EuGH-Urteil

Bieter aus Drittstaaten haben bei öffentlichen Aufträgen das Nachsehen

Eine Entscheidung des EuGH begrenzt den Zugang von Wirtschaftsteilnehmern aus Drittländern, die nicht in wechselseitiger und gleicher Weise den Zugang zu ihren öffentlichen Aufträgen gewährleisten. Die EuGH-Richter erlauben in einem Fall die Ungleich-Behandlung einer Bietergemeinschaft aus der Türkei gegenüber EU-Wettbewerbern.

Bieter aus Drittsaaten müssen laut EuGH-Urteil mit einer Benachteiligung gegenüber Wettbewerbern mit Sitz in der EU rechnen.

IMAGO/imagebroker)

Luxemburg . Bieter aus Drittländern haben kein Recht auf eine „nicht ungünstigere Behandlung“, so die Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH). Sie müssen mit einer Benachteiligung gegenüber Wettbewerbern rechnen, die ihren Sitz in der EU haben, wie der Fall einer Bietergemeinschaft aus der Türkei zeigt.

Die Entscheidung (EuGH, Urt. v. 22.10.2024 – C-652/22 – „Kolin“) habe massive Konsequenzen für die Beteiligung von Bietern aus nicht vertragsgebundenen Drittstaaten, kommentiert Annette Rosenkötter, Fachanwältin für Vergaberecht und Partnerin in der Sozietät FPS Fritze Wicke Seelig in Frankfurt a.M. in einem Fachbeitrag auf Vergabeblog.de (28/11/2024 Nr. 66591).

In dem Fall leitete eine kroatische öffentliche Auftraggeberin im September 2020 ein offenes Verfahren zur Erneuerung von Eisenbahninfrastruktur in Kroatien ein. Zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit mussten die Bieter eine Aufstellung vergleichbarer Arbeiten der letzten zehn Jahre einreichen. Am 25. Februar 2022 wurde der Zuschlag schließlich auf das Angebot der Bietergemeinschaft Strabag AG erteilt.

Daraufhin erhob der unterlegener Bieter, das in der Türkei niedergelassene Unternehmen Kolin, Beschwerde, da die Strabag AG ihre Leistungsfähigkeit nicht wie in den Ausschreibungsbedingungen gefordert nachgewiesen habe. Daraufhin wurde die Vergabeentscheidung am 10. März 2022 aufgehoben.

Die Auftraggeberin forderte daraufhin von der Strabag AG eine überarbeitete Aufstellung der Arbeiten nach. Das tat die Strabag AG und ergänzte die Aufstellung bei der Gelegenheit um eine weitere Referenz. Am 28.April 2022 erteilte die Auftraggeberin wiederum den Zuschlag an die Strabag AG. Dagegen macht Kolin geltend, dass die Auftraggeberin die Strabag Ag nicht zur Vorlage zusätzlicher Nachweise hätte auffordern dürfen. Da die Beschwerde bei der kroatischen Kontrollmission erfolglos blieb, erhob die Antragstellerin Klage beim Verwaltungsgericht. Dieses hatte Zweifel, ob Strabag zusätzliche Referenzen hätte angeben dürfen, obwohl diese im ursprünglichen Angebot nicht enthalten waren und legte die Frage daher dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Der EuGH äußerte sich allerdings nicht zu dieser Frage. Er lehnte nämlich das Vorabentscheidungsgesuch bereits als unzulässig ab. Mit der Begründung, dass das antragstellende Unternehmen Kolin aus einem Drittstaat komme, der keinen Anspruch auf Gleichbehandlung nach der maßgeblichen Richtlinie (RL 2014/25) habe. Damit sei die Klärung der Frage zur Zulässigkeit der Nachforderung der Referenz nicht erforderlich, um die Entscheidung in der Sache zu treffen.

„Eine unterschiedliche Behandlung von Bietern aus Drittstaaten im Vergleich zu jenen aus der EU oder der Freihandelszone barg bisher das Risiko eines erfolgreichen Nachprüfungsverfahrens“, erklärt die Vergaberechtlerin Rosenkötter. „Diese grundsätzliche Position wird wohl nach der Entscheidung des EuGH nicht aufrechterhalten bleiben können.“

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