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Essgeschichte

Pelikan mit Kraut und Rüben: Die Speisepraxis in der Renaissance

Esskultur ohne Gabel: Bei den Festmählern der frühen Neuzeit demonstrierte der Adel seinen Status. Wie etwa der Graf Eberhard von Hohenlohe. Die Dokumente rund um ein Fest des Grafen sind eine aufschlussreiche Quelle zur Speisepraxis in der Renaissance. Wie sich die unteren Schichten ernährten, ist weniger bekannt.

Speisekarte in Kanzleischrift.

Hohenlohe Zentralarchiv HZAN Wa 25 Bü 121)

Künzelsau. Fünf Tage lang wurde geschlemmt. Acht Grafen, dazu zahlreiche Vertreter des niederen Adels und einige bürgerliche Honoratioren reisten 1555 nach Schloss Waldenburg, wo Eberhard von Hohenlohe und Agatha von Tübingen Hochzeit feierten.

Viel Wissen über die aristokratische Esskultur

„Bankette wie das des Grafen Eberhard wurden minutiös vorbereitet. Aus diesem Grund wissen wir über die aristokratische Esskultur viel mehr als über die Ernährungsgewohnheiten der unteren Schichten“, sagt Jan Wiechert. Der Historiker, der unter anderem mit Publikationen zur regionalen Kriminalgeschichte hervorgetreten ist, war früher im Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein tätig. Die dort verwahrten Zeugnisse zu den Vermählungsfestivitäten von Graf Eberhard kennt er bestens. So hat der Experte nicht nur die erhaltenen Abrechnungen, Einladungen und Personalplanungen studiert, sondern auch die Speisekarte. „Sie ist in feinster Kanzleischrift abgefasst“, betont er. Vermutlich habe einer der Hofbeamten den Fahrplan zum großen Fressen abgefasst.

Schon viele Wochen vorher waren die Arbeitstage für Gesinde und Hofmeisterei besonders lang. Fuhrwerke voller Weinfässer kämpften sich den Berg zum Schloss hoch, die Schlachter lieferten zentnerweise Rindfleisch an, dazu haben hunderte Hühner, Gänse oder Enten ihr gefiedertes Leben gelassen. Auch die Teiche der Umgebung wurden dazu leergefischt.

Aus der Anweisung, sicherheitshalber genügend Löschwasser bereitzuhalten, lässt sich außerdem schließen, dass die Öfen rund um die Uhr unter Feuer standen.

Denn neben den voluminösen Hauptmahlzeiten mittags und abends gab es analog zum modernen Frühstück eine „Morgensuppe“, für die man oft Reste vom Vortag nutzte. Zusätzlich verwöhnten ein Nachmittagsimbiss, der sogenannte „Untertrunk“, sowie ein aus eingelegten Früchten bestehender „Nachttrunk“ die gräflichen Gäste.

„Mit der Auswahl der Lebensmittel“, betont der Historiker, „wollten die Gastgeber ihren gesellschaftlichen Status demonstrieren.“ Neben viel Fleisch stand Exotisches wie Zitronen, Pomeranzen oder Konfekt aus „Kanarienzucker“ (er kam von den Kanarischen Inseln) für den blaublütigen Konsum bereit.

Am markantesten schlug sich der repräsentative Anspruch bei der Würzung nieder. „Die adelige Küche hat Nelken, Zimt und Muskat so reichhaltig verwendet, dass es modernen Menschen gar nicht mehr geschmeckt hätte“, glaubt Wiechert.

Aufgrund der langen Transportwege zählten Gewürze zum absoluten Luxusgut. Ihr verschwenderischer Einsatz machte die ökonomische Stärke des Hausherrn sichtbar. Ein Porsche für den Gaumen.

Die Mittags- und Abendbankette bestanden jeweils aus bis zu acht Gängen. Manche der servierten Gerichte, etwa „Forelle blau“, sind bis heute bekannt. „Spanferkel-Sülze“ oder „Hasenpastete“ dagegen kommen im 21. Jahrhundert nur noch selten auf den Tisch.

Als absolutes Highlight des Hochzeits-Events verzeichnen die Archivalien einen Pelikan. „Vermutlich handelte es sich um eine Pastete aus anderen Fleischsorten, die nur die Form des Wasservogels besaß“, beruhigt Wiechert. Dabei entsprang die Gestalt der Tischskulptur keiner kreativen Laune des Küchenchefs, sondern wurzelt im emblematischen Denken der Zeit. Einer Legende nach soll sich der Pelikan mit dem Schnabel die Brust aufgepickt haben, um in einer Hungersnot seine Brut zu nähren. Deshalb symbolisierte er sowohl das Leiden Christi als auch den guten Souverän, der sich für seine Untertanen opfert.

Egal ob echte oder falsche Vögel – ein Vegetarier hätte die Waldenburger Tafel mit knurrendem Magen verlassen. Das Gemüse-Angebot nämlich beschränkte sich auf einen nicht näher spezifizierten „Salat“ sowie auf „Kraut und Rüben“.

Für die Dienerschaft und Bürger gab es eher Hausmannskost

Deutlich traten die Standesunterschiede bei der Verköstigung hervor. Dienerschaft und bürgerliche Gäste erhielten mit Sülze aus Ochsenfüßen eher Hausmannskost. „Dem einfachen Volk“, erklärt Wiechert, „war der Verzehr kostspieliger Nahrungsmittel sogar von Amts wegen untersagt.“

Ähnliche Vorschriften habe es auch bei der Kleidung gegeben. Eine Regelung freilich galt für Herren und Knechte gleichermaßen: Sein Messer musste man selber mitbringen. Dies sei jedoch für die Epoche nichts Ungewöhnliches, klärt Wiechert auf. Praktisch jeder trug im 16. Jahrhundert eine Klinge am Gürtel.

Und Gabeln? Deren Gebrauch hatte sich zwar schon in Italien durchgesetzt, nördlich der Alpen galten sie aber als affektiert. In Hohenlohe wurde wahrscheinlich noch mit den Händen gegessen.

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