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Interview

Städtetagspräsident Frank Mentrup: „Das Sondervermögen ist eine gute Entscheidung“

Im Januar hat der Städtetagsvorstand den SPD-Oberbürgermeister von Karlsruhe, Frank Mentrup, im Präsidentenamt bestätigt. Damals hatte der Wahlkampf Deutschland im Griff, nun haben CDU und SPD den Anstoß zu einem großen Schuldenpaket gegeben, von dem auch die Kommunen profitieren könnten.

Frank Mentrup hofft, dass möglichst viele Milliarden des Sondervermögens auch bei den Kommuen ankommen.

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Staatsanzeiger:

Nach der Entscheidung zur Schuldenbremse und dem 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen müssten bei Ihnen die Sektkorken knallen …

Frank Mentrup:

Das Sondervermögen für Infrastruktur ist sicher eine gute Entscheidung, weil sie Handlungsfähigkeit schafft. Wir als Kommunen sehen den jährlich 1,1 Milliarden in Baden-Württemberg freudig entgegen. Uns fehlt noch die Gegenrechnung, was wir für die neue Koalition verlieren. So würde etwa die Verringerung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie den Kommunen in Baden-Württemberg Hunderte von Millionen Euro entziehen. Das Piccolo-Fläschchen ist kaltgestellt, der Korken bleibt aber noch drin.

Nach dem Königsteiner Schlüssel kämen 13 Milliarden Euro nach Baden-Württemberg. Was kommt bei den Kommunen an?

Wenn Geld ans Land geht, heißt das noch lange nicht, dass es dann auch bei uns landet. Die Forderung muss sein, die 1,1 Milliarden jährlich über zwölf Jahre komplett an die Kommunen durchzureichen. Zumal gerade der Bund in der Vergangenheit viele Programme beschlossen hat, bei denen wir im Moment mehr Kosten tragen als wir erstattet bekommen, etwa bei der Ganztagsbetreuung oder beim Bundesteilhabegesetz. Dafür kann das Sondervermögen nicht eingesetzt werden, aber es würde bei den Investitionen einen Ausgleich schaffen, wo uns der Bund durch seine Gesetze im Ergebnishaushalt die Luft abschnürt.

Das wäre dann aber ein großer Gewinn für die Kommunen.

Wichtig ist, dass der Verweis auf die Schuldenbremse nicht mehr alles ausbremst, was an Investitionen absolut nötig ist, insbesondere Schulen, Kindertagesstätten und andere soziale Infrastruktur. Auch wurde die Chance genutzt, noch eine Zweidrittelmehrheit zu organisieren. Das finde ich sehr bemerkenswert nach all dem Hickhack der vergangenen Monate. Dass wir als Kommunen zu den Gewinnern gehören, das muss noch geklärt werden.

Das Geld darf laufende Kosten nicht finanzieren, obwohl diese Kommunen stark belasten. Wie sehr ärgert Sie das?

Wir haben viele Sanierungen und Programme geplant, die wir als zusätzliche Kosten einbringen könnten. Es wäre wünschenswert, dass wir das Geld unkompliziert und direkt bekommen. Das war 2009 beim Konjunkturpaket nach der Finanzmarktkrise schon mal möglich und hat enorm geholfen: keine aufwendigen Anträge, eine 100-Prozent-Finanzierung. Was viele vergessen: Bei einer komplementären Finanzierung selbst mit nur zehn oder 20 Prozent können Kommunen das Geld oft gar nicht mehr aufbringen. Die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen bleibt ja bestehen.

Kommunen klagen über eine strukturelle Unterfinanzierung, die durch ein Sondervermögen nicht behoben wird. Müsste man weiterhin über die Finanzbezieh ung zwischen Land und Bund reden?

