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Klebstoff aus der Zeit vor 40 000 Jahren
Tübingen. Frühe Menschen aus dem heutigen Frankreich nutzten bereits vor mehr als 40 000 Jahren einen Klebstoff aus mehreren Komponenten, um Steinwerkzeuge mit Griffen zu versehen. Sie stellten eine ausgeklügelte Mischung aus Ocker und Bitumen her, zwei Rohstoffen, die aus der weiteren Region beschafft werden mussten.
Das hat die Aufarbeitung von Stücken aus der Neandertalerfundstelle Le Moustier in der Dordogne unter der Leitung von Patrick Schmidt aus der Abteilung für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie der Universität Tübingen und Ewa Dutkiewicz vom Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin ergeben.
Frühester Fund in Europa eines Mehrkomponentenklebers
Es handelt sich um den frühesten Fund eines Mehrkomponentenklebers in Europa, wie die Universität Tübingen mitteilt. Die Entwicklung von Klebstoffen und deren Einsatz für die Herstellung von Werkzeugen gelten als einer der besten materiellen Belege für die kulturelle Evolution und die kognitiven Fähigkeiten früher Menschen. Die entsprechende Studie dazu wurde in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht.
Die Steinwerkzeuge aus Le Moustier werden in der Sammlung des Museums für Vor- und Frühgeschichte aufbewahrt und waren bisher nicht näher untersucht worden. Der Schweizer Archäologe Otto Hauser hatte sie 1907 aus dem oberen Felsüberhang von Le Moustier geborgen, der während der mittelpaläolithischen Epoche des Moustérien vor 120 000 bis 40 000 Jahren von Neandertalern genutzt wurde.
„Die Sammlungsstücke waren einzeln verpackt und seit den 1960er Jahren unberührt. Dadurch waren die anhaftenden Reste organischer Stoffe sehr gut erhalten“, berichtet Ewa Dutkiewicz.
Die Forscher entdeckten an Steinwerkzeugen wie Abschlägen, Schabern und Klingen, Reste einer Mischung aus Ocker und Bitumen. Ocker ist ein natürlich vorkommendes farbiges Erdpigment. Das Kohlenwasserstoffgemisch Bitumen ist unter anderem Bestandteil von Asphalt, kann aus Erdöl hergestellt werden, kommt jedoch auch natürlicherweise im Boden vor.
Die Nutzung von Klebern mit mehreren Komponenten, darunter verschiedene klebrige Substanzen wie Baumharze und auch Ocker, sei bisher vor allem von frühen modernen Menschen, dem Homo sapiens, in Afrika bekannt gewesen, heißt es weiter.
„Solche technologischen Entwicklungen und das Verständnis für Materialeigenschaften wurden auch als erster Ausdruck umfassender kognitiver Prozesse der Menschen betrachtet, die unserer heutigen Denkweise bei industriellen Prozessen entsprechen“, sagt der Tübinger Urgeschichtler Schmidt.
Klebematerial wurde von Neandertalern hergestellt
Die Wissenschaftler aus Tübingen und Berlin gehen nun davon aus, dass das aufwendig produzierte Klebematerial von den Neandertalern hergestellt wurde, sagt Dutkiewicz. Die Studie zeige, dass sich beim frühen Homo sapiens in Afrika und den Neandertalern in Europa ähnliche Denkmuster widerspiegeln“, sagt Schmidt. (sta)