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Den Kommunen fehlt eine Haftungsregel für E-Scooter
Stuttgart. Die Evaluierung der Bundesanstalt für Straßenwesen war von vorneherein geplant, nun hat das Bundesverkehrsministerium auf dieser Basis einen Referentenentwurf für neue Regeln zum E-Scooter vorgelegt. E-Scooter und Fahrräder sollen gleichgestellt werden. Roller-Fahrer können den Grünpfeil für den Radverkehr nutzen. Die Elektrokleinstfahrzeuge (eKF), bald mit Blinkern ausgestattet, sollen nebeneinander fahren dürfen, wenn das den Verkehr nicht behindert. Wo Schilder Gehwege, Fußgängerzonen oder Busfahrstreifen für den Radverkehr freigeben, gilt das auch für die E-Roller.
Beitrag zur Klarheit
Das Landesverkehrsministerium begrüßt die Gleichstellung der Verkehrsmittel als Beitrag zur Klarheit: eKF fahren nur dort, wo Radfahren erlaubt ist – und damit nicht auf Gehwegen. Andernorts sieht man das laut einer Umfrage des Staatsanzeigers unter den Großstädten des Landes kritischer. Wenn Schilder Fahrräder und damit E-Scooter auf Gehwegen erlauben, sei das eine Regel zulasten der Fußgänger. Besser wäre die Trennung des Scooter- und Radverkehrs von den Fußgängern, so Pforzheim und Stuttgart übereinstimmend.
Härtere Strafen
Viele Städte loben die Nutzung als Verkehrsmittel für die letzte Meile, doch berichten fast alle über regelwidriges Fahren und wildes Abstellen von Miet-Scootern. Den Städten in die Hände spielen dürfte die geplante Erhöhung des Verwarnungsgelds für Gehwegfahrt oder Mitfahrer. Für Wildparker hatte Tübingens OB Boris Palmer (parteilos) im September 2023 den drei örtlichen Betreibern (je 200 Fahrzeuge) Strafzettel angekündigt. Kaum 20 Strafzettel kamen zusammen, so die Verwaltung.
Gefährdungshaftung fehlt
Nicht angepasst wird die Gefährdungshaftung. Wer schuldlos durch einen E-Scooter zu Schaden kommt, muss dem Scooter-Fahrer ein Verschulden nachweisen, damit die Versicherung Schadenersatz bezahlt, denn E-Scooter fahren nicht schneller als 20 Stundenkilometer. Das kritisiert der Städtetag Baden-Württemberg. Das Thema wurde zuletzt brisant. 2023 stiegen die Unfälle mit E-Scootern, bei denen Menschen zu Schaden gekommen sind, bundesweit um 14,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Unter 25-jährige E-Scooter-Fahrer verunglücken laut Statistischem Bundesamt häufiger, 2023 betrug ihr Anteil 41,6 Prozent. Die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin Susanne Nusser spricht von einer erhöhten Risikobereitschaft sowie fehlender Erfahrung bei jungen Verkehrsteilnehmern: ein Argument für die Gefährdungshaftung.
Heilbronn setzt auf Geofencing
Städte schließen mit kommerziellen E-Scooter-Anbietern Verträge, etwa über gedrosseltes Tempo ab oder über Zonen, wo die Roller ausgebucht werden können. Per Geofencing, eine Standortkontrolle, die über die Funktion des E-Scooters entscheidet, lassen sich Regelungsmechanismen durchsetzen, erklärt Nusser. Diese Technologie nutzt Heilbronn. An 20 Sharingstationen für E-Scooter, besonders an Haltestellen oder dem Frankenstadion, müssen die Roller abgestellt werden. Ein GPS-Signal des Anbieters verhindert im Umkreis von 100 Metern das Parken und Bezahlen. Der Gebührenzähler tickt also weiter, zwei Stunden lang für 27 Cent pro Minute plus 25 Euro Strafe.
Rechtsgrundlage gefordert
Allerdings seien solche Vereinbarungen nicht gegen den Willen der Anbieter möglich. „Wir brauchen eine Rechtsgrundlage, mit der wir Geofencing und andere Regulierungen durchsetzen können“, fordert Nusser.
Sondernutzungsanordnung
Zur Regulierung setzte Mannheim auf freiwillige Vereinbarungen mit seinen drei E-Scooter-Anbietern. Nun soll eine Sondernutzung eingeführt werden. Die Stadt arbeitet mit dem Verkehrsverbund Rhein-Neckar an einer Leitlinie für strengere Vorschriften zur Reaktion der Anbieter auf Beschwerden. Abstellflächen in gefragten Bereichen und die Pflicht zur Foto-Dokumentation durch Nutzende bei Ende der Ausleihe seien geplant. Statt der bisher 3000 Roller sollen nur noch 2000 erlaubt sein.
Wichtiges Urteil
Auch Heidelberg arbeitet an Sondernutzungsvereinbarungen. Die Stadt bezieht sich auf das Oberverwaltungsgericht Münster, nach dem das Abstellen von Miet-Scootern den Gemeingebrauch übersteigt. Im Vordergrund stehe der verkehrsfremde Zweck, den Abschluss eines Mietvertrags zu bewirken, sagten die Richter im Oktober (11 A 339/23). Auch das Landesverkehrsministerium fordert, dass die Leihsysteme der Sondernutzung unterliegen.
Anreiz für Rollerverteilung
In Stuttgart gilt bereits eine Sondernutzungserlaubnis für die vier Unternehmen und die insgesamt bis zu 6000 E-Scooter. Dort werden auch Gebühren verlangt. Pro Monat und Fahrzeug werden je nach Abstellzone zwischen 7,50 und 4,50 Euro fällig. Damit soll der Anreiz wachsen, Roller auch außerhalb der Kernzone zu verteilen.
Baden-Baden hat keine Miet-E-Scooter
Wie viele Miet-E-Scooter in Baden-Württemberg fahren, ist unklar, das Landesverkehrsministerium hat keine Zahlen dazu. Allerdings ist klar, wie viele in Baden-Baden unterwegs sind: keine. Die Kurstadt an der Oos hatte bis zur Corona-Zeit regelmäßig Anfragen verschiedener E-Scooter-Vermieter erreicht. Die Verwaltung hatte stets auf die Besonderheiten Baden-Badens hingewiesen, etwa die Altersstruktur der Bevölkerung – das Durchschnittsalter von 47 Jahren liegt 3,2 Jahre über dem Landesdurchschnitt –, den Welterbestatus der historischen Kureinrichtungen oder die bergige Lage in einem Schwarzwaldtal. Seit dem Ende der Corona-Zeit habe es keine weiteren Anfragen der Verleihfirmen gegeben.