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Beihilfebeschwerde bei EU-Kommission

Beim Breitbandausbau droht eine weitere Verzögerung

Eine aktuelle Beihilfebeschwerde gegen die Breitbandförderung stellt die Förderprogramme auf den Prüfstand und könnte weitreichende Folgen für den Digitalisierungsprozess haben.

Ein Unternehmen hat bei der EU-Kommission Beschwerde eingereicht: Es rügt, dass die Netzbetriebsverträge weit nach ihrer Ausschreibung genutzt werden, ohne dass neuerliche Auswahlverfahren eines Betreibers durchgeführt werden. Foto: IMAGO/Gottfried Czepluch

Gottfried Czepluch via www.imago-images.de)

Stuttgart . Im Rahmen der Breitbandförderung unterstützen Bund und Land seit Jahren den Ausbau von Internetverbindungen mit hohen Geschwindigkeiten. Ziel dieser Maßnahmen ist es, die „weißen“ und „grauen Flecken“, also unterversorgte Gebiete, in denen der Markt allein keine ausreichende Internetversorgung bereitstellt, auf der digitalen Landkarte zu schließen. Vor allem in strukturschwächeren Gebieten fehlt es oft an privatwirtschaftlichem Interesse, den Ausbau voranzutreiben.

Staat fördert flächendeckenden Glasfaserausbau mit Milliarden

Seit 2015 wurden dazu Milliarden Euro in die Hand genommen, um den flächendeckenden Glasfaserausbau zu fördern. Die EU hat diese Förderung bislang genehmigt, da sie mit den Zielen der digitalen Transformation und der Schaffung eines fairen Binnenmarkts im Einklang steht.

Im Rahmen der Projektumsetzung kam dabei entweder das Wirtschaftlichkeitslückenmodell (Zuschuss an den privaten Dritten, welcher das Projekt umsetzt) oder das Betreibermodell in Betracht. Beim Betreibermodell verbleibt die passive Infrastruktur (Leerrohre und Glasfaserkabel) im Eigentum der öffentlichen Hand. Der Aufbau der Netzinfrastruktur sowie der Netzbetrieb werden getrennt (europaweit) ausgeschrieben. Das für den Netzbetrieb ausgewählte Telekommunikationsunternehmen bezahlt nach Abschluss des Ausbaus eine Pachtgebühr für die Nutzung der passiven Netzinfrastruktur.

Hierbei erfolgten in vielen Gebieten die Betriebsausschreibungen bereits in den Jahren 2016 bis 2018. Um einen „Flickenteppich“ an verschiedenen Betreibern zu verhindern, wurde im Regelfall nur ein Betreiber je Zweckverband/Landkreis gesucht. Die Betriebsdauer liegt häufig bei über zehn Jahren und umfasst nicht nur die bereits zu diesem Zeitpunkt bestehende Infrastruktur, sondern auch die im Betriebszeitraum zukünftig im jeweiligen Gebiet noch entstehende (geförderte) Breitbandinfrastruktur.

Die Beihilfenbeschwerde bei der Europäischen Kommission ist ein Verfahren, mit dem die EU-Kommission auf eine mutmaßlich rechtswidrige staatliche Beihilfe in einem EU-Mitgliedstaat aufmerksam gemacht werden kann. Beihilfen dürfen laut den EU-Wettbewerbsregeln nicht den Binnenmarkt verfälschen oder den Wettbewerb verzerren. Die EU-Kommission prüft, ob die betreffende Maßnahme mit den EU-Vorschriften im Einklang steht. Wenn die Beihilfe als unzulässig eingestuft wird, kann die Kommission die Rückforderung der finanziellen Unterstützung von den Empfängern anordnen.

Die vorliegende Beschwerde zielt nun direkt auf die dargestellte Ausschreibungspraxis der Netzbetriebsverträge ab. Der Beschwerdeführer rügt, dass die Netzbetriebsverträge zeitlich noch weit nach ihrer Ausschreibung zur Förderung späterer Förderprojekte über die Erschließung weißer und grauer Flecken genutzt werden, ohne dass neuerliche Auswahlverfahren des Betreibers durchgeführt wurden. Dies hat zur Folge, dass Unternehmen, welche sich nicht bereits erfolgreich beteiligt hatten, auch bei allen weiteren Förderprojekten für den Betrieb unberücksichtigt bleiben.

Zukünftige Erweiterungen sind vergaberechtlich zulässig

Aus vergaberechtlicher Sicht ist die Einordnung eindeutig. Grundsätzlich verlangt das Vergaberecht, dass der Leistungsgegenstand in Bekanntmachung, Leistungsbeschreibung und Vertragsentwurf eindeutig und ausreichend bestimmt ist. Auch ist die Einbeziehung zukünftiger Erweiterungen, sofern diese ausreichend bestimmbar sind (etwa durch Benennung der beabsichtigten Kommunen), vergaberechtlich zulässig. So regelt beispielsweise Paragraf 132 Absatz 2 Nummer 1 GWB für Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit, dass diese zulässig sind, sofern klare, genaue und eindeutig formulierte Überprüfungsklauseln oder Optionen vorgesehen sind.

Ein Grund zur Panik ist die Beihilfenbeschwerde daher nicht. Sofern ein wettbewerbliches, transparentes, diskriminierungsfreies und bedingungsfreies Ausschreibungsverfahren durchgeführt wurde und der Bieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot den Zuschlag erhalten hat, dürfte keine Gefahr für die bestehenden Netzbetriebsverträge bestehen. Sofern hingegen zukünftige Gebiete nicht eindeutig in die Betriebsvergabe einbezogen wurden, ist eine vergaberechtliche Überprüfung aus eigenem Interesse zur Sicherung der Fördermittel geboten.

Gefahr für Fördermittel

Eine EU-Beihilfenbeschwerde gegen die bestehende Ausschreibungspraxis des Netzbetriebsvertrags im „Betreibermodell“ sorgt für erhebliche Unruhe im Markt. Sofern die Wettbewerbsgrundsätze bei den Ausschreibungen eingehalten wurden und die Einbeziehung zukünftiger Gebiete eindeutig geregelt wurde, dürfte keine Gefahr für die Fördermittel bestehen. Eine Überprüfung ist aber geboten, da die Rückforderung von Fördermitteln in erheblichen Umfang oder Neuausschreibungen drohen.

Markus Schildknecht, Fachanwalt für Vergaberecht, Menold Bezler Stuttgart Foto: NIELS SCHUBERT

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