Absolut, das eine wäre so eine Art aktuelle Notfallhilfe. Dauerhaft kann es nicht sein, dass wir 25 Prozent der Leistung erbringen und bloß 14 Prozent der Einnahmen haben. Das mag zuzeiten der Hochkonjunktur ausreichen, aber wir erleben ja gerade, dass die Einnahmen weit hinter der Ausgabenentwicklung zurückliegen und wir auch noch permanent zusätzliche Aufgaben bekommen. Wir fordern ja deshalb einen höheren Mehrwertsteueranteil für die Kommunen. Mit der Forderung, alle Finanzbeziehungen auf den Prüfstand zu stellen, tue ich mich ein bisschen schwer, denn da diskutieren dann große Arbeitsgruppen über mehrere Jahre miteinander. Wir brauchen stattdessen zügig sehr pragmatische Lösungen, sonst werden wir zunehmend Aufgaben abbauen, und zwar auch solche, zu denen wir sogar gesetzlich verpflichtet wären. Mit dem Personalabbau fangen wir jetzt schon an.

Beim Recht auf Ganztagsbetreuung an den Grundschulen fragen Kommunalverbände nach der Notwendigkeit. Wie sehen Sie das?

Bildungs- und gesellschaftspolitisch ist die Forderung nach einer verlässlichen Ganztagsbetreuung unerlässlich. Diese aber ab 2026 stufenweise und verpflichtend aufzubauen, setzt uns sehr unter Druck, besonders bei der Finanzierung des laufenden Betriebs. Die nötigen Investitionen müssen wir erst einmal tätigen, sodass wir noch nicht alles pünktlich hinbekommen, was wünschenswert wäre. Trotzdem wäre es ein Jammer und politisches Versagen, wenn man ein seit Jahren bekanntes Ziel nicht gemeinsam erreichen könnte. Allerdings sind hier noch viele Regularien, Verordnungen und Zuständigkeiten zu klären, womit sich das Land sehr schwertut.

Beim geplanten Regelungsbefreiungsgesetz, bei dem Kommunen von bestehenden Regeln nach Antrag abweichen können, sollen offenbar die Verbände die Anträge bündeln.

Nach aktuellem Diskussionsstand könnten Verbände solche Anträge mit einer landesweiten Wirkung stellen. Daher wäre es nicht besonders hilfreich, wenn kleine Gemeinden Befreiungen zur selben Regelung, aber mit unterschiedlichen Begründungen beantragen könnten. Ich könnte mir vorstellen, dass wir die Ministerien und damit die rechtlichen Bereiche zwischen den kommunalen Landesverbänden aufteilen.

Wären Sie als Verband dafür aufgestellt?

Das hängt von der Komplexität des Antragsverfahrens ab. Wenn wir ein einfaches digitales Verfahren bekommen, sehe ich gute Chancen, das hinzubekommen. Und das vielleicht sogar so transparent, dass ich sehen kann, ob zum selben Thema schon jemand einen Antrag gestellt hat. Und da ja auch eine Genehmigungsfiktion vorgesehen ist, wenn das Ministerium nicht rechtzeitig reagiert, wäre das eine Chance für Experimente. Das bedeutet zwar mehr Risiko, aber ich glaube, die Geduld ist bei allen mittlerweile so am Ende, dass es eine Bereitschaft gibt, die Dinge in die eigene Verantwortung zu nehmen.

Was sagen Gemeinde- und Landkreistag dazu, wenn die Verbände für bestimmte Ministerien zuständig sind?

Ich habe das schon angesprochen, und manche finden die Idee irgendwie ziemlich sexy. Doch ist jetzt erst mal der Landtag am Zug. Insgesamt gibt es bei allen Verbänden eine gewisse Skepsis, ob das Regelungsbefreiungsgesetz ernst gemeint ist oder bloß eine Chimäre, eine große Beruhigungspille ohne Effekt. Der Städtetag will die Chance nutzen, hier proaktiv und produktiv ganz viel anzusprechen und zu öffnen. Wir kommen in den Vorwahlkampf zur Landtagswahl im März 2026 und der Ministerpräsident hat speziell dieses Thema zu seinem großen politischen Projekt gemacht. Wenn es alle ernst nehmen, ist da echt Musik drin.

Das Interview führten Rafael Binkowski, Leonie Henes und Peter Schwab

Leonie Henes (von links), Peter Schwab und Rafael Binkowski haben Frank Mentrup in Stuttgart getroffen.

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