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Bürgermeister: Wie Gemeinden nach guten Kandidaten suchen
LUDWIGSBURG. Was, wenn der langjährige Bürgermeister in den Ruhestand geht und geeignete Nachfolger weit und breit nicht in Sicht sind? In den vergangenen Jahren haben Gemeinden nach Auswegen aus dieser Misere gesucht. Pionier in Baden-Württemberg war die Gemeinde Empfingen im Landkreis Freudenstadt. Bereits im Jahr 2017 wurde hier mit einem riesigen Banner an der Autobahn A 81 und einem Imagefilm für das vakante Bürgermeisteramt geworben.
Die Gemeinden Jagstzell und Tannhausen (beide Ostalbkreis) folgten dem Beispiel. Studierende der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg haben die Werbekampagnen untersucht und dabei die Hintergründe zusammengetragen.
Die Wahlbeteiligung war in Jagstzell so hoch wie nie zuvor
In Jagstzell wurde für die Kampagne „Jagstzell sucht“ eine Werbeagentur beauftragt, welche die Website und Social-Media-Kampagne gestaltet hat. Bei der Wahl im September 2021 traten drei Kandidaten an, ein Dauerkandidat und zwei mit ernstzunehmenden Absichten: Patrick Peukert, Bankbetriebswirt aus Ellwangen, und Monika Rettenmaier, Hauptamtsleiterin aus Jagstzell. Zwischen beiden gab es ein enges Rennen, aus dem Peukert als Sieger hervorging. Die Wahlbeteiligung war mit 83,28 Prozent die höchste jemals in Jagstzell gemessene. Allerdings fand sie am Tag der Bundestagswahl statt und die Wahlbeteiligung war schon bei der vergangenen Wahl 2013 mit 78,9 Prozent relativ hoch.
Auch in Tannhausen hatten Gemeinderäte eine Agentur beauftragt, die die Kampagne „Mach’s fabelhaft!…werd Bürgermeister*in“ gestaltete. Damit wollten sie auf die Bürgermeisterwahl in der knapp 2000-Einwohner-Kommune aufmerksam machen und mögliche Kandidaten erreichen. Neben der Website wurde auch eine Instagram-Kampagne gestartet, wodurch der spätere Bürgermeister Siegfried Czerwinski, Diplomverwaltungswirt aus Wesel in Nordrhein-Westfalen, auf die Gemeinde aufmerksam wurde. Insgesamt traten sechs Kandidaten an.
In Empfingen hatte 2017 der Bürgermeister nach 30 Jahren im Amt seinen Ruhestand angekündigt. Um einen geeigneten Kandidaten zu finden, wurde zum einen an der Autobahn ein über 60 Quadratmeter großes Banner mit der Aufschrift „Empfingen sucht Bürgermeister/in“ und darunter ein Plakat mit der Aufschrift „Interesse?“ aufgehängt. Zudem zeigt die Kampagnen-Homepage einen dreiminütigen Zeichentrick-Werbefilm, in dem sich die Gemeinde vorstellte. Zur Wahl traten 13 Personen an. Aber: Lediglich ein Bewerber, Ferdinand Truffner, hatte bereits Erfahrungen in der öffentlichen Verwaltung. Er gewann die Wahl mit 83,84 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang.
Etwas anders gelagert war der Fall in Achstetten (Landkreis Biberach) im vergangenen Jahr. Der bisherige Bürgermeister trat nach 24 Jahren im Amt nicht mehr an. Allerdings gab es wenige Tage vor Bewerbungsschluss noch keine Kandidaten, sodass der Gemeinderat über die Medien Alarm schlug. Radio- und Fernsehsender berichteten, zudem wurden Stellenanzeigen in Zeitungen veröffentlicht. Anstelle einer Kampagne kam es so zu kostenloser Werbung, weshalb sich schließlich 19 Personen bewarben, allerdings waren sieben Bewerbungen ungültig.
Die erforderliche Neuwahl gewann Dominik Scholz (CDU) mit 56,5 Prozent der Stimmen. Zuvor war er Bankkaufmann bei der Sparkasse Ulm. Die Wahlbeteiligung lag bei 51,24 Prozent.
Viele Maßnahmen eher im Bereich des Standortmarketings
In qualitativer Hinsicht hätten die Werbemaßnahmen die gesteckten Erwartungen nicht erfüllt, heißt es in der Zusammenfassung des Fachprojekts, das der Bürgermeister von Schechingen, Stefan Jenninger, geleitet hat. „Zwar gab es – mit einer Ausnahme – ein überdurchschnittlich breites Kandidatenfeld von vier bis zwölf Bewerbern. Jedoch wurden diese Bewerber überwiegend als fachlich ungeeignet angesehen.“
Die Studierenden befragten auch die Wahlsieger selbst: Sie sahen die Werbemaßnahmen mit gemischten Gefühlen. So gab es eine größere Aufmerksamkeit für die Wahlen, wodurch der Wahlkampf teilweise erschwert und teurer wurde. Letztendlich hätten sie sich mit Ausnahme des Wahlsiegers in Tannhausen auch ohne die Werbung beworben.
Für die Kommunen hätten sich die Maßnahmen eher im Bereich des Standortmarketings ausgezahlt. „Die Gemeinden wurden durch die kreativen Ansätze bekannter und konnten dabei ihr Image verbessern“, lautet das Fazit der Studierenden. Zudem führte die Werbung zu einer geringfügig höheren Wahlbeteiligung als bei vergleichbaren Wahlen ohne Werbemaßnahmen.
Für ein qualitativ hochwertiges Bewerberfeld bei Bürgermeisterwahlen empfehlen die Studierenden den traditionellen Ansatz: Fachlich und persönlich geeignete Personen aus dem Gemeinderat oder den örtlichen Parteien ansprechen und zu einer Kandidatur motivieren.
Das Budget betrug zwischen 10 000 und 15 000 Euro
Alle Gemeinden wollten mithilfe der Werbung fachlich geeignete Kandidaten gewinnen. Überwiegend kam der Anstoß für die Maßnahmen aus dem Gemeinderat, in einem Fall aus der Bürgerschaft. Dafür wurde ein Budget zwischen 10 000 und 15 000 Euro eingesetzt. Lässt sich die Aufmerksamkeit wie in Achstetten über die Medien oder eigene Social-Media-Kanäle verbreiten, kann die Werbung mit einem wesentlich geringen Budget gelingen. Als Vorlauf für eine geplante Werbekampagne wurden fünf bis sechs Monate genannt.