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Der Bodenseekreis legt den Neubau des Landratsamts auf Eis
Frie drichshafen. Das Projekt war ambitioniert und sollte inklusive Kita, Tiefgarage und Rettungsleitstelle rund 60 Millionen Euro kosten. 2019 hatte der Kreistag des Bodenseekreises beschlossen, das über 50 Jahre alte Landratsamt an der Glärnischstraße abzureißen und in mehreren Schritten neu zu bauen. Nach dem Architektenwettbewerb gab es einen Siegerentwurf. Die Stadt Friedrichshafen sollte Baure cht schaffen.
Doch dabei blieb es. Als Luca Prayon (CDU) im Februar 2023 Landrat wurde, änderte er vorsichtig den Kurs beim Großprojekt. Der Neubau für die Kreisbehörde genieße „definitiv nicht die höchste Priorität“, erklärte er, schrieb das Vorhaben aber noch nicht ganz ab. „Wir werden alles auf den Prüfstand stellen und schauen, was wir machen können.“
Landrat verschiebt Neubaupriorität
Nach dieser Prüfung steht das Projekt auf dem Abstellgleis. Weder 2025 noch in den darauffolgenden Jahren sind Gelder eingeplant. Dieses „immense Investitionsvolumen“ sei aus heutiger Sicht unrealistisch: „Dann stecken wir das Geld lieber in unsere Berufsschulen“, so Prayon bevor er den Haushaltsentwurf für 2025 in den Kreistag einbrachte.
Der Bodenseekreis verfehlt im Jahr 2025 zum zweiten Mal in Folge, den Haushalt auszugleichen. Ausgaben steigen stärker als Einnahmen. Dabei ist eine Erhöhung der Kreisumlage um drei Punkte auf 33 Prozent schon eingepreist, wohl wissend, dass sich bei den 23 Kreiskommunen „die Begeisterung darüber in Grenzen hält“, so Prayon. Städte und Gemeinden klagen selbst über klamme Kassen.
Nur knapp 700 000 Euro bleiben für Investitionen übrig
Die Kreisverwaltung in Friedrichshafen plant den Haushalt für 2025 mit einem Fehlbetrag von 9,3 Millionen Euro. Besorgniserregend sei die geringe Summe, die selbst erwirtschaftet werden kann. Nur knapp 700 000 Euro bleiben für Investitionen übrig, so wenig wie seit 2016 nicht. Deshalb müsse der Landkreis Schulden machen, die sich binnen fünf Jahren auf 250 Millionen Euro bis zum Jahr 2027 verdreifachen, so der Ausblick von Kämmerer Daniel Dillmann. Deshalb müsse der Bodenseekreis Prioritäten setzen. Im Dezember startet eine Sparkommission mit ihrer Arbeit, die bis zum Sommer Vorschläge erarbeiten soll. Ein Punkt ist für den Landrat gesetzt: Die nächste Ausbaustufe im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) werde vorerst auf Eis gelegt.
So wie dem Bodenseekreis geht es vielen Landkreisen in Baden-Württemberg. 80 Prozent von ihnen könnten ihre Aufwendungen nicht mehr aus den laufenden Erträgen erwirtschaften, kritisierte der Präsident des Landkreistags, Joachim Walter (CDU), bei der Veröffentlichung des Kreisfinanzberichts 2024. Die Haushalte befänden sich „im freien Fall“, die kommunale Selbstverwaltung sei gefährdet, warnt der Landrat des Kreises Tübingen. 2025 werde sich die Lage dramatisch verschlechtern. Der Schuldenstand der Kreise werde um über eine Milliarde ansteigen.
Nicht die Konjunktur sei die Hauptursache für Finanzprobleme
Für diese Entwicklung gibt es zahlreiche Gründe, so die schwierige Konjunkturlage. Für Landrat Prayon liegt das Hauptproblem woanders. „Die Ausgaben, zumeist verordnet von Land und Bund, galoppieren davon. Mittelfristig wird die Lage noch schwieriger.“ Auch der Landkreistag macht die Schieflage der Kreisfinanzen daran fest, dass die Aufgaben der Kreise beständig ausgeweitet wurden, ohne dass die explodierenden Kosten durch Bund und Land ausgeglichen würden, Stichwort: Eingliederungs- und Jugendhilfe oder Krankenhausversorgung. Nun werden im Bodenseekreis andere Lösungen für die Platznot der Mitarbeiter gesucht. 200 000 Euro soll ein Gutachten kosten, um den Platzbedarf für die Beschäftigten zu ermitteln.
Der habe sich seit den Neubauplänen stark verändert, so Prayon. Viele Verwaltungsmitarbeitende nutzen Homeoffice – auch der Landrat. Selbst wenn die Untersuchung ergeben sollte, dass nicht genügend Arbeitsplätze vorhanden sind, gäbe es andere Möglichkeiten.
Erster Kreisfinanzbericht
Der im August dieses Jahres erstmals vorgelegten Kreisfinanzbericht des Landkreistags legt einen besonderen Fokus auf die finanziellen Entwicklungen im Sozialbereich sowie im Bereich der Krankenhäuser. Er macht deutlich, dass den Landkreisen außerordentlich schwierige und herausfordernde Zeiten bevorstehen. So sei der Zuschussbedarf für das Soziale in diesem Jahr mit 9,1 Prozent (plus 444 Millionen Euro) erneut extrem stark angestiegen, was vor allem an den höheren Eingliederungshilfeleistungen liegt.
Das Aufkommen aus der Kreisumlage reiche wiederum nicht aus, um den Sozialhaushalt zu finanzieren. Hier fehlen rund 161 Millionen Euro. Die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser in Baden-Württemberg sei dramatisch. Für das Jahr 2024 kalkulieren die Landkreise mit einem notwendigen Defizitausgleich in Höhe von 794 Millionen Euro.