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Wann Mitarbeiter bei Verfahrensfehlern haften
Stuttgart. Während eines Vergabeverfahrens können Fehler passieren. Je nach Schwere des Fehlers hat das Auswirkungen auf das Verfahren – unter Umständen bis hin zu einem Neustart der Ausschreibung, sollte eine Vergabekammer oder ein Oberlandesgericht zu diesem Ergebnis kommen.
Aber auch die handelnden Personen rücken mitunter in den Fokus. Passieren Fehler in Vergabeverfahren, stellt sich mitunter die Frage der persönlichen Haftung. In einem Vergabeverfahren sind zunächst die Mitarbeiter involviert, die das Verfahren unmittelbar durchführen, in der Folge sind aber mittelbar auch die Vorgesetzten betroffen – also etwa Abteilungsleiter von zentralen Vergabestellen, Bürgermeister, Landräte, Geschäftsführer von Gesellschaften oder Aufsichtsratsvorsitzende.
Spielräume bei der Bewertung von Fehlern
Grundsätzlich stellen sich dabei zwei Fragen: zum einen ist zu klären, was für ein Fehler passiert ist und zweitens, wie schwer sich dieser auswirkt. In der Vergangenheit gab es immer wieder Gerichtsverfahren, in denen solche Fragestellungen erörtert wurden.
Grundsätzlich ist dabei festzustellen, dass in der Bewertung Spielräume bestehen, etwa, wie gravierend ein Fehler war oder ob der Nachweis erbracht werden kann, inwieweit eine handelnde Person tatsächlich verwickelt war. Eine ausführliche Vergabedokumentation kann helfen, solche Fragen zu beantworten – auch im Sinne eines Angeklagten.
Eindeutiger ist, welche Fehler passieren können. So können rechtliche Vorgaben des Vergaberechts nicht eingehalten worden sein: beispielsweise, wenn eine Direktvergabe nicht zulässig war, überhaupt die falsche Vergabeart gewählt wurde, Fristen nicht beachtet wurden oder Eignungs- und Zuschlagskriterien festgelegt wurden, die bestimmte Bieter objektiv benachteiligen. Das allein führt allerdings noch nicht zur persönlichen Haftung im Falle einer Rüge. Relevant ist in der Folge aber die Frage, ob die Verletzung des Vergaberechts passiert ist, weil vorsätzlich gehandelt wurde und in welchem Ausmaß.
„Business Judgement Rule“ gilt für Amtsträger
Handelt es sich um eine nachgewiesene grobe fahrlässige Pflichtverletzung, die zielgerichtet und gewollt war, so haftet der unmittelbar mit der Vergabe betrauten Mitarbeiter bei einer Verurteilung möglicherweise vollständig. Mit Blick auf die Höhe des Schadens muss die Summe jedoch noch in einem angemessenen Verhältnis zum Einkommen des Mitarbeiters stehen. Das hat das Bundesarbeitsgericht in einem Verfahren im Jahr 2001 grundlegend entschieden. Bei Verstößen, die wiederum weniger schwerwiegend und aufgrund von leichten Fahrlässigkeiten entstanden sind, kommt nach der Rechtsprechung eine Haftung des Mitarbeiters nicht in Frage.
Noch einmal anders gelagert, ist die Situation bei Vorgesetzten. Sie sind in der Regel nicht direkt am Verfahren beteiligt, was die Haftungsfrage hin zu einer mittelbaren Beteiligung verschiebt. Maßgabe für das Handeln ist in solchen Fällen die seit 1997 in Deutschland geltende „ Business Judgement Rule “, zu deutsch: Regel der geschäftlichen Beurteilung.
Absprachen können als Untreue bestraft werden
Sie besagt, dass Geschäftsführer und Vorstände dann nicht für negative Folgen unternehmerischer Entscheidungen haften, wenn diese auf der Grundlage einer angemessenen Information, ohne den Einfluss von sachfremden Interessen und in gutem Glauben gefasst wurde. Auf Bürgermeister und Landräte können dementsprechend Schadenersatzansprüche zukommen, aber auch Folgen, die aus der Verletzung von Dienstpflichten resultieren können, wenn sie erwiesenermaßen außerhalb dieser Regel handeln.
Eine Haftung von mittelbar Beteiligten kommt dann in Frage, wenn diese von einem Vergabefehler Kenntnis erlangen, dieser regelmäßig aufgetreten ist, beispielsweise auch schon Rügen seitens der Bieter existieren, aber willentlich keine Maßnahmen getroffen werden, um den Missstand zu beseitigen.
Ein anderes Beispiel: ein Bürgermeister, der Absprachen bei Vergaben trifft und die Mitarbeiter entsprechend anweist, setzt sich dem Vorwurf eines strafrechtlich relevanten Dienstvergehens aus. Die Folge kann eine Verurteilung wegen Untreue sein, wenn der Schaden mehr als 50.000 Euro beträgt.
Vergabe dokumentieren
Mit einer guten Vergabedokumentation, die in Vergabeverordnungen gefordert ist, kann nachgewiesen werden, dass alle Vorgaben eines Vergabeverfahrens eingehalten wurden. Voraussetzung ist eine für Außenstehende nachvollziehbare schriftliche Darlegung von Sachverhalten. Mit Blick auf Haftungsfragen kann es entscheidend sein, welche Person zu welchem Zeitpunkt bestimmte Entscheidungen getroffen hat und auf welcher Grundlage dies passiert ist.