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Karenzzeit vor Wahlen

Ab wann gilt die politische Sendepause in Amtsblättern?

Vor der Bundestagswahl und anderen Wahlen gilt in Kommunen eine Neutralitätspflicht, in der beispielsweise Ratsfraktionen nicht mehr im Amtsblatt veröffentlichen dürfen. Bei der kommenden Wahl ist die Berechnung dieser Karenzzeit aber nicht so leicht. 

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier entscheidet über den Wahltermin.

IMAGO/Metodi Popow)

Stuttgart. Nach der Kommunalwahl im Sommer steht für viele Gemeinderäte die zweite Sendepause innerhalb relativ kurzer Zeit an. Denn Verwaltungen müssen vor Wahlen neutral sein. Auch Gemeinderäte sind zur Neutralität in Amtsblättern angehalten. Die Veröffentlichung von Beiträgen der Fraktionen sind innerhalb eines bestimmten Zeitraums, höchstens sechs Monate vor Wahlen, auszuschließen. Kommunen legen die Dauer der Karenzzeit selbst fest. Geregelt wird diese im jeweiligen Redaktionsstatut (siehe Kasten) der Amtsblätter.

Für den Start braucht es einen offiziellen Wahltermin

Doch für ein sechsmonatiges Stillhalten bleibt bei dieser Bundestagswahl nach dem plötzlichen Ampel-Aus ohnehin keine Zeit. Um den Start der neutralen Phase zu berechnen, braucht es zunächst einen offiziellen Wahltermin – und der steht noch nicht fest, weil dafür der Bundespräsident den Bundestag auflösen und den Wahltag bestimmen muss. „Wir haben in diesem Jahr tatsächlich eine nur sehr selten vorkommende Sondersituation in Sachen Karenzzeit“, betont die Sprecherin des Städtetags, Christiane Conzen. Laut dem Gemeindetag sei es nicht möglich, eine Karenzzeit im Amtsblatt durchzusetzen, solange kein anderer Wahltag als der bisher geltende feststeht.

Der Fahrplan bis zur Wahl des Bundestags Ende Februar ist seit Wochen klar: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Mittwoch die Vertrauensfrage beantragt. Die Abgeordneten werden am 16. Dezember darüber abstimmen. Wenn die Mehrheit dem Kanzler erwartungsgemäß das Vertrauen verweigert, kann Frank-Walter Steinmeier „auf Vorschlag des Bundeskanzlers“ innerhalb von 21 Tagen das Parlament auflösen und den Wahltag bestimmen.

Welcher dieser Termine rechtfertigt die Karenzzeit, wie sie die Gemeindeordnung vorsieht? Ganz eindeutig ist das nicht: Zu diesem Zeitpunkt der verlorenen Vertrauensfrage „könnte sich die Wahrscheinlichkeit der Bundestagswahl soweit verdichtet haben“, dass vom 23. Februar als Ausgangspunkt für die Berechnung der Karenzzeit ausgegangen werden kann, erklärt Christian Saur, stellvertretender Landeswahlleiter. Allerdings falle diese Frage nicht in die Zuständigkeit des Landes, betont er.

Steinmeier will rasch über eine Auflösung des Parlaments entscheiden

Vorsichtig äußert sich auch das Bundesinnenministerium. Als Orientierungspunkt für den Beginn der heißen Wahlkampfphase mit einer noch gesteigerten Neutralitätspflicht biete sich „der Zeitpunkt des negativen Ausgangs der Vertrauensfrage an, spätestens aber die Auflösung des Deutschen Bundestages durch den Bundespräsidenten“, teilt eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage mit.

Konkreter wird der Städtetag Baden-Württemberg: Auch wenn der Wahltermin noch nicht offiziell feststeht, weil der Ausgang der Vertrauensfrage noch aussteht, könne man „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vom 23. Februar ausgehen“, so Sprecherin Conzen. Der Kommunalverband sieht es deshalb als geboten an, die Karenzzeitregelungen, etwa für Amtsblätter, schon jetzt auf dieses Datum zu beziehen.

Immerhin könnte das gesamte Prozedere um den Neuwahltermin schnell abgeschlossen sein: Der Bundespräsident hatte nach dem Ampel-Aus angekündigt, rasch über eine Auflösung des Parlaments zu entscheiden, sofern der Bundestag dem Bundeskanzler das Vertrauen entzieht. Zum Vergleich: Nach der verlorenen Vertrauensfrage Gerhard Schröders (SPD) im Jahr 2005 nutzte der damalige Bundespräsident Horst Köhler die dreiwöchige Frist voll aus, um die Angelegenheit intensiv zu prüfen – auch weil es Kritik am Verfahren gab.

Experten empfehlen drei Monate vor dem Wahltag

Immerhin sind Kommunen etwas flexibel, um die Dauer der Karenzzeit in Amtsblättern festzulegen. Experten empfehlen drei Monate vor dem Wahltag als Anhaltspunkt zu nehmen. Eine Umfrage des Innenministeriums vor der Bundestagswahl 2021 zeigt, dass die meisten Kommunen mit drei Monaten rechneten, in denen auf Meinungsbeiträge in Amtsblättern verzichtet wurde. Zu dieser Zeitspanne gibt es Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Verfassungsgerichtshofs. Die Anzahl der Städte und Gemeinden, die sechs Wochen oder zwei Monate vor der Wahl sich zur Neutralität verpflichteten, waren in der Minderheit.

In der Vergangenheit nahmen Gemeinderäte immer wieder Anläufe, den Zeitraum noch kürzer zu fassen. Hiervor warnten die Verwaltungen mit Verweis auf die Gefahr, dass ein kürzerer Zeitraum rechtswidrig sein könnte. Geht nach der Vertrauensfrage an diesem Montag alles schnell, wird es jedenfalls für zwei neutrale Monate reichen.

Die Karenzzeit im Amtsblatt

Beiträge der Fraktionen dürfen höchstens sechs Monate vor Wahlen nicht mehr im Amtsblatt der Gemeinde veröffentlicht werden. Diese Vorgaben zur Karenzzeit macht Paragraf 20 der Gemeindeordnung. Grundsätzlich haben die Ratsfraktionen die Möglichkeit, ihre Meinungen zu Gemeindeangelegenheiten dort darzulegen – sofern die Gemeinde ein eigenes Amtsblatt herausgibt, um die Einwohner regelmäßig über wichtige Angelegenheiten zu informieren. Der Gemeinderat legt die Details hierzu in einem Redaktionsstatut fest, insbesondere den angemessenen Umfang der Beiträge.

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