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„Den Bürgern ist eine intakte Landschaft sehr wichtig“
Thomas Bopp : Wir schreiben den Regionalplan fort, um Vorranggebiete für Windkraftanlagen und Fotovoltaikanlagen auszuweisen. Die gesetzlichen Flächenvorgaben von mindestens 1,8 Prozent der Regionalfläche für Windenergie und 0,2 für Fotovoltaikanlagen erreichen wir, obwohl das in einer so dicht besiedelten Region wie Stuttgart eine Herausforderung ist. Wir müssen windhöffige Gebiete definieren und dabei Abstandsgeboten, dem Schutz der Landschaft und der Kulturdenkmäler gerecht werden. Wir verzichten auf Standorte in Flora-Fauna-Habitat-Gebieten, öffnen aber die regionalen Grünzüge an den richtigen Stellen. Dass das Klimaschutzgesetz diese generell zur Disposition stellt, ist ein Fehler.
Warum? Brauchen wir keine Windkraft?Regenerative Energien sind für die Energiewende unverzichtbar. Auch in unserer Region muss Strom für die Wirtschaft erzeugt werden. Allerdings möchten die Menschen von Windrädern nicht umzingelt werden. Wenn aber das Klimaschutzgesetz Grünzüge für Windkraft generell öffnet, ist keine regionale Steuerung möglich und die Bürger können nicht einschätzen, wo Anlagen hinkommen und wo nicht. Das erschwert die Akzeptanz. Das sieht das Umweltministerium aber anders.
Wie weit ist die Fortschreibung?Die erste Offenlage hat 6500 Einwendungen gebracht, die wir nun abarbeiten. Aktuell haben wir 2,6 Prozent der Region-Fläche als Vorranggebiet vorgesehen, damit wir sicher über die 1,8 Prozent kommen. Die neue Regionalversammlung wird eine weitere Offenlage im Herbst beschließen. Die zwölf Regionen des Landes wollen bis September 2025 in geänderten Regionalplänen die Vorranggebiete liefern. Übrigens, an der fehlenden Regionalplanung ist noch keine Genehmigung für eine Windkraftanlage gescheitert, da waren andere Faktoren entscheidend.
… etwa Bürgerentscheide, die Kommunen verbieten, eigene Grundstücke für die Windkraft zu verwenden.Obwohl es für Gemeinden lukrativ ist, Pacht aus Windkraftstandorten einzunehmen! Deshalb wünschen sich manche auf Gemeindegrundstücken eine entsprechende Planung. Allerdings gilt für die Regionalplanung : Wir schauen nicht ins Grundbuch.
Wie geht die Regionalplanung mit den Freiflächen-Fotovoltaikanlagen um?Es wäre sicher besser gewesen für die Region, wenn wir das Flächenverhältnis zwischen Windkraft und Sonnenenergie selbst bestimmen könnten. Nach meiner Ansicht gehören PV-Anlagen zuerst auf Dächer und an die Ränder der Verkehrswege. Wir planen statt mit den vorgeschriebenen 0,2 Prozent mit einem Flächenanteil von 0,7 Prozent. Aber wir müssen darauf achten, dass wir unsere in Jahrhunderten gewachsene Kulturlandschaft nicht auf einen Schlag kaputt machen. Den Bürgern ist eine intakte Landschaft sehr wichtig, das hat eine Umfrage ergeben. Ich möchte mir nicht vorstellen, dass Winzer in den Steillagen statt Öchsle Elektrizität produzieren.
Sie beziehen sich auf die Bürger-Akzeptanz für Ihre Planung. Bei der Planung von Gewerbegebieten fehlt sie aber oft.Die Akzeptanz gegenüber Gewerbegebieten ist überraschend gering, besonders gegenüber Vorhaltestandorten. Diese weisen wir aus, damit wir bei Anfragen von Unternehmen nicht neu planen müssen, da wäre unter fünf Jahren gar nichts zu machen. Flächen für Vorhaltestandorte findet man nicht in den Zentren, es gibt sie aber in den kleineren Orten.
