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AfD-Wahlerfolge: Sonneberg liegt weit weg von Baden-Württemberg

Die AfD hat im Osten zwei kommunale Mandate gewonnen. Im Kreis Sonneberg (Thüringen) stellt sie den Landrat, in Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt den Bürgermeister. Hat alles nicht so viel mit Baden-Württemberg zu tun, oder?
Wahlplakate - Landtagswahl 2022 NRW am 22.03.2022 in Oberhausen Ein Wahlplakat der AfD ( Alternative für Deutschland ) mit der Aufschrift: Mein Unternehmen ist nicht im DAX. Sondern in Deutschland. Unseren Mittelstand stärken. Die Wahl zum 18. Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen findet bei regulärem Ablauf der fünfjährigen Wahlperiode am 15. Mai 2022 statt.

Gehören kommunale Amtsträger der AfD bald zur politischen Normalität in Deutschland?

dpa/Revierfoto)

STUTTGART. Zuletzt wurde es Mitte Mai im brandenburgischen Landkreis Oder-Spree eng, wo SPD-Mann Frank Steffen mithilfe von Linkspartei und Grünen Landrat wurde. Der knapp unterlegene AfD-Kandidat gratulierte Steffen als dem Kandidaten der „Einheitsfront“. Er nutzte einen Begriff, der die Strategie der Kommunisten in der Weimarer Republik beschreibt, mit linken Gruppierungen gegen Faschisten anzutreten. In Sonneberg nutzte der Schulterschluss der Demokraten nichts. Robert Sesselmann, Landtagsabgeordneter der Höcke-AfD, erzielte mit seiner Kampagne mit bundespolitischen Themen bei der Stichwahl 52,8 Prozent und ist erster gewählter AfD-Landrat. 

Von Baden-Württemberg scheint das weit entfernt zu sein. AfD-Kandidaten treten zwar bei Bürgermeisterwahlen an, erreichen aber eher marginale Ergebnisse. Obwohl die AfD bei der Bundestagswahl 2021 in manchen Mannheimer Stadtbezirken um die 20 Prozent holte, stellte sie bei der OB-Wahl jetzt keinen Kandidaten. 

Höchstes Risiko für eine konservativ geprägte Landkommune

Rafael Bauschke, Professor für politische Kommunikation an der Hochschule für Verwaltung in Ludwigsburg, sorgt sich wenig, dass sich der Wahlerfolg der Ost-AfD im Südwesten wiederholt. Am höchsten stuft der Politologe das Risiko eines AfD-Erfolgs bei einer Bürgermeisterwahl in einer kleinen, ländlich und konservativ geprägten Kommune ein. Das ist am Sonntag offenbar in Raguhn-Jeßnitz (Kreis Anhalt-Bitterfeld) passiert. Landtagsabgeordneter Hannes Loth wurde zum ersten AfD-Bürgermeister gewählt. Ein Bündnis gegen ihn gab es in der knapp 9000-Einwohner-Stadt nicht. Erst als nach dem ersten Wahlgang seine Chancen klar wurden, unterstützte die Partei Loths kommunal geprägten Wahlkampf.  

Baden-Württemberg hat auch Erfahrung mit einem AfD-Bürgermeister. 2018 trat der bereits amtierende Burladinger Rathauschef Harry Ebert der AfD bei, stritt mit Gemeinderäten, die er zuvor als „Landeier“ bezeichnet hatte und die für ihn zur „Asylantenschau“ aufbrachen, wenn sie eine Flüchtlingsunterkunft besichtigten. Für seine Fehden, die er laut Südwestpresse gerne via Gemeindeblatt austrug, holte er sich einen Verweis vom Landratsamt. 2020, drei Jahre vor dem regulären Ende der dritten Wahlperiode, schmiss er hin.  Zuvor gehörte Burladingen (Zollernalbkreis) allerdings zu den Orten, wo die AfD 2019 bei der Kommunalwahl mit 14,3 Prozent besonders erfolgreich war. Nur in Pforzheim kamen mit 14,9 Prozent mehr Stimmen zusammen.

