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Hochschule Kehl will mehr Quereinsteiger werben und Angebote stärken
KEHL. Von Zeit zu Zeit stellt sich jeder Organisation die Frage, ob sie das, was sie macht, richtig macht. Und ob sie noch das Richtige macht. Diesem Prozess der Selbstvergewisserung unterzieht sich derzeit die Hochschule Kehl. Die öffentliche Verwaltung steht laut Rektor Joachim Beck vor grundlegenden Herausforderungen: „Digitalisierung, demografischer Wandel, Internationalisierung und Wertewandel sind nur einige Stichpunkte.“
Umso wichtiger ist rechtzeitiges Reagieren darauf, gerade für eine Hochschule, die den Nachwuchs für den gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienst ausbildet. Deshalb hat man in Kehl mit breiter Beteiligung der Hochschulöffentlichkeit in sechs Workshops Stärken und Schwächen analysiert, Chancen und Risiken ermittelt sowie konkrete Vorschläge für die kommenden Jahre erarbeitet.
„Insbesondere das altersbedingte Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge in den kommenden Jahren führt bereits heute dazu, dass offene Stellen im öffentlichen Dienst zunehmend nur noch schwer besetzt werden können“, sagt Beck.
Berufsbegleitende Angebote sollen erweitert werden
Gleichzeitig nimmt die Zahl an einem Studium interessierter junger Menschen ab. Zudem gibt es zunehmend konkurrierende Ausbildungsangebote. Dem müsse sich die Hochschule Kehl stellen. Ein „zeitgemäßes professionelles Marketing“ sei dringend nötig, so der Tenor einer Arbeitsgruppe. Auch die Zulassungsunterlagen müssten dringend entschlackt werden, um Bewerber nicht abzuschrecken.
Der Ruf der Kehler Absolventen bei den Kommunen ist laut einer Umfrage sehr gut. Und deren Berufsaussichten ebenfalls: Die Nachfrage sei enorm, 90 Prozent der Studierenden im Bachelor-Bereich hätten beim Abschluss schon eine Stellenzusage.
Umfrage sieht Defizite bei Digitalisierungskompetenzen
Im Februar und März wurden die Abnehmer der Hochschulabsolventen aus Kehl, also vor allem die Kommunen, befragt: nach ihrem Urteil über die Studierenden, Ansehen und Image der Hochschule und ihren Wünschen zu Themen von Studium und Lehre, Forschung und Weiterbildung. Die fachliche Qualifikation und die vielfältige Einsetzbarkeit der Absolventen wurden allgemein gelobt. Relativ gesehen am schlechtesten wurden deren Digitalisierungskompetenzen beurteilt. Das Thema digitaler Wandel ist nach Ansicht der Befragten das wichtigste zukunftsrelevante Thema in Studium und Lehre, mit einigem Abstand gefolgt vom Fachkräftemangel und der Personalentwicklung.
Hauptanliegen für die kommenden Jahre: Die Kernprodukte der Ausbildung für den gehobenen Verwaltungsdienst sollen noch besser ausgestattet und mehr Plätze im Bachelor-Studiengang Public Management und digitales Verwaltungsmanagement angeboten werden. Dass Kehl weiterhin gute und vor allem noch mehr Absolventen bereitstellt, gibt laut Beck mit den Ausschlag dafür, wie gut die öffentliche Verwaltung im Land künftig aufgestellt ist. „Und dies wiederum ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass sich der Standort Baden-Württemberg in der internationalen Konkurrenz weiter gut entwickelt – denn alle großen Zukunftsaufgaben haben letztlich einen direkten Bezug zur öffentlichen Verwaltung, die diese vor Ort konkretisiert und ausgestaltet.“ Verstärkt müsse zudem um Quereinsteiger für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst geworben werden.
Lesen Sie mehr zum Thema Quereinstieg in die öffentliche Verwaltung in unserem Fachjournal „Quereinstieg jetzt“.
Stärkere Internationalisierung ist eine Anregung aus den Workshops
Bildungsabschlüsse für den öffentlichen Dienst berufsbegleitend anzubieten, also in Form einer Weiterbildung, sei ebenfalls wichtig – Stichwort lebenslanges Lernen. Dabei solle der Studienplan zeitlich entzerrt werden, um den Adressatenkreis zu erweitern.
Auch die Möglichkeit für Bachelorabsolventen, gleich im Anschluss noch einen Master „Moderne öffentliche Verwaltung“ mit verschiedenen fachlichen Vertiefungsbereichen zu erwerben – als Qualifikation für einen Zugang zum öffentlichen Dienst –, wird erwogen.
Die Nähe zu Straßburg war mit ein Grund für die Gründung der Hochschule in Kehl. Doch die Internationalisierung sowohl der Studierendenschaft als auch der Dozierenden und der Studieninhalte lässt zu wünschen übrig. Ein Vorschlag aus den Workshops dazu war: fremdsprachige Studienangebote, zumindest in Englisch und Französisch. Denn künftig müssten auch Dienststellen auf Englisch kommunizieren können.
Bisher gehen nur etwa fünf Prozent der Kehler Absolventen in die Landesverwaltung. Dass diese neben den Kommunen auch den gehobenen Dienst dort, besonders in den Regierungspräsidien, als attraktiven Arbeitsplatz entdecken, war der Freiburger Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer (parteilos) ein Anliegen. Da sie kurzfristig verhindert war, trug dies bei der Präsentation am vergangenen Samstag für sie Julian Osswald vor, Bürgermeister von Freudenstadt und stellvertretender Vorsitzender des Hochschulrats, – obwohl das Konkurrenz für die Kommunen bedeute, wie Osswald anmerkte.
Nun arbeitet man in Kehl mit Hochdruck daran, die Ideen und Vorschläge in Form zu gießen. Denn Ende Juni wird Rektor Beck den neuen Struktur- und Entwicklungsplan im Wissenschaftsministerium einreichen.