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Biographie über Friedrich List

Friedrich List war „vom Politikansatz her ein Liberaler“

Roland Brecht, Volkswirt und Referatsleiter im Wirtschaftsministerium, hat eine Biographie über Friedrich List (1789-1846) geschrieben. Im Interview erläutert er, warum er diesen für einen „Graswurzeldemokraten“ und Vorläufer der Sozialen Marktwirtschaft hält - und welche Rolle List in der Revolution von 1848/1849 hätte spielen können, wenn er nicht bereits zwei Jahre zuvor gestorben wäre.

Roland Brecht ist Volkswirt und Referatsleiter im Wirtschaftsministerium des Landes Baden-Württemberg

Privat)

Staatsanzeiger. Friedrich List ist kurz vor der Revolution von 1848/1849 gestorben. Welche Haltung hätte er eingenommen, und welche Rolle spielen können?

Roland Brecht: Zum einen: Friedrich List war seiner Einstellung nach kein Revolutionär. Zum andern ist es aber unstrittig, dass er mit seinen Schriften und seinem unermüdlichen Wirken zu einer politischen Atmosphäre beitrug, die schließlich zur „bürgerlichen Revolution“ von 1848/49 führte. Er war in der Paulskirche sozusagen „geistig präsent“ und Abgeordnete fragten sich, was wäre, wenn jetzt ein Friedrich List noch unter ihnen weilte.

Und welcher Gruppierung innerhalb der Revolutionäre hätte er sich zugehörig gefühlt oder anschließen können?

Er, der amerikanische Staatsbürger, sah in der konstitutionellen Monarchie die für deutsche Verhältnisse beste Staatsform – insofern hätte er zum Mainstream der Paulskirche gezählt. Als Süddeutscher hätte er sich jedoch schwerlich für eine preußisch-kleindeutsche Lösung erwärmen lassen. Vom ganzen Politikansatz her war List ein Liberaler.

Lässt sich das noch genauer verorten?

Ich sehe ihn zeitlebens von seiner reichsstädtischen Herkunft her stark geprägt. Der Reutlinger war eine Art „Graswurzeldemokrat“. Als Abgeordneter im Württembergischen Landtag zählte er zur Gruppe der „Volksfreunde“, wenn man so will am linken Rand des liberalen Spektrums. Er hatte auch immer eine soziale Ader.

Sie sehen List als einen Vorläufer der Sozialen Marktwirtschaft. Lässt sich da wirklich eine gerade Linie ziehen?

Er gehörte zu den Begründern der im deutschsprachigen Raum etwa bis 1950 vorherrschenden Historischen Schule der Nationalökonomie. Diese wird generell viel zu wenig gewürdigt, wenn es um die Vorläufer der Sozialen Marktwirtschaft geht.

Wie erklärt sich das?

Die Soziale Marktwirtschaft sollte ein Neuanfang sein. Ihre geistigen Väter, wie Walter Eucken und andere Vertreter der Freiburger Schule, waren während der NS-Zeit in der „inneren Emigration“ oder, wie Wilhelm Röpke und Alexander Rüstow, im Exil. Sie haben bewusst Anschluss an den angelsächsisch geprägten Liberalismus gesucht. Und doch ist einiges von der Historischen Schule in die Soziale Marktwirtschaft eingeflossen.

Was denn?

Etwa das Gemeinschaftsdenken. Friedrich List sprach von der anzustrebenden „Harmonie der gesellschaftlichen Klassen“. Der ausgleichende Staat spielt in diesem Denken eine große Rolle, ein politischer Korporatismus, wonach Lösungen dann am besten sind, wenn sie von möglichst vielen Beteiligten ausgehandelt und mitgetragen werden.

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