Expertenbeitrag: Was Journalisten nach Vergaben wissen dürfen

Behörden müssen Journalisten nach dem Landespressegesetz Auskünfte zu ihren öffentlichen Aufgaben erteilen. Die Auskunft darf nur verweigert werden, wenn dem etwa ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse entgegensteht. Gerade bei großen und umstrittenen Beschaffungsvorhaben können Pressevertreter und Beschaffungspraktiker in Konflikt geraten.

Journalisten haben einen Auskunftsanspruch – doch nicht immer muss die Vergabestelle ihn erfüllen. Foto: dpa/imageBROKER/Mariano Gaspar

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Nürnberg. Behörden sind verpflichtet, Vertretern der Presse Auskünfte zu erteilen, die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienen. Das sieht Paragraf 4 Absatz 1 des Landespressegesetzes von Baden-Württemberg vor. Der presserechtliche Auskunftsanspruch dient einerseits der journalistischen Informationsbeschaffung (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. März 2019 – 7 C 26.17). Andererseits wird dadurch die Transparenz des Verwaltungshandelns gewährleistet.

Für Auftraggeber gilt der Grundsatz der Vertraulichkeit

Zwar sind öffentliche Aufträge ohnehin im Wege transparenter Verfahren zu vergeben (Paragraf 97 Absatz 1 Nummer 1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen). Zugleich gilt aber der vergaberechtliche Grundsatz der Vertraulichkeit. Danach darf ein öffentlicher Auftraggeber keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie die vertraulichen Aspekte der Angebote weitergeben (Paragraf 5 Absatz 1 Vergabeverordnung). Dementsprechend ist eine Vergabestelle auch nicht verpflichtet, nach der Auftragsvergabe Angaben zu veröffentlichen, die den berechtigten geschäftlichen Interessen eines Unternehmens schaden oder lauteren Wettbewerb zwischen Unternehmen beeinträchtigen würden (Paragraf 39 Absatz 6 Nummer 3 und 4 Vergabeverordnung). Der Vertraulichkeitsgrundsatz kann aber durch andere Rechtsvorschriften eingeschränkt werden.

Kann ein Journalist von einem öffentlichen Auftraggeber daher verlangen, dass ihm unveröffentlichte Angebotspreise eines Bieters mitgeteilt werden? Kein Auskunftsanspruch besteht jedenfalls, wenn die Vergabestelle ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse geltend machen kann. Das von der Presse verfolgte Interesse muss umso gewichtiger sein, um eine Auskunft zu rechtfertigen, je sensibler der Bereich ist, über den informiert wird und je detaillierter und weitergehend die begehrte Auskunft ist (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. August 2014 – 26 K 3308/14).

Unternehmen haben Interesse, dass ihre Angebotspreise geheim bleiben

Ein Unternehmen, das sich an einem europaweiten Vergabeverfahren beteiligt hat, dürfte ein schutzwürdiges Interesse daran haben, dass die von ihm angebotenen Preise nicht nur während des Verfahrens, sondern auch nach dessen Abschluss geheim bleiben. Dem trägt auch Paragraf 5 Absatz 2 Satz 2 Vergabeverordnung Rechnung, soweit der öffentliche Auftraggeber darin zur Wahrung der Vertraulichkeit hinsichtlich der Angebote und ihrer Anlagen auch nach Abschluss des Vergabeverfahrens verpflichtet wird. Zentrales Merkmal einer Auftragsvergabe im Wettbewerb (Paragraf 97 Absatz 1 Satz 1 GWB) ist die Gewährleistung eines Geheimwettbewerbs zwischen den teilnehmenden Bietern.

Kennt ein Bieter Leistungsumfang und Preise seines Konkurrenten, muss er nicht an seine individuelle Rentabilitätsgrenze gehen, um sie zu unterbieten, sondern er braucht sein Angebot nur noch an den ihm bekannten Bedingungen auszurichten (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Februar 2017 – 15 B 832/15).

Diese Möglichkeit besteht nach Abschluss des Vergabeverfahrens zwar nicht mehr. Gleichwohl kann die zumindest ungefähre Kenntnis dieser mutmaßlichen Rentabilitätsgrenze konkurrierenden Unternehmen im Rahmen künftiger, inhaltlich vergleichbarer Ausschreibungen strategische Vorteile verschaffen, weil sie sich möglicherweise an dem ihnen bekannten Angebot des Mitbewerbers aus dem bereits abgeschlossenen Verfahren orientieren könnten (Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 31. Mai 2016 – 3 L 314/13). Wie wahrscheinlich es aber ist, dass Mitbewerbern daraus tatsächlich ein wettbewerbsrelevanter Vorteil in einem zukünftigen Vergabeverfahren zuwächst, ist allerdings eine Frage des Einzelfalls.

Landespressegesetz regelt Auskunftspflichten

Paragraf 4 des Landespressegesetzes Baden-Württemberg regelt unter anderem: “Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. […] Auskünfte können verweigert werden, soweit (1.) hierdurch die sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte oder (2.) Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen oder (3.) ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde oder (4.) ihr Umfang das zumutbare Maß überschreitet.“

Holger Schröder, Fachanwalt für Vergaberecht

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