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Justizministerin Gentges: „Der Zustand unseres Asylrechts ist nicht human“
Heidelberg. „Wird unser Asylrecht seiner Verantwortung gerecht?“ Politiker, Behördenchefs und Wissenschaftler kamen beim Symposium Migration zu einem klaren Ergebnis: Das derzeitige System ist ungerecht. „Der Zustand unseres Asylrechts ist nicht human, auch wenn wir uns gerne seiner besonderen Humanität rühmen“, sagte Justizministerin Marion Gentges (CDU), deren Ministerium zum dritten Mal nach Heidelberg geladen hatte. Wer in Europa nach Schutz sucht, müsse zunächst horrende Summen an Schlepperbanden zahlen und sich dann auf die oft lebensgefährliche Überfahrt übers Mittelmeer, durch Wüsten oder in gefährliche Transportmittel begeben.
Menschen, die diese Reise nicht auf sich nehmen können oder wollen, blieben dagegen zurück, so Gentges. Die verletzlichsten, die schwächsten, hätten entweder nicht die finanziellen Möglichkeiten, oder aber nicht die Kraft für diese Strapazen. „Seien wir ehrlich: Diejenigen, die bei uns ankommen, sind nicht unbedingt die, die am dringlichsten auf unseren Schutz angewiesen sind“, betonte die Ministerin.
BAMF-Chef: Die Reform des Asylrechts lässt zentrale Fragen offen
Auch der Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Hans-Eckhard Sommer, sieht das derzeitige Asylsystem skeptisch. Es ziehe die Falschen an, sagt er in seinem Vortrag. Das Niveau der Zugänge sei trotz rückläufiger Zahlen zu hoch, die Kommunen, Verwaltungen und Gerichte seien überlastet. Auch nach der Reform des europäischen Asylrechts (GEAS) blieben für ihn zentrale Fragen offen. Dass die Zahl der Asylanträge zurückgehe, sei weniger politischen Entscheidungen hierzulande geschuldet, sondern gehe auf die Schließung der Balkanroute durch Serbien im vergangenen Jahr zurück.
Persönlich, unabhängig von seiner Funktion als BAMF-Chef, plädierte Sommer für ein humaneres Schutzsystem, etwa nach dem Vorbild Kanadas. Dabei sollten drei Grundsätze gelten: Menschen in der Not zu helfen, die vorhandenen Ressourcen bestmöglich zu nutzen und gleichzeitig den Rechtsstaat nicht zu gefährden.
Die LEA-Pläne des Landes stoßen vielerorts auf Widerstand
Die Podiumsdiskussion am Freitag beleuchtete aktuelle Entwicklungen auf praktischer Ebene. Für den Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises und Präsidenten des Deutschen Landkreistags Achim Brötel (CDU) sind Grenzkontrollen ein wichtiges Signal an die Bevölkerung. Man brauche mehr Steuerung, Ordnung und Begrenzung der Migration. Die Bezahlkarte lobte Brötel in dem Zusammenhang als wichtiges Instrument.
Auch der stellvertretende Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft Manuel Ostermann hält die Grenzkontrollen für sinnvoll. Migrationsforscher Gerald Knaus kritisierte dagegen die Maßnahmen. Die Kontrollen würden den Bürgern viel versprechen aber nicht dazu beitragen, die Zahl der Asylanträge zu senken.
Die Suche nach Standorten für eine weitere Landeserstaufnahmestelle (LEA) sei schwierig, räumte Migrationsstaatssekretär Siegfried Lorek (CDU) ein. Die Pläne des Landes stoßen vielerorts auf Widerstand. Die Probleme beim Thema Migration totzuschweigen, helfe dagegen nicht, entgegnete er auf Kritik aus dem Publikum, wonach die Diskussion zu sehr negative Aspekte betone. Finde man keine Lösungen auf die drängenden Fragen, werde man in vier Jahren eine ganz andere Situation haben, so Lorek.
Europa auf mehr Geflüchtete aus der Ukraine vorbereiten
Auch die Frage, welche Entwicklungen nach der US-Wahl in der Ukraine möglich sind, beschäftigte die Runde. Sollte die Ukraine weiter unter Druck geraten und wesentlich mehr Menschen aus dem Land hierher fliehen, gerate das Aufnahmesystem definitiv an die Grenzen, machte Lorek deutlich. Laut Knauf müsse Europa sich schon jetzt auf ein solches Szenario vorbereiten und beispielsweise einen ehemaligen Regierungschef benennen, der in dieser Situation die Koordination übernimmt.