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„Der Parteieintritt ändert für die Bürger nichts“
Staatsanzeiger: Die meisten Bürgermeister sind Mitglied bei der CDU. Warum haben Sie sich für die Grünen entschieden?
Cornelia Petzold-Schick: Die CDU hat 50 Jahre lang den Ministerpräsidenten gestellt, wenn damals jemand in die CDU eingetreten ist, war das normal. Nun ist schon viele Jahre ein Grüner Ministerpräsident, da ist es durchaus respektabel, wenn eine Oberbürgermeisterin in dessen Partei eintritt. Aber Spaß bei Seite: Ich wurde und werde in Bruchsal von einem bunten Bündnis von SPD, Grünen, FDP und Freie Wähler unterstützt und die letzten Jahre habe ich aufgrund der Themen wie die Energiewende die Grünen gewählt. Ich sehe diese Entscheidung für eine Partei nicht als Entscheidung gegen andere, sondern möchte meine Wertschätzung an dieser Stelle für alle demokratischen Parteien jenseits der AfD ausdrücken.
Sie wollten mit dem Schritt auch Haltung zeigen. Was meinen Sie damit?
Meine Entscheidung war durch die bundes- und landespolitische Debatte geprägt. Dass die AfD nun bei 18 Prozent liegt, hat etwas mit mir gemacht. Als ich vor 14 Jahren als Oberbürgermeisterin antrat, gab es das Thema so nicht. Mit Blick auf die Kommunalwahlen möchte ich, dass die große Mehrheit bei den klassischen Parteien bleibt. Ich hatte schon länger das Gefühl, dass ich zeigen muss, wo ich stehe.
Sie wurden als parteilose Rathauschefin gewählt. Ist es schwer, den Bürgern diesen Schritt zu erklären?
Man muss auch Haltung zeigen, wenn es nicht so einfach ist. Einigen Bürgern konnte ich bisher im direkten Gespräch meine Beweggründe erklären und diese respektierten die Entscheidung. Für die Bürger wird sich aber nichts ändern. In meinem Gemeinderat hat die CDU die Mehrheit, am zweitstärksten sind die Grünen, dann kommen die SPD, die Freien Wähler, die FDP und die AfD. Zu 80 Prozent geht es bei uns um große Mehrheitsentscheidungen, damit es nachhaltig ist. Dazu stehe ich auch weiterhin. Die eigentliche Fähigkeit eines Bürgermeisters oder einer Bürgermeisterin ist, mit der Verwaltung die Gemeinderäte mitzunehmen, damit man Entscheidungen gut umsetzen kann.
Gab es auch Kritik aus der Bürgerschaft?
Seit der Parteieintritt öffentlich wurde, ist noch nicht viel Zeit vergangen. Ich werde in zwei oder drei Monaten sagen können, wie sich das entwickelt hat, wenn ich den Bürgern auf dem Markt oder auf Veranstaltungen begegnet bin. Die große Mehrheit, die ich bisher getroffen habe, hat respektvoll reagiert, aber es gab natürlich auch ein paar Mails, in denen es um Grünen-Bashing ging.
Die Grünen stellen nicht viele Rathauschefs. Welchen kommunalpolitischen Input können Sie der Partei geben?
Es gibt in der Partei viele gute Ideen, aber manchmal hakt es an der Operationalisierung. Ich bin seit 14 Jahren Oberbürgermeisterin und war zuvor Bürgermeisterin und habe 20 Jahre Führungserfahrung in einem kommunalen Spitzenamt. Ich möchte hier meine Ideen zum Thema lebenswerte Städte und Gemeinden einbringen, zum Beispiel bei der Wärmeleitplanung und der Energiepolitik. Das ist meine Mission.
Stichwort Wärmeplanung. Bruchsal hat diese als eine der ersten Städte vorgelegt. Das Bundesgesetz ist auf dem Weg. Was braucht es jetzt?
Das Gesetz ist vom Prinzip her richtig. Es kommt zur richtigen Zeit und das Land hat hier die entsprechenden Vorgaben gemacht. Aber man muss jetzt schnell sein. Als Oberbürgermeisterin einer Kommune, die hier schon weiter ist, kann ich sagen, dass die Vorreiter belohnt werden sollen und nicht bestraft. Wenn wir jetzt Sanierungszuschüsse bekommen, dann gibt es einen Schneeballeffekt und die Menschen investieren. Ansonsten gibt es womöglich viele Insellösungen. Wir wollen das Geld der Bürgerinnen und Bürger gut anlegen. Zudem sind mir die Stadtwerke sehr wichtig. Das Überleben dieser Betriebe hängt davon ab, dass die Investitionskosten, die jetzt anstehen, auch gestemmt werden können. Hier sollte man auch offen darüber reden, ob das Gemeinwesen Einnahmen erzielen darf.
Das Thema Migration wurde beim Grünen-Parteitag in Weingarten kontrovers diskutiert. Wie läuft die Flüchtlingsunterbringung in Bruchsal?
Für Bruchsal kann ich sagen, dass wir unsere Hausaufgaben machen. Ich bin von der dezentralen Unterbringung von Geflüchteten überzeugt, weil sie die Integration erleichtert. Aber wir kommen an Grenzen unserer Wohnungspolitik, obwohl wir schon viele Wohnungen organisiert haben. Hinzu kommt, dass es an Kita- und Schulplätzen fehlt.
Sie erwähnten bei Ihrer Rede auf dem Parteitag, dass es noch wenige Rathauschefinnen gibt. Was muss sich ändern?
Das Thema ist mir sehr wichtig. Es gibt bei 1101 Kommunen im Land nur rund 100 Bürgermeisterinnen, davon fünf Oberbürgermeisterinnen, mit Monika Müller in Rastatt sind wir wieder sechs. Eine Veränderung gibt es nur über die Vorbildfunktion. Frauen müssen andere Frauen in diesen Ämtern sehen. Als erste grüne Oberbürgermeisterin möchte ich ihnen sagen, dass Lebensqualität, grüne Politik und Frau-Sein auch in einem Spitzenamt möglich sind.
Werden sich durch Ihre Parteimitgliedschaft in Stuttgart nun Türen öffnen?
Das müssen Sie die Stuttgarter fragen (lacht). Dazu kann ich nichts sagen. Ich bin als Oberbürgermeisterin bis Ende 2025 gewählt.
Das Gespräch führte Philipp Rudolf