Themen des Artikels
Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen
Brauchen Bewerber einen Bürgermeister-Macher?
Stuttgart. Als Bernd Hinderer 1996 begann, Bürgermeisterkandidaten ins Amt zu verhelfen, sei er bundesweit der erste Profi mit diesem Angebot gewesen. Im Laufe der Jahre kamen andere Anbieter dazu, zwischenzeitlich existieren im Südwesten neben weiteren Einzelkämpfern etliche Agenturen, die auch Bürgermeisterwahlen im Portfolio haben.
Mit einem externen Team aus Grafiker, Webmaster und Social-Media-Profi bekommen Hinderers Kunden einen Rundumservice. Letztlich entscheidend sei jedoch das Coaching des Kandidaten sowie die auf den Ort seiner Wahl abgestimmte Strategie – für Hinderer das wesentliche Element eines erfolgreichen Wahlkampfs. Dazu gehöre, dass er die Reden seiner Kunden schreibe und den Vortrag trainiere.
Abberger entwirft das Drehbuch für eine Wahlkampagne
Ein weiterer bekannter Berater ist Klaus Abberger, der in 25 Jahren 250 Wahlkampagnen begleitet hat, der aber die Bezeichnung Bürgermeister-Macher vermeidet. „Nicht ich, sondern die Wähler machen den Bürgermeister“, sagt der 56-Jährige. „Dienstleister wie ich können allenfalls nachhelfen, auf dass die Wähler den Richtigen zum Bürgermeister wählen.“ Die Stunde kostet bei Abberger ab 95 Euro aufwärts.
Letztlich hingen die Gesamtkosten vom Umfang der erbrachten Leistungen ab – diese reichen bei Abberger von Coaching und Beratung über taktisch-strategische Assistenz, Pressearbeit, das Erstellen von Werbemitteln bis hin zu Webassistenz und Redetraining. Er entwirft das Drehbuch für eine Wahlkampagne und führt „diskret im Hintergrund Regie“.
Beraterkosten schränken Personen ein, die keine Rücklagen haben
In einem Wahlkampf können für Berater schnell 10 000 Euro und mehr fällig werden, was nicht jeder Bewerber einfach so stemmen kann. Da stellt sich die Frage, ob es auch ohne Hilfe geht.
Paul Witt, ehemaliger Rektor der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl, ist der Ansicht, dass ein Kandidat auch ohne professionelle Hilfe einen Wahlkampf bestreiten kann – ohne die Unterstützung von Helfern ginge es aber nicht. Wichtig sei, dass Bewerber sich nicht verbiegen ließen.
Klar ist, die Beraterkosten schränken Personen ein, die keine Rücklagen haben. Wahlkampfberater Erich Holzwarth aus Stuttgart rät allen davon ab, sich für eine Kandidatur zu verschulden.
Abberger schätzt, dass sich rund jeder dritte Bürgermeisterkandidat beraten lässt. Hinderer geht sogar davon aus, dass fast jeder Bewerber, der es ernst meint, Hilfe einkauft, und fügt hinzu: „Letztlich sorge ich als Wahlkampfberater dafür, dass auch andere Bewerber einen brauchen, wenn sie eine Chance haben wollen.“
Hinderer wünscht sich Lokaljournalist als Nachfolger
Die Berater bestätigen, dass die Wichtigkeit von Social-Media-Auftritten mit der Ortsgröße zunehmen würde. Dementsprechend habe sich die Zahl der Kanäle erhöht, die Kandidaten bedienen müssten. Sven Kadegge hat mit der Agentur „Plus x“ unter anderem den Wahlkampf von Boris Palmer 2022 in Tübingen begleitet. Für ihn sind die neuralgischen Punkte auf dem Weg zum Wahlsieg die Verkündung der Kandidatur und die offizielle Kandidatenvorstellung. Bei diesem Termin allein könne man zwar keine Wahl gewinnen, aber sehr wohl eine verlieren, erklärt der 30-Jährige.
Für Wulf Wager ist es wichtig, die Bewerber authentisch darzustellen und sie nicht zu verbiegen. „Das darf keine Glorifizierung einer Person sein.“ Auf der anderen Seite könne man aus einem schlechten Kandidaten auch keinen guten machen. Wager begleitet mit seiner gleichnamigen Agentur und fünf Mitarbeitern in Altenriet seit vielen Jahren Bürgermeisterwahlen. „Bürgermeister haben meist eine verwaltungsnahe Ausbildung. Sie wissen, wie man mit der Verwaltung und mit Menschen umgeht, sie wissen aber meist nicht, wie man sich selbst vermarktet.“ Deshalb brauchten sie Profis, die sie in diesem Bereich unterstützen, erklärt Wager .
In Gomadingen deutet sich allmählich ein Generationenwechsel an: Dort ist Hinderer seit einiger Zeit auf der Suche nach einem Nachfolger für sein „Wahlbüro Südwest“. Ein Lokaljournalist würde für den Job wohl die besten Voraussetzungen mitbringen, ist sich der 74-Jährige sicher.
Stiftungen und Institute bieten Bewerbern Orientierung
Das Landesbüro der Friedrich-Ebert-Stiftung veranstaltet zweimal im Jahr ein Tagesseminar, bei dem die Teilnehmenden die Möglichkeit bekommen, mit einem Bürgermeister in den direkten Erfahrungsaustausch zu gehen und Fachfragen zu stellen. Ähnliche Angebote gibt es auch von der Konrad-Adenauer-Stiftung .
Die Kehler Akademie bietet Interessierten ebenfalls einen Überblick über das Amt.