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Die Bürger kämpfen für den Erhalt des Bücherbusses
KARLSRUHE. Es ist eine mehrere Seiten lange Liste mit viel Kleingedrucktem: die sogenannte Tränenliste, die – geht es nach der Karlsruher Stadtverwaltung – am besten ohne Änderungen vom Gemeinderat genau so beschlossen werden sollte. Auf dieser Liste stehen nämlich rund 200 Sparvorschläge aus den einzelnen Dezernaten, Ämtern und Dienststellen.
Sie sollen dazu beitragen, das Minus in den Haushaltsjahren 2024 und 2025 von bisher rund 100 auf etwa 40 Millionen Euro zu reduzieren. Es geht dabei um die Genehmigungsfähigkeit des kommenden Doppelhaushalts durch das Regierungspräsidium.
Höhenstadtteile liegen bis zu 15 Kilometer entfernt
Und wer lange genug im Kleingedruckten sucht, der findet unter vielen anderen Vorschlägen (siehe Kasten) auch folgenden Eintrag: „Reduzierung durch Einstellung des Medienbusses ab 2024“. Genau 78.570 Euro sollen so pro Jahr nicht mehr ausgegeben werden, wenn das Angebot gestrichen wird. Der zugegeben in die Jahre gekommene Medienbus versorgt 15 der 27 Karlsruher Stadtteile mit Büchern, Zeitschriften, CD und DVD. Es sind die Stadtteile, die über keine eigenen Stadtteilbibliotheken verfügen. Die Karlsruher Höhenstadtteile liegen bis zu 15 Kilometer von Stadt- sowie Kinder- und Jugendbibliothek in der Innenstadt entfernt.
Macht der Bus – so wie am vergangenen Dienstagnachmittag in der Karlsruher Nordstadt – Station, warten in der Regel schon Menschen darauf, dass sich die Türen öffnen. Es ist vor allem das wohnortnahe Angebot, das hier ganz unterschiedliche Nutzer anlockt. Es sind Kinder und Jugendliche, die den Weg zum Medienbus innerhalb des Stadtteils oft schon alleine zurücklegen können. Es sind aber auch viele ältere Menschen, für die der Weg in die Innenstadt beschwerlich wäre. Das mobile Zusatzangebot der Stadt als freiwillige Leistung wird jedenfalls rege genutzt.
Was die Stadt Karlsruhe streichen möchte
Auf der Streichliste der Stadt Karlsruhe stehen neben vielen verwaltungsinternen Umschichtungen auch Maßnahmen mit Außenwirkung. So soll es künftig weniger Dekoration auf dem Karlsruher Christkindlesmarkt geben, das Feuerwerk zum Abschluss der beiden Volksfeste soll entfallen und über Vermietungen der eigenen Hallen und Säle will die Stadt Mehreinnahmen erzielen. Erhöhungen sind bei der Hunde-, Vergnügung-, Zweitwohnsitz- und Wettbürosteuer geplant. Das Mittagessen an den Ganztagsschulen könnte künftig vier Euro statt 3,50 Euro kosten. Und: Bisher haben Kinder bis sechs Jahre freien Eintritt in den Zoo. Die Grenze soll nun bei vier Jahren gezogen werden.
Reagieren die Karlsruherinnen und Karlsruher im Normalfall vergleichsweise träge auf solche „Streich-Ankündigungen“ oder nehmen sie im Zweifelsfall gar nicht wahr, gab es hier fast schon einen kleinen Aufruhr. Das Personal des Medienbusses berichtet von vielen Solidaritätsbekundungen, die Gemeinderatsfraktionen haben in den vergangenen Wochen und Monaten besonders viele Mails zu diesem Thema erhalten. Viele Menschen haben die Befürchtung, dass der Sparbeitrag von 80 000 Euro angesichts eines 1,5 Milliarden-Euro-Etats im Ergebnishaushalt der Stadt nur einen Effekt hat: das Fehlen eines wichtigen Bildungsangebots.
Man brauche wieder einen positiven Ergebnishaushalt, um handlungsfähig zu bleiben und um Zukunftsinvestitionen nicht überwiegend mit Krediten finanzieren zu müssen, hatte Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) im vergangenen März noch konstatiert. Inzwischen geht die Stadt noch weiter und hat auch einige größere Bauprojekte entweder ganz gestrichen oder weit nach hinten geschoben. Die vergleichsweise kleinen Einspareffekte sind aber weiter auf der Liste geblieben. Derart großer Protest wie bei der geplanten Medienbus-Streichung ist für den Karlsruher Gemeinderat meistens ein Signal, dass er korrigierend eingreifen wird. Rein formal könnte er das für jeden einzelnen der 200 Vorschläge.
Stadtverwaltung soll Ersatz für Medienbus prüfen
Die SPD-Fraktion beispielsweise hat kritisiert, dass die Stadt angesichts der sinkenden Lesekompetenzen bei Kindern ein solches Bildungsangebot nicht einfach streichen dürfe. Sie beantragt, dass die Verwaltung für die fünf Höhenstadtteile prüft und berechnet, was es kostet, ein adäquates und wohnortnahes Ersatzangebot zum Medienbus zu schaffen. Konkret geht es um den Ausbau von bestehenden Bibliotheksangeboten, beispielsweise von Kirchengemeinden, unter finanzieller Beteiligung der Stadt. Obwohl der Antrag auf der Tagesordnung des Kulturausschusses vor wenigen Tagen stand, kam es nicht zur Aussprache darüber. In der Verwaltung gebe es noch größeren Abstimmungsbedarf, erklärte der zuständige Bürgermeister Albert Käuflein (CDU) in der Sitzung.
Weitet man die Idee der SPD auf alle 15 Stadtteile aus, die heute durch den Medienbus versorgt werden, würde das pro Jahr nicht mehr nur 80 000 Euro verschlingen. Das ist auch bei einem Elektrobus der Fall, der als Ersatz angeschafft werden könnte. Nachhaltiger wäre dieser.
Quelle/Autor: Marcus Dischinger