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Bordellbetreiber bangen um den Bestandsschutz
Stuttgart. Der Zweite Weltkrieg und die Nachkriegszeit haben ihre Wirkung auf die Stuttgarter Innenstadt voll entfaltet. Kaum ein Haus ist älter als 80 Jahre. Die wenigen wirklich historischen Gebäude stehen meist so vereinzelt, dass sie selten ein historisches Quartier bilden. Mit einer Ausnahme: Im Leonhardsviertel am Rande der City reihen sich Fachwerkhäuschen und Barockgebäude Dach an Dach. Doch es gibt aus Sicht der Landeshauptstadt ein Problem: Die historischen Straßenzüge bilden den Rotlichtbezirk.
Dies ist der Stadt schon länger ein Dorn im Auge, nun möchte sie der Lage mit einem Bebauungsplan beikommen, durch den in den Straßen das Rotlicht ausgehen soll. Laut Entwurf sind neben Wettbüros Bordelle und ähnliche Betriebe tabu. Erlaubt sind dagegen Clubs und Diskotheken. Das Rotlichtviertel soll Wohnungen nicht im Wege stehen und sich zur Ausgehmeile mausern. Es soll so einem Wandel folgen, den die Stadt mit dem Umbau eines angrenzenden Parkhauses und der Errichtung eines ambitionierten Film- und Medienhauses einleiten möchte. Im Planentwurf finden sich einige Erwägungen, warum die Landeshauptstadt ganz hoffnungsfroh ist, was die Zielerreichung anbetrifft.
Landeshauptstadt sieht keinen Anlass für den Milieu-Schutz
So arbeitet die Verwaltung heraus, warum sie keinen Anlass für einen Milieuschutz sieht. Nach ihren Erhebungen leben 45 Prozent der Bewohner nicht länger als drei Jahre im Quartier. Von einem typischen Milieu mit einem großen und stabilen Einwohner-Kern könne keine Rede sein. Auch die Gefahr der Gentrifizierung sehen die Planautoren nicht. Zwar verschwinden Bordelle, aber Clubs und Discos seien laut genug, dass aus dem Leonhardsviertel kein hochpreisiges Wohnquartier werde.
Allerdings hat die Planung einen Haken, und der heißt Bestandsschutz. Auf diesen pochen Bordellbetreiber. Die Stadt hatte bei verschiedenen Anlässen schriftlich mitgeteilt, dass der Betrieb zumindest nicht an einer fehlenden Genehmigung für die Bordelle scheitern würde. Das war auch deshalb nicht nötig, weil für Bordellbetriebe bisher nur eine Ortsbausatzung von 1935 galt, die Genehmigungen offenbar nicht vorsah. Diese Lücke soll der neue Bebauungsplan schließen, die Regeln würden aber so nicht für bestehende Betriebe gelten.
LBO-Neufassung widersprich den Absichten Stuttgarts
Dem Durchgriff steht die Landesbauordnung (LBO) im Weg, genauer deren geplante Neufassung. Das zentrale Regelwerk für das Verwaltungshandeln im Lande, was das Bauwesen angeht, wird momentan überarbeitet, um schnellere Genehmigungen zu erreichen. Das zuständige Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen nimmt dabei auch den Bestandsschutzparagrafen 76 der LBO in den Blick. Demnach sollen bauliche Anlagen auch dann Bestandsschutz genießen, „wenn sie zum Zeitpunkt ihrer Errichtung dem geltenden Recht entsprochen hat oder wenn die bauliche Anlage zu einem späteren Zeitpunkt hätte genehmigt werden können.“ Darauf würden die Bordellbetreiber im Leonhardsviertel pochen, wie es aus dem Ministerium heißt.
Entwurf könnte Rechtsprechung kassieren
Ein solches Gesetz würde gleichzeitig die jüngste Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofs kassieren, der für den Bestandsschutz mindestens eine Baugenehmigung voraussetzt. Diese Rechtssprechung hatte auch die Landeshauptstadt für den Bebauungsplan inspiriert, fehlte den Bordellbetrieben doch die Erlaubnis.
Kritik an der geplanten Gesetzesänderung übt der Städtetag. Er warnt vor der Einschränkung der kommunalen Planungshoheit durch den erweiterten Bestandsschutz-Begriff, so Dezernent Sebastian Ritter. Wenn eine Stadt den Fehler begeht und einen Bau, eine Anlage oder einen Betrieb ohne Genehmigung zulässt, könne das nicht in einen Bestandsschutz für alle Zeiten münden.
Ministerium hat keinen endgültigen Formulierungsvorschlag
Dagegen wollte die Landesregierung mit der Formulierung den Bestandsschutz so regeln, dass der Um- und Ausbau bestehender Gebäude einfacher werde. Den Grünen sei es um mehr Wohnraum gegangen, so deren Sprecherin für Bauen und Wohnen, Cindy Holmberg. Die Situation in Stuttgart werde aber berücksichtigt. Wie das Bauministerium den Spagat schafft, ist unklar. Einen aktuellen Formulierungsvorschlag für den Bestandsschutzparagrafen könne das Haus nicht liefern, die Entwicklung sei fließend, so ein Sprecher.
Wie entscheidet der Rat?
Über den Bebauungsplan wird der Stuttgarter Gemeinderat voraussichtlich in der letzten Sitzung vor Weihnachten am 19. Dezember entscheiden, wahrscheinlich gibt es eine Mehrheit für das Rotlichtverbot, ist von verschiedenen Fraktionen zu hören. Gegen die Satzung steht die CDU. Sie befürchtet, dass sich das Gewerbe lose auf die Innenstadt ausdehnt, wenn der Rotlichtbezirk endet. Die Grünen dagegen wollen mit der Satzung städtebauliche Ziele inklusive urbanem Wohnen verwirklichen.