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Auftragsänderung ohne erneute Ausschreibung
NÜRNBERG . Zum Thema Ausführungsfristen entschied der Europäische Gerichtshof in einem Urteil vom 7. Dezember 2023 (Aktenzeichen C-441/22 und C-443/22 „Obshtina Razgrad und Balchik“). Zusammenfassend hielt dieser dazu fest: Die Sorgfalt eines öffentlichen Auftraggebers erfordert es, dass er bei der Vergabevorbereitung die Risiken berücksichtigen muss, die sich für die Auftragsausführungsfrist aus den gewöhnlichen Wetterbedingungen und vorher bekannten gesetzlichen Verboten (etwa Bauverbote) ergeben können.
Gemeinden verschiebt die Frist für die Fertigstellung von Bauarbeiten
Der betreffende Fall spielte sich in der bulgarischen Gemeinde Balchik am Schwarzen Meer ab. Sie vergab am 19. April einen EU-finanzierten Auftrag zur Gestaltung ihrer Küstenpromenade. Die ursprüngliche Frist für die Fertigstellung betrug 45 Tage. Wegen schlechten Wetters und eines Bauverbots in der Tourismussaison vom 15. Mai bis 1. Oktober wurde die Frist später auf 250 Tage verlängert. Die Förderbehörde kürzte deswegen die EU-Finanzierung um 25 Prozent. Sie begründete dies damit, dass die Gemeinde das europäische Vergaberecht nicht eingehalten habe. Daraufhin reichte Balchik Klage gegen die Kürzung der Mittel ein.
Die Richter aus Luxemburg betonen, dass ein Auftrag ohne ein neues Vergabeverfahren geändert werden kann. Dies ist zum Beispiel möglich, wenn die Änderung aufgrund unvorhersehbarer Umstände erfolgte, die ein verantwortungsbewusster öffentlicher Auftraggeber nicht voraussehen konnte (Paragraf 132 Abs. 2 Satz 1 Nummer 3 GWB).
Gemäß Erwägungsgrund 109 der EU-Vergaberichtlinie ergibt sich, dass unvorhersehbare Umstände externe Faktoren sind. Diese können selbst bei einer sorgfältigen Vorbereitung der ursprünglichen Zuschlagserteilung durch den öffentlichen Auftraggeber nicht vorhergesagt werden. Dabei werden Aspekte berücksichtigt wie die verfügbaren Mittel, die Art und Merkmale des konkreten Projekts, bewährte Praktiken in der entsprechenden Branche und die Notwendigkeit, ein angemessenes Verhältnis zwischen den eingesetzten Ressourcen bei der Vorbereitung der Zuschlagserteilung und dem zu erwartenden Nutzen sicherzustellen. Daher gelten normale Wetterbedingungen und im Voraus bekannt gegebene, während der Ausführungszeit gültige gesetzliche Bauverbote nicht als unvorhersehbare Umstände für einen sorgfältig handelnden öffentlichen Auftraggeber.
Wenn solche vorhersehbaren Umstände bestehen, kann der öffentliche Auftraggeber Überprüfungsklauseln in die ursprünglichen Vergabeunterlagen aufnehmen. Diese Klauseln erlauben später Änderungen ohne Vergabeverfahren nach Nummer 1 der Vorschrift. Somit erfordert eine Auftragsänderung nach Nummer 3, dass der öffentliche Auftraggeber bei der Vergabevorbereitung auch Risiken berücksichtigt hat. Diese Risiken schließen die Auswirkungen der normalen Wetterbedingungen und der vorab bekannt gemachten, für den Ausführungszeitraum relevanten gesetzlichen Bauverbote auf die Einhaltung der Ausführungsfrist ein.
Gleichbehandlung und Transparenz müssen gewahrt bleiben
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass Änderungen von Aufträgen während ihrer Laufzeit die Grundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz infrage stellen können. Die Änderung von Aufträgen ohne neue Ausschreibung aufgrund unerwarteter Ereignisse setzt bei öffentlichen Auftraggebern somit eine hohe Sorgfalt voraus. Laut den europäischen Richtern müssen Auftraggeber alle relevanten Maßnahmen und Umstände bei ihrer Beschaffungsplanung berücksichtigen. Dies macht eine detaillierte Beurteilung jedes Einzelfalls notwendig, um Aufträge rechtssicher und ohne Ausschreibung ändern zu können. Weiterhin darf eine solche Änderung den Gesamtcharakter des Vertrags nicht verändern. Zudem darf eine mögliche Preissteigerung durch die Änderung 50 Prozent des ursprünglichen Auftragswertes nicht überschreiten, wie in Paragraf 132 Absatz 2 Satz 2 GWB geregelt. Zudem ist die Verpflichtung zur Bekanntmachung im EU-Amtsblatt gemäß Paragraf 132 Absatz 5 GWB zu beachten.