Aufhebung von Vergabeverfahren

Auftraggeber missdeutet Vergaberecht

Auftraggeber heben von sich aus Vergabeverfahren auf, wenn sie keine oder nur unwirtschaftliche Angebote erhalten. Es gibt für eine Aufhebung auch einen Ermessensspielraum, der jedoch nach einer aktuellen Entscheidung der Vergabekammer Südbayern von Auftraggebern falsch interpretiert werden kann.

In einem Fall vor der Vergabekammer Südbayern ging es um die Rücknahme einer Ausschreibung zu Reinigungsdienstleistungen.

dpa/DC_2/Shotshop)

München . Bei öffentlichen Vergabeverfahren zeichnet sich ein Trend ab: mehr Verfahren als bislang üblich werden aufgehoben. Das hat verschiedene Gründe. In sehr vielen Fällen müssen Auftraggeber einen zweiten Anlauf nehmen, weil kein wirtschaftliches Angebot eingegangen ist. Genau dieser Fall ist rein vergaberechtlich zulässig.

Wer allerdings ein Verfahren aufhebt, ohne dafür einen sachlichen Grund vorweisen zu können, der läuft Gefahr, dass er bei einer Nachprüfung die Aufhebung wieder rückgängig machen muss. Das zeigt ein Fall vor der Vergabekammer Südbayern in München, wo es um die europaweite Ausschreibung von Gebäudereinigungsleistungen ging.

Im Laufe des Vergabeverfahrens ergaben sich seitens der Bieter zahlreiche Fragen

Eine Stadt als Auftraggeberin hatte die Kommune in vier Lose eingeteilt: Bieter konnten sich für alle vier Lose bewerben, wobei der Zuschlag nur für maximal zwei Lose galt. Obwohl der Preis als Zuschlagskriterium galt, hatte der Auftraggeber den potenziellen Einsatz eines Steigers oder eines Hubwagens nicht über das Angebot abgefragt. Die Preise sollten entsprechend der entstandenen Kosten am Ende mit dem jeweiligen Auftraggeber abgerechnet werden.

Im Laufe des Vergabeverfahrens ergaben sich seitens der Bieter zahlreiche Fragen: etwa zu den eingeforderten Referenzen, der Losaufteilung und der Berechnungsmethode des wirtschaftlichsten Angebots. Überdies geriet der Auftraggeber unter Druck, weil er eines der für den Zuschlag in Frage kommenden Angebote für unauskömmlich hielt.

Als eine Art „Ausweg“ aus der Vielzahl an Problemen wählte der Auftraggeber die Aufhebung des Verfahrens. Nach Ansicht der Vergabekammer der falsche Weg, weil der aus vergaberechtlicher Sicht notwendige schwerwiegende Grund für diesen Schritt nicht vorlag. Zwar hat ein Auftraggeber ein Ermessen in der Frage, ob er ein Vergabeverfahren aufhebt. Allerdings braucht es dafür einen „sachlich gerechtfertigten“ Anlass, heißt es im Beschluss der Vergabekammer. Stelle sich die Entscheidung willkürlich dar oder ist das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden, kann das Verfahren nicht aufgehoben werden.

In diesem Zusammenhang definiert die Vergabekammer auch den Begriff der Willkür. Eine Entscheidung sei dann willkürlich, „wenn es unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht“. Willkür liege dann vor, wenn eine einschlägige Norm nicht berücksichtigt worden sei oder der Inhalt einer Norm „in eklatanter Weise missdeutet wird“.

Der Auftraggeber versuchte, mit vermeintlichen Fehlern in der eigenen Ausschreibung die Aufhebung zu rechtfertigen. Unter anderem sei nicht ausreichend transparent beschrieben worden, wie die Vorgehensweise bei der Losverteilung sei. Außerdem habe man nicht alle Kosten abgefragt, beispielsweise für den Hubsteiger.

Diese Kosten könnten sich im Wettbewerb aber erheblich unterscheiden. So sei das wirtschaftlichste Angebot aber nicht zu ermitteln. Der Auftraggeber sprach von „schwerwiegenden Gründen“, die ihm erst nach Beginn der Ausschreibung bekannt geworden seien und nicht von ihm verschuldet worden seien. Er nutzt hier die Formulierung, die in der Vergabeverordnung (VgV) für eine Aufhebung angeführt wird (siehe Infokasten).

Fehler des Auftraggebers sind kein Grund zur Aufhebung

Die Vergabekammer lehnte diese Argumentation des Auftraggebers ab. Vor allem die Idee, dass die angeführten Gründe nicht in den Verantwortungsbereich des Auftraggebers fallen sollten, verfing nicht.

Die fehlerhafte Bekanntgabe der Vorgehensweise bei der Loslimitierung, die fehlende Berücksichtigung von Kostenfaktoren im Angebot oder das Versenden von fehlerhaften Informationsschreiben seien Punkte, die allein im Verantwortungsbereich des Auftraggebers liegen würden. Dies falle nicht unter die in der Vergabeverordnung angeführten Gründen. Zudem hätten alle Fehler der Ausschreibung geheilt werden können. Eine Aufhebung sei deswegen nicht gerechtfertigt.

Schwerwiegende Gründe

Die Vergabeverordnung nennt im Paragraf 63 „schwerwiegende Gründe“, die einem öffentlichen Auftraggeber erlauben, ein Vergabeverfahren aufzuheben: Wenn keine Angebote eingegangen sind, die den Bedingungen entsprechen. Wenn sich die Grundlage des Vergabeverfahrens wesentlich geändert hat. Wenn kein wirtschaftliches Ergebnis erzielt wurde. Und als viertes: „andere schwerwiegende Gründe“. Darunter fällt etwa, dass sich die ursprünglichen Anforderungen wesentlich ändern oder Verstöße gegen das Vergaberecht festgestellt werden.

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