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Expertenbeitrag: Auftragsänderungen

Was erlaubt ist, um nicht neu ausschreiben zu müssen

Wesentliche Änderungen eines öffentlichen Auftrags während der Vertragslaufzeit erfordern ein neues Vergabeverfahren. Doch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen erlaubt Ausnahmen in sechs Situationen. Die Wichtigste: wenn die Änderung gewisse Bagatellgrenzen nicht übersteigt.

Bauaufträge müssen bei Änderungen nicht neu ausgeschrieben werden, wenn diese nicht mehr als 15 Prozent des ursprünglichen Auftragswertes umfassen.

Imago/Thomas Gödde)

NÜRNBERG . Der Auftragswert kann bis zu einer bestimmten Höhe geringfügig geändert werden, ohne dass öffentliche Auftraggeber erneut ausschreiben müssen. Das erlaubt Paragraf 132 Absatz 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) . Diese Geringfügigkeitsgrenzen sollen die Rechtssicherheit gewährleisten, aber ihre Einhaltung allein reicht nicht für eine zulässige Bagatelländerung aus.

Zwei Grenzen müssen beachtet werden, um nicht ausschreiben zu müssen. Erstens darf die Wertänderung nicht höher sein als der jeweilige EU-Schwellenwert, derzeit also 221 000 Euro für Liefer- und Dienstleistungen sowie 5,538 Millionen Euro für Bauleistungen. Zweitens darf die Änderung bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen maximal zehn Prozent und bei Bauaufträgen höchstens 15 Prozent des ursprünglichen Auftragswerts betragen.

Nur der Wert der Änderung zählt für die Wertberechnung

Konzessionsverträge haben einheitlich eine Obergrenze von zehn Prozent (Paragraf 154 Nummer 3 Buchstabe b GWB), während für soziale und andere spezielle Dienstleistungsaufträge die Grenze doppelt so hoch, bei 20 Prozent, liegt (Paragraf 130 Absatz 2 GWB).

Für die Wertberechnung nach Paragraf 3 der Vergabeverordnung zählt nur der Wert der Änderung selbst, nicht die Gesamtsumme aus ursprünglichem Auftragswert plus der Erhöhung durch die Änderung. Wenn der Auftrag eine Preissteigerungsklausel enthält, gilt der höhere, angepasste Preis als Referenzwert (Paragraf 132, Absatz 4, GWB). Bei mehreren Änderungen müssen die Werte aller Änderungen zusammengerechnet werden. Die Änderungen bleiben vergaberechtsfrei, solange dieser Gesamtwert die Bagatellgrenzen nicht überschreitet (Absatz 3, Satz 2). Nur die letzte Änderung, die eine der Geringfügigkeitsgrenzen überschreitet, muss ausgeschrieben werden. Die vorherigen Änderungen bleiben zulässig.

Wenn eine oder beide Bagatellgrenzen nicht eingehalten werden, ist zwar eine De-minimis-Änderung ohne Ausschreibung nicht möglich. (Der Begriff „de minimis“ beschreibt eine Schwelle, unterhalb der bestimmte Rechtsvorschriften nicht gelten.) Dies bedeutet aber nicht automatisch, dass die Vertragsänderung ausgeschrieben werden muss. Wenn eine der anderen fünf Fallgruppen zutrifft, kann der Auftrag auch ohne ein erneutes Vergabeverfahren geändert werden.

Gesamtcharakter des Auftrags muss unverändert bleiben

Damit eine De-minimis-Änderung möglich ist, muss zudem der Gesamtcharakter des Auftrags unverändert bleiben. Ob eine Bagatelländerung den ursprünglichen Auftrag tatsächlich so stark beeinflussen kann, mag fragwürdig erscheinen (siehe Infokasten unten). Trotzdem schreibt das Gesetz diese Prüfung vor.

Laut den Erwägungsgründen der EU-Vergaberichtlinie ändert sich der Wesenskern des gesamten Auftrags, wenn etwa die zu beschaffenden Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen durch andersartige Leistungen ersetzt werden oder wenn sich die Art der Beschaffung grundlegend ändert. Wenn beide Bagatellgrenzen eingehalten werden und der Charakter des Vertrags unverändert bleibt, ist es nicht notwendig, zu prüfen, ob die Änderung gemäß Absatz 1 als wesentlich gilt. Selbst wenn dies der Fall wäre, bleibt die Änderung nach Absatz 3 weiterhin von der Ausschreibungspflicht befreit.

Verzichtet der öffentliche Auftraggeber jedoch auf eine erforderliche Neuausschreibung gemäß Paragraf 132 GWB, liegt eine sogenannte De-facto-Vergabe vor, deren ursprüngliche Unwirksamkeit in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt werden kann. Unabhängig davon hat der öffentliche Auftraggeber in einem solchen Fall auch das Recht, den Vertrag zu kündigen (Paragraf 133 Absatz 1 Nummer 1 GWB).

Vergabekammer bremst

Die Vergabekammer Südbayern (3. Mai 2021, Aktenzeichen 3194.Z 3-3_01-21-26) entschied: „Bei der Erbringung von Bauleistungen ist die konkrete Baustelle, auf welcher die Leistung zu erbringen ist, schon aufgrund des komplexen Zusammenspiels von Bauleitung, verschiedenen Gewerken und verschiedenen Unternehmern bestimmend für den Gesamtcharakter des Auftrags und kann damit in der Regel nicht über eine Auftragsänderung nach Paragraf 132 Absatz 3 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verändert werden.“

Holger Schröder ist Partner und Fachanwalt für Vergaberecht bei Rödl & Partner, Nürnberg

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