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Friedhöfe sind für Städte und Kommunen wie eine Art Geschichtsbuch
Karlsruhe. Geschwungene Wege führen durch die offene, weitläufige Parkanlage mit Rasenflächen, alten Bäumen, künstlich angelegten Hügeln und Teichanlagen. Grabsteine entlang des Wegs erinnern an die Verstorbenen. Vor 150 Jahren wurde der Karlsruher Hauptfriedhof nach dem Vorbild englischer Gartenanlagen gestaltet, ein damals ziemlich ungewöhnliches Konzept.
Die erste Bestattung fand am 16. November 1874 statt. Damit gilt der Friedhof als erster kommunaler Parkfriedhof Deutschlands. Zuvor waren Friedhöfe funktional und in streng symmetrisch angereihten Gräbern angelegt nach barockem Muster.
Für die Begräbnisstätte außerhalb der Stadt habe Stadtbaumeister Josef Durm (1837-1919) nach den Prinzipien der englischen Gartengestaltung einen weitläufigen Park angelegt, erläutert die Kunsthistorikerin Simone Maria Dietz vom Infocenter am Hauptfriedhof Karlsruhe. Er habe einen Ort des Gedenkens schaffen wollen, der die Hinterbliebenen in den Vordergrund stelle.
1904 entstand eines der ersten Krematorien in Baden
Nach knapp 30 Jahren musste die Anlage erweitert werden. Im Zentrum des im Südwesten angrenzenden neuen Gebietes entstand 1904 eines der ersten Krematorien Badens nach den Plänen des Architekten August Stürzenacker. Um den Bau liegen Ehren- und Gedenkfelder des Ersten und Zweiten Weltkrieges, wie „Mutter und Kind“ des Bildhauers Erich Lipp aus dem Jahr 1955 oder das von Carl Egler geschaffene Denkmal für 289 Euthanasieopfer des Nationalsozialismus aus dem Jahr 1964.
Das Konzept des Friedhofs als eines „Ortes für die Lebenden“ entspreche der heutigen Sicht auf Friedhöfe, so Dietz. Sogar auf eine Einfriedung wollte Durm verzichten und den Friedhof lediglich durch einen Graben vom angrenzenden Hartwald abtrennen. Dies wurde von der Stadtverwaltung jedoch abgelehnt und eine Grenzmauer errichtet.
Einen Campo Santo mit der großen Kapelle errichtete Durm im Stil der italienischen Frührenaissance. Der Säulengang mit den sich darunter befindenden Gruften zeigt Bezüge zum florentinischen Findelhaus und die Fassade der Kapelle ist an die kleine Kirche St. Bernadino in Perugia angelehnt.
Weil der Friedhof etwa eine halbe Stunde Fußmarsch entfernt errichtet wurde, änderte sich auch für die Karlsruher einiges, erzählt Dietz. Statt einer häuslichen Aufbahrung mit Leichenrede durch den Pfarrer sowie dem anschließenden Leichenzug durch die Straßen fand die Aufbahrung nun in der von Durm errichteten Friedhofskapelle statt.
Seitdem haben sich auch die Bestattungsarten verändert. Statt der früher üblichen Erdbestattungen gebe es heute 80 Prozent Feuerbestattungen, erklärt der Leiter des Friedhofsamtes Matthäus Vogel. Zudem wünschten sich viele Menschen ein Naturgrab. Nicht grau und von hohen Mauern umgeben, sondern ein Ort der Natur, Ruhe und Erholung sollte ein Friedhof sein.
Auch Patenschaften für alte Grabsteine werden angeboten. Der Pate oder die Patin dürfen Stein und Grabstätte für verstorbene Angehörige kostenlos nutzen, müssen sich aber um den Erhalt kümmern. Ein Angebot, das bereits mehr als 100 Bürger nutzen. Seit 2001 können auch totgeborene Kinder auf einem Sternenkinderfeld bestattet werden.
Kinder sind besonders wichtig für Friedhofsleiter Vogel. Als erster überhaupt ließ er 2012 auf dem Friedhof den Spielplatz „Kinderwelten“ errichten. „Ein Spielplatz gehört für mich zum Friedhof – und zwar mittendrin und nicht etwa am Rand“, sagt Vogel. Die Kinder könnten sich dort spielerisch mit Sterben und Tod beschäftigen.
Dazu hat der Spielplatz zwei Teile. In einem kann geschaukelt und gerutscht werden, auf dem anderen können die Schaukeln nicht bewegt werden, die Rutsche ist abgedeckt. Eine große Holzskulptur zeigt einen Jungen, der seinen Vater auf den Schultern trägt.
Friedhöfe erzählen von den Menschen und deren Leben
„Friedhöfe sind Geschichtsbücher einer Stadt, die von Menschen und deren Leben erzählen“, sagte vor vielen Jahren der ehemalige Bürgermeister Klaus Stapf. Gerade alte Grabanlagen hätten mit ihrer Architektur und Symbolik viel zur Stadtgeschichte und zur jeweiligen Epoche zu berichten.
Für Matthäus Vogel gehören auch flexiblere Bestattungszeiten, unter anderem auch samstags und „nicht zu den oftmals fixen Zeiten unter der Woche“ zum modernen Konzept dazu. „Der Friedhof ist nicht nur ein Ort für die Verstorbenen, sondern auch für die Angehörigen“, sagt Vogel
Einmalig in Deutschland ist auch das 2002 eröffnete Info-Center am Hauptfriedhof. Es versteht sich als Anlaufstelle für Ideen, Fragen und Sorgen der Menschen.
Parkfriedhöfe
Als weltweit ältester Parkfriedhof gilt der Père Lachaise in Paris, der 1804 angelegt wurde. Auf ihm sind namhafte Persönlichkeiten wie die Rockikone Jim Morrison von der Rockband „The Doors“ oder der Komponist Frédéric Chopin bestattet. Der 1874 angelegte Hauptfriedhof in Karlsruhe gilt als der älteste kommunale Parkfriedhof in Deutschland. Er wurde im Jahr 1874 fertiggestellt. Fünf Jahre älter ist der 1869 angelegte Südfriedhof in Kiel in Trägerschaft der evangelisch-lutherischen Kirche.