Auskömmlichkeit von Angeboten

Sehr niedrige Preise eines Bieters? – Auftraggeber prüft auf Plausibilität

Niedrige Preise sind immer wieder ein Thema bei öffentlichen Ausschreibungen. Die Prüfung von Angeboten ist daher elementar. Sie ist Sache des Auftraggebers, der dabei einen Ermessensspielraum hat. Er geht unter Umständen sogar so weit, dass er im laufenden Nachprüfungsverfahren noch „nachdokumentieren“ kann, warum er ein Angebot doch für auskömmlich hält.

Vor der Vergabekammer Niedersachsen ging es um ein Konzept zur Beseitigung von Asbest in einer Schule, das von einem Bieter nachgefordert wurde. Foto: dpa/Markus ULMER

Markus ULMER)

Lüneburg . Wenn unter den Angeboten für einen öffentlichen Auftrag eines dabei ist, was mit auffällig niedrigen Preisen kalkuliert ist, wird nicht nur der Auftraggeber aufmerksamer hinschauen, sondern auch die Konkurrenz. Nicht nur theoretisch gibt es die Gefahr, dass ein Bieter versucht, über „Kampfpreise“ an den Auftrag zu gelangen. Den automatischen Ausschluss des Angebots hat das aber nicht zur Folge, wie ein Urteil der Vergabekammer Niedersachsen in Lüneburg zeigt. Der Auftraggeber kann erstens mit einem gewissen Ermessenspielraum die Preise prüfen. Und er kann zweitens – so er es in der Vergabebekanntmachung nicht ausgeschlossen hat – auch Unterlagen nachfordern, um die Zahlen im Angebot auf Plausibilität prüfen zu können. Das gilt auch bei anderen wichtigen Teilen des Angebots.

Im vorliegenden Fall ging es um die Beseitigung von Asbest in einer Schule (Aktenzeichen VgK 32/2023). In dem europaweit ausgeschriebenen Verfahren wurde zu 70 Prozent der Preis als Zuschlagskriterium gewertet, die restlichen 30 Prozent waren für ein Sanierungskonzept für den Sondermüll gedacht. Dieses Konzept war vom späteren Sieger der Ausschreibung zunächst nicht beigefügt worden. Gemäß seinen eigenen Vorgaben forderte der Auftraggeber das Konzept nach. Und: aufgrund der vorhandener Preisunterschiede monierte ein Konkurrent die fehlenden Unterlagen und forderte über eine Rüge den Ausschluss. Als der Auftraggeber dem nicht nachkommen wollte, strengte der nicht berücksichtigte Bieter ein Nachprüfungsverfahren an.

Auftraggeber hatte angekündigt, Unterlagen nachfordern zu können

Die Vergabekammer Lüneburg wies die Klage in vollem Umfang zurück. Zum einen sei es zulässig gewesen, das Sanierungskonzept nachzufordern. Die Begründung klingt simpel: der Auftraggeber habe von vornherein nicht ausgeschlossen, dass er Unterlagen nachfordern könne. Und genau davon machte er in diesem Fall Gebrauch. Hätte er die Möglichkeit in der Bekanntmachung ausgeschlossen, wäre ein Nachfordern vergaberechtswidrig gewesen und der Ausschluss wäre zwingend gewesen. In der Praxis bedeutet dies, dass Auftraggeber gut daran tun, kein allzu enges Korsett zu schnüren, was die formalen Vorgaben angeht. Die Chance auf mehr Wettbewerb und bessere Angebote, wächst für den Auftraggeber, wenn er ein Nachfordern zulässt.

Darauf verweist auch das Bundesinnenministerium in einem Schreiben aus dem Februar des Jahres 2020. Darin geht es um die Auslegung von Regelungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A). Das Ministerium bittet darum, dass leistungsbezogene Unterlagen nachgefordert werden, die im Rahmen der Zuschlagskriterien die Wirtschaftlichkeitsbewertung betreffen. Dies entspreche auch Paragraf 16a der VOB/A (siehe Infokasten).

Mit Blick auf die Preise kam die Vergabekammer ebenfalls zu einer eindeutigen Wertung. Die Preisprüfung sei angemessen gewesen. Sie müsse darauf ausgerichtet sein, eine gesicherte Erkenntnisgrundlage für eine Entscheidung zu bekommen. Gleichzeitig falle dem Auftraggeber mit Blick auf das Ergebnis ein gewisser Ermessensspielraum zu. Dafür ist es laut der VK Niedersachsen sogar zulässig, im laufenden Nachprüfungsverfahren weitere Kalkulationsangebote nachzufordern und die notwendige ausführliche Dokumentation seitens des Auftraggebers zu erstellen. Voraussetzung dafür, dass dies zulässig ist, ist eine vorhandene Dokumentation, die in Grundzügen die Ergebnisse der Kalkulationsprüfung schon enthält. Wer nicht dokumentiert, hat allerdings schlechte Karten. Dies entzieht einer prüfenden Instanz die Chance, den Vorgang nachzuvollziehen.

Vergabekammer bewertet nicht, ob ein Angebot auskömmlich ist

Bei einer Preisprüfung, die angezweifelt wird, kommt noch ein Aspekt hinzu, der von manchen Vergabepraktikern, aber auch Bietern übersehen wird. Eine Vergabekammer bewertet am Ende nicht, ob ein Angebot auskömmlich ist. Die Instanz überprüft lediglich, ob der Auftraggeber das Angebot und die zugrundeliegende Preiskalkulation richtig bewertet hat. Hierbei handle es sich nur um eine Prognoseentscheidung, so die Vergabekammer. Als Vergabekammer suche man ausschließlich nach Beurteilungsfehlern, die hier aber nicht vorgelegen hätten. Zudem habe die Dokumentation keine Zweifel an der Auskömmlichkeit der Angebote aufkommen lassen.

Fehlen wesentliche Preisangaben, folgt der Ausschluss

Bei Vergabeverfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte sind öffentliche Auftraggeber häufiger mit fehlenden, unvollständigen oder fehlerhaften Unterlagen von Bietern und Bewerbern konfrontiert. Paragraf 16a der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) legt fest, dass ein Auftraggeber unter Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung Bieter auffordern muss, unvollständige oder fehlerhafte Erklärungen, Angaben oder Nachweise nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren. Dafür wird dann eine Frist vom Auftraggeber gesetzt. Wird sie nicht eingehalten, folgt der Ausschluss. Fehlende Preisangaben, die wesentlich sind, dürfen jedoch nicht nachgefordert werden. Solche Angebote sind dann direkt auszuschließen.

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 189 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesermeinungen

Bitte loggen Sie sich ein, um zu kommentieren.