Verfassungsschutz nimmt AfD ins Visier

2013 als Euro-kritische Professorenpartei gegründet, spielt die AfD heute auf der Klaviatur des Rechtsextremismus. Besonders ihre Idee vom ethnisch homogenen Volk widerspreche dem Prinzip der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, weshalb die Partei von zahlreichen Verfassungsschutzämtern beobachtet wird, etwa 2022 in Baden-Württemberg. In Thüringen wird die AfD seit März 2021 als erwiesen rechtsextrem gelistet. Der dortige Parteivorsitzende Björn Höcke wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz als Rechtsextremist seit 2020 überwacht. Das Bundesamt darf die Partei nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln als Verdachtsfall führen, das Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen sieht. Gegen das Urteil hat die AfD Berufung eingelegt.

Allerdings sind das ganz andere Kategorien als in Ostdeutschland. „Gerade auf Kreisebene muss die AfD noch etliche Kilometer für Mehrheiten laufen“, so Bauschkes Einschätzung. Bei der Kreistagswahl 2019 holte die AfD in Göppingen mit 9,1 Prozent das beste Ergebnis. Im thüringischen Sonneberg wählten im selben Jahr 24 Prozent der Wähler die AfD. Außerdem sei im Südwesten die CDU so stark, dass sie konservative Wähler binde, so Bauschke weiter. Tatsächlich fehlte diese Stärke in Sonneberg. Dort zerbrach die 15-köpfige Kreistagsfraktion. Heute bilden fünf ehemalige Christdemokraten eine eigene Fraktion. Die AfD war im Kreistag mit der CDU gleichauf, mit dem Amtsantritt des AfD-Landrats hat sie jetzt eine relative Mehrheit.

Dieser Antritt könnte ein Nachspiel haben. Das Landesverwaltungsamt Thüringen schaut sich Sesselmann nun genauer an, als der Wahlvorstand vor dem Urnengang. Das Amt will wissen: Erfüllt der ehemalige Abgeordnete einer laut Verfassungsschutz „erwiesen rechtsextremen“ Landespartei die persönlichen Voraussetzungen für das Amt? Wie sieht es mit der Verfassungstreue aus? Allerdings sind die Hürden hoch, so eine Sprecherin: Es gehe es um das Ergebnis einer demokratischen Wahl, die Entfernung Sesselmanns aus dem Amt wäre ein „Riesenschritt“.

Ähnliche Schritte gab es in Baden-Württemberg immer mal wieder, teilt das Stuttgarter Innenministerium mit, allerdings mangels fachlicher Voraussetzungen. Hier werden Landratskandidaten vor der Wahl auf Eignung geprüft. Die Mitgliedschaft in einer Partei, die Beobachtungsfall des Verfassungsschutzes ist, fließe in eine Gesamtbewertung ein.

Kein Anlass, um über den Wahlmodus zu diskutieren

Ein Unterschied zu Thüringen ist der Wahlmodus. Bestätigt Sonneberg den Sonderweg Baden-Württembergs mit seiner Landratswahl durch den Kreistag? Der Landkreistag winkt ab: „Im Fall Sonneberg geht es nicht um das Pro und Contra der Direktwahl von Landräten, sondern allein darum, dass der Vertreter einer Partei mehrheitlich gewählt wurde, die vom Bundesamt für den Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird“, sagt Hauptgeschäftsführer Alexis von Komorowski. Darüber müsse diskutiert werden. 

Diskutieren schlägt auch Kommunikationsprofessor Bauschke zum Kommunalwahlkampf 2024 in Baden-Württemberg vor. Wähler der rechtsextremen AfD ließen sich nur durch Zuhören und Erklären für demokratische Kandidaten und Listen gewinnen. „Politiker müssen sich den Ärger der Leute anhören und so den Druck aus dem Kessel nehmen“, rät der Politologe. Danach ließe sich leichter wieder über Politik reden. 

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