Themen des Artikels

Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen

Kommunalhaushalt

Bericht zeichnet düsteres Bild der Landkreis-Finanzen

„Die Kreishaushalte befinden sich im freien Fall“, beklagt Landkreistagspräsident Joachim Walter und belegt das mit dem dramatischen Ergebnis des Kreisfinanzberichts, den der Landkreistag erstmals herausgebracht hat. Die Kreise ächzen besonders unter den Pflichtaufgaben. 

Wo soll nur das ganze Geld herkommen? Die Finanzlage der Landkreise ist prekär, wie ein aktueller Bericht des Landkreistages belegt.

dpa/Matthias Balk)

Stuttgart . Genau 80 Prozent der 35 Landkreise Baden-Württembergs können ihre Haushalte aus dem Laufenden nicht mehr ausgleichen. Höhere Schulden und erschöpfte Reserven belasten die Kassen. Das ist das Fazit des Kreisfinanzberichts des Landkreistags. Demnach können 28 Kreise nur mit einem Negativergebnis das laufende Jahr abschließen, laut Bericht werde es ein Minus von 244 Millionen Euro geben. Auch die Schulden steigen um rund eine Milliarde Euro auf 4,8 Milliarden Euro. 

Defizitgeschäft für Landkreise

Das Verwaltungshandeln der Kreise ist zum Defizitgeschäft geworden. 34 Millionen Euro an Cashflow fehlen 2024. Im Vorjahr gab es ein Plus von 24 Millionen Euro. Die Nettoinvestitionsrate – also die Summe, die als Überschuss aus dem Ergebnishaushalt übrig bleibt – lag schon 2023 im Minus mit 82 Millionen. Dieses Jahr dürfte es nochmals in den Keller gehen: Ein 154-Millionen-Euro-Defizit weist der Bericht auf Basis von Zahlen aus dem Mai 2024 aus.

Schwächelnde Konjunktur und strukturelle Probleme

Dass die schwächelnde Konjunktur Mitschuld an den schlechten Zahlen hat, räumt Landkreistagspräsident Joachim Walter zwar ein. Allerdings spricht der Tübinger CDU-Landrat auch von einer strukturellen Haushaltsschieflage. Besonders die Sozialausgaben machen ihm Sorgen. Diese umfassen fast zwei Drittel der Volumen, fast 9,5 Milliarden Euro.

Kreisumlage zu gering für Sozialzuschüsse

Diesen Posten deckt ein Kreiszuschuss von 5,3 Milliarden Euro – ein Zuwachs von 9,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 2,2 Milliarden entfallen auf die Eingliederungs-, 1,7 Milliarden auf die Jugendhilfe sowie 1,4 Milliarden auf die übrigen Posten Soziales. Der Aufwuchs kann nicht durch die höhere Kreisumlage gedeckt werden, beklagt der Verband.

Höhere Abgaben für Kommunen

Die Kreisumlage umfasst 34 Prozent der Einnahmen und kommt auf 5,1 Milliarden Euro. 2024 müssen Kreisangehörige Kommunen 649 Millionen Euro mehr dafür berappen als 2023. In den vergangenen fünf Jahren ist die Kreisumlage um 14,4 Prozent gestiegen. Sie bleibt damit hinter der Inflation zurück, die im selben Zeitraum 16,7 Prozent betrug.

Kein Schlendrian bei Pflichtaufgaben

Den Rat der Landespolitik, die vielen Pflichtaufgaben weniger sorgfältig zu erfüllen, weisen Verbandspräsident Walter und sein Hauptgeschäftsführer Alexis von Komorowski scharf zurück. Oft fehle der Ermessensspielraum, die lockere Handhabung könne Beamte mit dem Strafrecht in Berührung bringen. Wer Pflichtaufgaben vernachlässige, läute das Ende des Rechtsstaates ein. Walter warnt, dass die kommunale Selbstverwaltung in Gefahr sei.

Kreisumlage verringert sich zusätzlich in zwei Jahren

Von einer schwierigen Finanzlage der Kreise spricht auch Daniel Gallasch, Professor an der Ludwigsburger Verwaltungshochschule. Der Experte für Kommunalfinanzen kann sich vorstellen, dass einzelne Kreiskämmerer mit großzügigeren Plandaten gearbeitet haben als andere. Insgesamt spricht er aber von einem plausiblen Zahlenwerk, bei dem sich die Konjunktur nur beim Finanzausgleich bemerkbar mache. Die Kreisumlage werde dies erst in zwei Jahren nachvollziehen, wenn die Steuerkraftsumme der Kommunen von der Konjunktur bestimmt sind: Es dürfte für die Kreise noch dicker kommen.

Entlastungsallianz soll helfen

Lösungsansätze scheinen schwierig. Von Komorowski verweist auf die über hundert Vorschläge, die in der Entlastungsallianz mit dem Land diskutiert werden und welche auch die Sozialbudgets entlasten sollen. Strukturelle Inklusion in Kita und Schule oder die Zusammenführung der Transferleistungen mit vergleichbarer Zielrichtung sind seine Stichpunkte. Hierdurch ließen sich bürokratieanfällige Schnittstellen vermeiden. Finanzexperte Gallasch, selbst FDP-Kreisrat in Ravensburg, sieht durch Case-Management in der Sozialverwaltung Einsparpotenziale.

Beitrag zur Klarheit

Der Finanzbericht, der nun jährlich aufgelegt werden soll, kommt in eine Zeit, in der sich die Partner der gemeinsamen Finanzkommission über die Eckpunkte der Haushaltszuwendungen an die Kommunen streiten. Von Komorowski versteht das Zahlenwerk auch als Beitrag zur Klarheit über die Finanzlage der Kreise. Klagen über finanziell ausblutende Kommunen gab es zuletzt häufig.

Finanzministerium nimmt Kreise ernst

Vom Land kommt Verständnis für den Alarmruf. Das Finanzministerium nehme die angespannte Haushaltslage der Kreise sehr ernst. Bei der Frage, ob das Land bei den Krankenhäusern entgegenkommt – dort verlangen Kommunen, um schlingernde Kliniken zu entlasten, ein Sofortprogramm von 300 Millionen Euro – verweist das Ministerium auf die Zahlungen der Krankenhausstrukturfonds I und II oder die Corona-Hilfen für Krankenhäuser . Den für die Betriebskosten zuständigen Bund habe das Land über den Bundesrat aufgefordert, ein Nothilfeprogramm von fünf Milliarden Euro aufzulegen. 

Festhalten an der Schuldenbremse

Der Deutsche Landkreistag propagiert die Schuldenbremse, während der baden-württembergische Verband mehr Geld fordert – ein Zielkonflikt? Nein, sagt Hauptgeschäftsführer von Komorowski . Eine gelockerte Schuldenbremse löse nicht die Strukturprobleme, die unterfinanzierten Pflichtaufgaben. Hier will der Landkreistag, dass die Aufgaben und das Geld dafür in Balance gebracht werden. Das müsse der Landes- und Bundesgesetzgeber bewerkstelligen. 

Einen Kommentar zu diesem Thema finden Sie hier.

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 189 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesen Sie auch