Expertenbeitrag: E- Kommunikation

Ist das Bieterportal der „Briefkasten“ des Bieters?

Die elektronische Kommunikation in europaweiten Vergaben ist seit der Vergaberechtsreform 2016 Pflicht. Doch immer wieder gibt es Missverständnisse zwischen Auftraggeber und Bieter. Etwa wenn Bieter meinen, wichtige Informationen im Vergabeverfahren nicht erhalten zu haben. Auftraggeber müssen hier unmissverständliche Vorgaben für die Kommunikation machen. Von Carsten Eichler

Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten Auftraggeber in den Vergabeunterlagen den gewünschten Kommunikationsweg klar definieren. Foto: IMAGO/Zoonar II

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Carsten Eichler, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Franz + Partner Rechtsanwälte, München

München . Im Zuge der Änderungen der Vergabeverordnung (VgV) und der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil A (VOB/A) im Jahr 2016 wurde die elektronische Kommunikation in europaweiten Vergaben zum Standard. Seither kann man wohl sagen, dass die Verwendung von Vergabeplattformen für öffentliche Auftraggeber mittlerweile zur täglichen Routine gehört. Dennoch überrascht es immer wieder, wie Vergabekammern die einschlägigen Regelungen auslegen.

Kein Nachweis der Zustellung über die Vergabeplattform

Eine für die Praxis interessante Entscheidung zur elektronischen Kommunikation zwischen Bieter und Vergabestelle hat die Vergabekammer Südbayern im letzten Jahr getroffen (Beschluss vom 23.05.2023 – 3194.Z3-3_01-22-63). Hier hatte der Auftraggeber in der Bekanntmachung auf die Registrierung auf der Vergabeplattform verwiesen. Dort war eine Anleitung zum Bieterclient zu finden, die darauf verwies, dass bei Änderungen der Vergabeunterlagen eine Benachrichtigung per E-Mail erfolgen solle.

Nach Abschluss der ersten Verhandlungsrunde forderte der Auftraggeber die Bieter mit einer durch die Vergabeplattform automatisch erzeugten und versendeten E-Mail zur Abgabe der finalen Angebote auf. Die Bieter erhielten in ihrem jeweiligen Bieterportal die Nachricht „Sie wurden von der Vergabestelle eingeladen!“. Ein Bieter gab kein finales Angebot ab und wurde ausgeschlossen, rügte jedoch, die Angebotsaufforderung nie erhalten zu haben.

Die Vergabekammer Südbayern gab ihm Recht und untersagte den Ausschluss. Zum einen sei der erforderliche Zugang der von der Vergabeplattform generierten E-Mail nicht nachweisbar gewesen, begründete die Kammer dies. Im Einklang mit der herrschenden Rechtsprechung ging sie davon aus, dass (im Unterschied zu einem Fax, bei dem ein Sendeprotokoll den Zugang vermuten lässt) der Zugang einer E-Mail nur mit einer Lesebestätigung nachgewiesen werden könne, diese wurde aber nicht verlangt.

Aber auch die Nachricht im Bieterportal hielt sie für nicht ausreichend. Im konkreten Fall ergab sich das schon daraus, dass sich weder in den Bewerbungsbedingungen noch den Nutzungsbedingungen der Plattform ein Hinweis fand, dass der Bieter mit der Registrierung auf der Vergabeplattform Zugriff auf ein individuelles Postfach erhält und dieses für die Zustellung von rechtserheblichen Erklärungen im Vergabeverfahren genutzt wird. Der Auftraggeber durfte sich also nicht darauf verlassen, dass der Bieter über die Plattform von der Nachricht Kenntnis erlangt.

Bieterbereich des Portals ist nicht der „Machtbereich“ des Bieters

Darüber hinaus hatte die Kammer jedoch auch noch bezweifelt, dass eine Mitteilung im Bieterportal überhaupt einen Zugang bewirken könne. Sie ging vielmehr davon aus, dass der Bieterbereich des Portals nicht als „Machtbereich des Bieters“ angesehen werden kann. Dies wäre jedoch Voraussetzung dafür, dass ein Zugang dort als eine Zustellung im Rechtssinn wirkt und es damit Sache des Bieters ist, das Portal regelmäßig auf neue Nachrichten zu prüfen.

Daraus ergeben sich für die Praxis klare Handlungsanweisungen. Bis zu einer obergerichtlichen Klärung dieser Streitfrage kann nur dringend empfohlen werden, in den Vergabeunterlagen neben konkreten und klaren Angaben über den gewünschten Kommunikationsweg deutlich klarzustellen, dass das Bieterportal für die Zustellung rechtserheblicher Erklärungen genutzt wird und damit als „Briefkasten“ des Bieters gilt.

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