecht für den Posten hat, einstimmig für Riehle als Kandidaten für das Amt ausgesprochen, das neben Kultur auch die Bereiche Arbeit, Soziales und Wirtschaft umfasst. Was formal noch nicht ganz passte, wurde passend gemacht: Der Gemeinderat stimmte im Oktober dafür, dass in der Stellenanzeige ein Studium nicht mehr zwingend erforderlich, sondern nur erwünscht ist. Die Änderung sorgte für eine hitzige Debatte im Gemeinderat, es war von einer „Lex Riehle“ die Rede.
- Nein 70%, 82 Stimmen82 Stimmen 70%82 Stimmen - 70% aller Stimmen
- Ja 28%, 33 Stimmen33 Stimmen 28%33 Stimmen - 28% aller Stimmen
- Mir egal 2%, 2 Stimmen2 Stimmen 2%2 Stimmen - 2% aller Stimmen
Mehr dazu: „Lex Riehle“ sorgt in Mannheim für Unmut
Grundsätzlich sei die Anpassung sinnvoll, erklärte die „Fraktion Freie Wähler – Mannheimer Liste“ im Vorfeld der Abstimmung. Sie lehnte aber eine sofortige Änderung ab, weil dadurch der Eindruck erweckt würde, dass einem bestimmten Bewerber die Bewerbung ermöglicht würde. Die Bewerbungsfrist für das Amt endete am Freitag, nach Angaben der Stadt sind neun Bewerbungen eingegangen. Der neue Kulturbürgermeister soll in der Sitzung am 12. Dezember vom Gemeinderat gewählt werden, der bisherige, Michael Grötsch (CDU), geht in den Ruhestand.
CDU und Grüne schmiedeten Gesetze für Bürgermeister
Städte wie Stuttgart, Freiburg und Karlsruhe fordern von ihren Beigeordneten kein Hochschulstudium, setzen aber gute Kenntnisse der jeweiligen Materie oder Erfahrungen in der kommunalen Selbstverwaltung voraus. Bei den direkt gewählten Rathauschefs verbietet das Demokratieprinzip eine Vorauslese, was ein weiteres Argument für viele Kommunen ist, auf konkrete Vorgaben auch bei Beigeordneten zu verzichten.
Die Gemeindeordnung stellt außer dem Höchstalter und der grundsätzlichen Wählbarkeit keine Anforderungen an Beigeordnete. Das war nicht immer so. Mit der „Lex Föll“, so die Bezeichnung der damaligen SPD-Fraktion im Landtag, strich die CDU/FDP-Landesregierung 2004 die Voraussetzungen für Finanzbürgermeister aus der Gemeindeordnung. Der Wunschkandidat für das Amt in Stuttgart, Michael Föll (CDU), brachte für den Posten als Finanzbürgermeister nicht die erforderlichen Voraussetzungen mit: die Qualifikation eines Fachbeamten des Finanzwesens. Föll, der eine Ausbildung zum Bankkaufmann abgeschlossen hatte, hielt dann 15 Jahre die Finanzen in der Landeshauptstadt zusammen. Der „ewige Kämmerer“ wechselte später als Amtschef in das Kultusministerium.
Die Verschiebung der Altersgrenze für Bürgermeister im Jahr 2015 geht ebenfalls auf einen kommunalen Amtsträger zurück: Stuttgarts Ex-Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne). Als Rathauschef bewerben konnte sich zuvor nur, wer das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Kuhn, damals drei Jahre im Amt, hätte diese Grenze vor einer möglichen Wiederwahl erreicht. Die „Lex Kuhn“ hat er aber nicht genutzt, er kandidierte im Jahr 2020 nach einer Amtszeit nicht erneut.
„Lex plus Name“ als politischer Kampfbegriff
Die geänderten Formalien rund um bestimmte Posten sorgen immer wieder für Kritik. Beliebter Ausdruck dafür ist die Zusammensetzung von „Lex“, lateinisch für Gesetz, plus den jeweiligen Nachnamen einer Person. Der Begriff soll ausdrücken, dass Vorgaben auf eine Person oder einen Sachverhalt zugeschnitten worden seien. Auf Bundesebene ist die „Lex Naumann“ bekannt. 1999 wurde das Gesetz über die Rechtsstellung der Parlamentarischen Staatssekretäre geändert, da Michael Naumann, damals designierter Staatsminister für Kultur und Medien, nicht Mitglied des Deutschen Bundestages war.