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Baubürgermeister fordern von der EU: „Make it simple!“

Die Planungsphase für den Bau eines Kindergartens beträgt durch EU-Vergaberecht rund drei Jahre. Hinzu kommt eine zweijährige Bauzeit.
IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON)Stuttgart . Die Vergabe von Planungs- und Ingenieurleistungen „muss neu justiert werden“. Das fordert eine Arbeitsgruppe von Baubürgermeisterinnen und Baubürgermeistern, die im Städtetag organisiert ist. Sie machen ihre Bedenken an einem Beispiel deutlich: Bereits für den Bau eines eingruppigen Kindergartens sei eine europaweite Ausschreibung fast aller Planungsleistungen erforderlich. Insgesamt habe sich die Planungsphase durch die aktuellen Vergaberichtlinien der EU fast verdreifacht. „In der Regel drei Jahre. Dazu kommt durchschnittlich eine zweijährige Bauzeit“, rechnen die Experten vor.
Alle Leistungen sind bei der Auftragswertschätzung zu addieren
Die große Bremse aus Sicht der Baubürgermeister ist die Streichung des Paragrafen 3 Absatz 7 Satz 2 der Vergabeverordnung, die aufgrund des Drucks der EU-Kommission erfolgte. Die bisherige Regelung, dass nur „gleichartige Leistungen“ bei der Auftragswertschätzung zusammengerechnet werden mussten, wurde gekippt. Damit überschreiten seither viele öffentliche Planungsaufgaben die EU-Schwellenwerte und müssen nach EU-Recht vergeben werden.
„Die Folge solcher Regelungen ist, dass gerade kleinere Kommunen für ihre Beschaffungsvorhaben Ressourcen aufbauen oder einkaufen müssen, denn in der Regel ist kein Fachpersonal vorhanden, um Aufträge rechtssicher zu vergeben“, heißt es aus dem Kreis der regelmäßig tagenden Arbeitsgruppe im Städtetag. „Für die Kommunen bedeutet das eine große Verantwortung, da sie regelmäßig gegenüber den Fördermittelgebern und der Gemeindeprüfungsanstalt Rechenschaft ablegen müssen. Bei Vergabefehlern müssen Fördermittel zurückgezahlt werden.“
Die Baubürgermeisterinnen und Baubürgermeister würden gerne mehr Aufträge an regionale Planungsbüros vergeben. Diese seien auch für den weiteren Betrieb der Gebäude und andere auftretende Probleme wertvoll. So könne bei lokalen Vergaben viel mehr auf Prozess- und Bauqualität der jeweiligen Büros Wert gelegt werden – ähnlich wie es ein privater Bauherr machen würde. Planungsbüros und ihre Leistungsfähigkeit seien häufig bekannt, was die Vorhersehbarkeit der Durchführung eines Projektes erhöht.
Die Baubürgermeisterinnen und Baubürgermeister weisen darauf hin, dass laut ihren Erfahrungen ein europäischer Wettbewerb in diesem Bereich ohnehin nicht stattfinde – in der Regel stamme maximal ein Prozent der Beteiligung an Ausschreibungen aus anderen europäischen Ländern.
Positionspapier in den EU-Konsultationsprozess eingespeist
„Wir haben das Papier offiziell in den aktuellen EU-Konsultationsprozess zum Vergaberecht eingespeist“, sagt Claudius Mähler, Referent beim Städtetag Baden-Württemberg. Die Experten wollen bei Vergabethemen mehr Entscheidungsfreiheit für die Kommunen erreichen, „da schnelle Problemlösungen für die Bürgerschaft relevant und sichtbar sind“.
„Wir appellieren an die EU, mehr Vertrauen in den Normanwender zu haben“, erklärt Mähler. In ihrem Papier stellen die Baubürgermeister fünf Forderungen auf, die deutlich machen, wie wichtig eine Entbürokratisierung auf EU-Ebene sowohl für die Städte und Gemeinden als auch für Unternehmen ist.
So wollen sie bei der Erhebung der Schwellenwerte von Planungs- und Ingenieurleistungen wieder eine Rückkehr zur Einzelbewertung. Ausnahme seien „gleichartige Planungsleistungen“. Zudem müssten die Schwellenwerte entsprechend der realen Kostenentwicklung nach dem Baukostenindex im Baubereich jährlich angehoben werden, um eine „kalte Progression“ zu vermeiden. Die Experten plädieren auch dafür, den Anteil an Planungsleistungen zu erhöhen, die freihändig vergeben werden können, vorausgesetzt es wurden zuvor drei Angebote eingeholt.
Überdies sollen die Schwellenwerte für Planungsleistungen wertmäßig mit denen für Bauleistungen gekoppelt werden. Die Zuordnung der Planungsleistungen zu Lieferleistungen müsse aufgehoben werden. Abschließend fordern die öffentlichen Bauexperten, dass die Vergaberegeln etwa durch ein weiteres Absenken der Schwellenwerte oder gar Zusammenfassen von verschiedenen Auftragsbereichen nicht weiter verkompliziert werden dürfen. „All diese Punkte sind auch auf Vergabeverfahren für Bauleistungen übertragbar“, heißt es in dem Papier.
Das Positionspapier
Aktuell läuft eine öffentliche Konsultation der Europäischen Kommission zur Bewertung der EU-Richtlinien zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Bis zum 7. März 2025 hatten Interessierte die Möglichkeit, ihre Vorschläge einzubringen. Das Positionspapier zur Vergabe von Planungs- und Ingenieurleistungen wurde von Januar bis März von der Arbeitsgruppe der Baubürgermeisterinnen und Baubürgermeistern im Städtetag Baden-Württemberg erarbeitet. Sie finden es unter: Feedback from: Städtetag Baden-Württemberg