Sind dort die Menschen skeptischer gegenüber Gewerbeansiedlungen?Wenn Firmen wie Porsche nach Münchingen oder Cellcentric nach Weilheim kommen wollen, haben Sie hohe Zustimmungswerte. Es ist aber für viele eine unverdauliche Pille, wenn unklar ist, wer sich ansiedeln wird. Für die Transformation unserer regionalen Wirtschaft brauchen wir aber erst neue Gebiete, bevor wir freigewordene Flächen recyceln können. Wichtig ist, dass wir das produzierende Gewerbe hier halten, denn wenn das abgewandert ist, wird es schwer, dies auszugleichen. Deshalb unterstützen wir kleine Kommunen auch finanziell, um Standorte zu sichern.
Die Region ist für die S-Bahn zuständig. Dort sind nur noch 89 Prozent der Züge pünktlich, so wenig wie seit fünf Jahren nicht mehr. Wie erklären Sie sich das?Wir sind darüber verärgert und kön nen die Unzufriedenheit der Fahrgäste voll und ganz verstehen. Für die Verspätungen gibt es verschiedene Gründe, Menschen im Gleis, veraltete Infrastruktur. Und es gibt die Baustellen. Diese, auch für Stuttgart 21 und den digitalen Schienenknoten, sind unverzichtbar, weil sie Fortschritt bringen. Außerdem enden sie absehbar. Manche Bauverzögerung hatte auch ihr Gutes . Als der damalige Bahn-Vorstand Jürgen Pofalla 2018 angekündigt hatte, die Fertigstellung werde sich bis 2025 verzögern, habe ich spontan gefordert, auch die S-Bahn solle eine digitale Steuerung erhalten.
Damit haben Sie aber noch eine weitere Baustelle aufgemacht.Das kann man so sehen, aber wir haben keine andere Chance, die Kapazität der S-Bahn zu erhöhen: Eine weitere Stammstrecke können wir im engen Stuttgart nicht bauen. Damals war das ein Pilotprojekt, es gab Geld vom Bund, und ich bin der Regionalversammlung sehr dankbar für ihren Mut, mit dem sie die Digitalisierung der S-Bahn beschlossen hat. Wir haben 68 neue Fahrzeuge bestellt und rüsten die vorhandenen um. So können wir die Entwicklung der Digitalisierung und deren Effizienzgewinne mitnehmen. Das ist für mich einer der größten Erfolge meiner Amtszeit als Vorsitzender der Region.
Diese neigt sich dem Ende entgegen, Sie werden der neuen Regionalversammlung nach 30 Jahren nicht mehr angehören, weil Ihre Partei, die CDU, Sie nicht aufstellt. Sind Sie noch Parteimitglied?Selbstverständlich.
Sie müssen die Spitzenkandidatur Frank Nopper überlassen. Was unterscheidet Sie vom Stuttgarter Oberbürgermeister?Neben meiner hauptberuflichen Tätigkeit als Architekt und weiterer Ehrenämter kann ich mich voll auf die Region konzentrieren. Ein Oberbürgermeister ist im Hauptamt seiner Stadt verpflichtet.
Wer wird Ihr Nachfolger?Das entscheidet die neue Regionalversammlung voraussichtlich am 18. September. Die konstituierende Sitzung wählt dann ein Mitglied aus ihren Reihen. Bis dahin erfülle ich selbstverständlich meine Aufgaben als Vorsitzender der Region. Was danach kommt, wird sich zeigen. Ich habe ein Architekturbüro, wandere gerne und sammle Kunst – mir wird also nicht langweilig.
Zur Person
Thomas Bopp ist seit 1994 Mitglied der Regionalversammlung und übt als Nachfolger von Jürgen Fritz seit 2007 das Ehrenamt des Verbandsvorsitzenden aus. Dreimal wurde er im Amt bestätigt, zuletzt allerdings nur knapp gegen den grünen Regionalrat André Reichel. Der 71-jährige Christdemokrat aus Stuttgart rückte 2008 für den Parteifreund und ehemaligen Staatsminister Christoph Palmer in den Landtag nach, bei der Wahl 2011 verlor er das Mandat.
Bopp ist ein ausgewiesener Befürworter von Stuttgart 21 und propagierte den Bau bei den Schlichtungsgesprächen, die Heiner Geißler zwischen 2010 und 2011 moderierte. Auch die Bauausstellung IBA’27 machte der hauptberufliche Architekt zum Verbandsthema.